Nun ist sie also vorbei, die Marathon-Spielzeit 2019/2020. Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Trainingsauftakt war am 17.06.2019, mehr als ein Jahr später bestritt der 1. FC Magdeburg das letzte Punktspiel der Saison gegen den SC Preußen Münster. Irre. Und mit zwei Nächten Abstand bleibt festzuhalten: Das waren in vielerlei Hinsicht wirklich bemerkenswerte 12+ Monate. Nur eben keine von der sonderlich guten Sorte.
Los ging es ja eigentlich schon im Mai, ganz konkret am 21.05.. Da begrüßte der FCM seinen neuen Trainer Stefan Krämer, kurz darauf wurden auch bereits Sirlord Conteh, Dominik Ernst, Brian Koglin, Jürgen Gjasula, Anthony Roczen und Leon Bell Bell als Sommerzugänge vorgestellt. Dazu kamen Phillip Harant und Leon Heynke, deren Leihen nach Halberstadt endeten, sowie Pascal Schmedemann, Anton Kanther und Marvin Temp, die aus der U19 aufrückten. „Hui“, dachte ich mir damals, „das lässt sich nach dem Zweitliga-Abstieg eigentlich ganz gut an! Frühzeitig einen neuen Trainer verpflichtet, dazu gleich ein paar richtig interessante Spieler – da scheint es einen Plan zu geben, das gefällt mir gut. Ich bin gespannt!“
Naja, und dann ging es eben los.
Aus den ersten drei Partien holte der Club lediglich zwei Punkte; nach der 2:4-Auftaktpleite gegen Braunschweig folgten zwei Unentschieden in Zwickau und zuhause gegen Waldhof Mannheim. „Gut, okay, da muss sich erstmal einiges eingrooven, war ja schon auch ein ziemlicher Umbruch nach dem Abstieg, einige Leistungsträger weg, neue dazu, das dauert eben“, war zum damaligen Zeitpunkt noch so die Denke. Außerdem: „Wir wären jetzt nicht unbedingt der erste Club, der sich nach einem Abstieg zunächst ein bisschen schwer tut.“ Ich hatte seinerzeit ja überhaupt keine Ahnung, wie schlimm das alles noch werden würde …
Den ersten Sieg der Saison gab es schließlich am vierten Spieltag in Meppen (Manni!), den zweiten, richtig satten mit einem 5:1 gegen 1860 München zwei Wochen später. Klammere ich die Nullnummer in Chemnitz in der fünften Runde mal aus, war nach der Packung gegen die „Löwen“ durchaus so etwas wie zarte Euphorie zu spüren. „Sieben Punkte aus drei Spielen und jetzt geht es zum bisher punktlosen Schlusslicht nach Jena – jetzt ist es soweit, jetzt kommen wir ins Rollen!“
Und dann spielst Du in Jena vollkommen uninspiriert nur 1:1.
Die Spiele zuhause gegen Duisburg und auswärts in Kaiserslautern (dieses Stadion!) endeten mit dem gleichen Ergebnis und so langsam begann sich der Eine oder die Andere (vermutlich auch in der Chefetage) zu fragen, was da eigentlich los ist. Entgegen der Ankündigungen von Stefan Krämer bei uns im Podcast war beim Club insbesondere offensiv wenig Esprit und Struktur zu sehen und wenn Krämer von „Chaos auf dem Platz“ und „Stress“ sprach, den er dem Gegner mit seiner Mannschaft machen wollen würde, konnte der Schema-F-Fußball, den das Team spielte, eigentlich nicht gemeint sein. Das wirkte in dieser Phase alles stark wie „angezogene Handbremse“ und konnte am 9. Spieltag eigentlich nicht mehr mit den typischen Abstimmungsproblemen zu Saisonbeginn erklärt werden.
Ich machte das natürlich trotzdem. Dass der Kader in seiner Zusammenstellung vielleicht nicht in der Lage war, regelmäßig mehr als Durchschnitt mit gelegentlichen Ausreißern nach oben anzubieten, wollte ich damals noch nicht wahr haben. Und dann kam ja auch das Heimspiel gegen Würzburg, das die Größten der Welt mit 3:0 gewinnen konnten. Beck traf, Bertram auch, sogar Tarek Chahed steuerte einen Treffer bei. Das fühlte sich wieder gut an, jetzt müsste der Knoten doch geplatzt sein, Sport frei, FCM, jetzt wird das unser Jahr!
Erneut folgte aber eine Durststrecke, lediglich zwei Punkte sollten die folgenden drei Partien einbringen. Immerhin: Gegen den F.C. Hansa Rostock waren wir endlich wieder zurück auf der Nordtribüne, auch wenn wir aus der neuen/alten Perspektive eine bittere Heimniederlage mit ansehen mussten.
Die restlichen sieben Partien bis zur Winterpause bestätigten dann das Muster, das sich im Verlauf der Hinrunde zu etablieren begonnen hatte: Es gab Licht (z.B. gegen Unterhaching) und Schatten (z.B. in Münster), aber im Großen und Ganzen weder üble Katastrophen noch schillernde Highlights. Mittelmaß eben, guter Durchschnitt und jetzt im Nachhinein habe ich in der Hinrunde zwar auch viel geschimpft, hätte mich mit einer entspannten Saison irgendwo im tabellarischen Niemandsland retrospektiv aber durchaus anfreunden können. Zumal es da ja noch die Braunschweig-Partie gab: Unterzahl – Rückstand – Ausgleich – zwei weitere Platzverweise (einer für Braunschweig, einer für uns) – erneuter Rückstand – erneuter Ausgleich – großer Jubel und ganz offensichtlich eine Mannschaft und ein Trainerteam, zwischen denen es passte. „Das war doch jetzt noch mal positiv! Jetzt gehen wir in Ruhe in die Winterpause, holen vielleicht noch zwei, drei Akteure dazu und dann hauen wir in der Rückrunde richtig einen raus!“, war kurz in meinem Kopf, während ich mich auf ein paar fußballfreie Wochen einrichtete.
Einen Tag später war Stefan Krämer entlassen, 24 Stunden darauf stand Claus-Dieter Wollitz auf der Matte und ich verstand die Welt nicht mehr. Das sah doch zum Schluss eigentlich ganz gut aus! Gab es nicht einen Plan mit Krämer und dieser Mannschaft? Wollte man sich nicht irgendwie entwickeln und dann wieder angreifen? Was sollte das jetzt?
Die Erklärung lieferte der Club postwendend in einer Reihe ganz eigentümlicher Auftritte des sportlichen Leiters und des Geschäftsführers – und in Form einer fast schon penetrant überall platzierten Bildtafel. „So schnell wie möglich zurück in Liga 2!“ lautete nun also die Maxime; ich lernte außerdem, dass ein zweistelliger Tabellenplatz nicht unser Anspruch sei, die Mannschaft nicht das zeige, was in ihr stecke und dass mit Wollitz nun ein Trainer an der Seitenlinie steht, mit dem es jetzt nur nach oben gehen wird, weil er eben das herauskitzeln kann, was Stefan Krämer offenbar nicht aktiviert bekam. Für jemanden, der nun schon ein paar Tage dabei ist, war das nicht unbedingt leicht zu verdauen. Jedenfalls bekamen das Verhältnis zum Club und das Vertrauen in die Leitungsebene eine heftige Delle; den Weg, der den FCM in den letzten Jahren so erfolgreich gemacht hatte, hatte man verlassen, inzwischen war auch der 1. FC Magdeburg nur noch ein ganz normaler, nervöser, ungeduldiger und knallhart-eiskalter, austauschbarer Proficlub.
Vielleicht, nur eventuell, war das die emotional beschissenste Winterpause seit langer, langer Zeit.
Aber hey, am Ende setzte sich dann doch wieder die Leiden(!)schaft und vor allem die Erkenntnis durch, dass jeder erst einmal eine Chance verdient hat, so natürlich auch Claus-Dieter Wollitz und die Mannschaft, die sich in der Wintertransferperiode mit Daniel Steininger und Patrick Möschl nicht übermäßig stark verändert hatte.
Nun ja, der Rest ist gewissermaßen Geschichte. In den sieben Partien bis zur Corona-bedingten Pause gelang lediglich gegen völlig indisponierte Jenaer ein Sieg, insgesamt holte der Club nur sechs Punkte aus diesen sieben Begegnungen. Ein unterirdischer Schnitt für den Mann, der uns doch nun raketenähnlich in die zweite Liga katapultieren würde. Schlimmer noch: Wollitz wirkte rat- und planlos, die Mannschaft zeigte auf dem Rasen, dass Stefan Krämer aus den individuell sicher nicht schlechten, als Kollektiv aber dysfunktionalen Akteuren offenbar noch das Maximum herausgeholt hatte.
Das Missverständnis Wollitz endete schließlich nach dem Auswärtsfiasko bei Hansa Rostock, das mit 1:3 verloren ging. Inzwischen waren wir schon mitten drin in der Corona-Meisterschaft, gegen die unter anderem auch der 1. FC Magdeburg immer wieder gute und richtige Argumente platziert hatte, die aber an den entscheidenden Stellen niemand hören wollte. Spätestens jetzt hatte sich der Profifußball in seiner ganzen Widerlichkeit gezeigt und der Deutsche Fußball Bund sich als zynisch, selbstbesoffen, pseudodemokratisch, anmaßend und in höchsten Maße selbstreferenziell demaskiert. Immerhin: Das Agieren des FCM brachte mich wieder ein Stück näher an meinen Verein, nachdem mir vorher bereits die großartige, virtuelle Reise nach Rotterdam wieder gezeigt hatte, wie viel mehr als nur 90 Minuten Fußball der Club doch für mich ist.
Allerspätestens nach der Rostock-Partie lag der Fokus dann nur noch auf dem Abstiegskampf, den Interimstrainer Thomas Hoßmang mit der Truppe bestreiten sollte. Gleich in der ersten Partie post-Wollitz gab es einen wichtigen Sieg gegen Viktoria Köln, und weil die Konkurrenz dauernd für uns spielte, brachten uns drei Unentschieden in Folge in die Position, am 36. Spieltag gegen die SG Sonnenhof Großaspach alles klar zu machen. Das Ende ist bekannt, nach einer weiteren Gruselvorstellung unterlagen die Größten der Welt mit 0:1 und war die Stimmung letztmalig in dieser elendigen Spielzeit so richtig im Keller.
Dem 2:0-Auswärtssieg in Ingolstadt und damit dem Klassenerhalt folgte dementsprechend weniger Freude, als vielmehr einfach nur riesige Erleichterung. Das war gerade noch mal gutgegangen, der Club mit anderthalb blauen Augen davongekommen. Das Spiel gegen Münster bot dann in 90 Minuten noch mal alles, was in der Saison vorher schon in schöner Regelmäßigkeit zu sehen war. 2:2 hieß es am Ende und es reichte dann auch.
Abpfiff. Feierabend. Kann dann auch weg, dieses 2019/2020.
Wie es jetzt weitergeht, ist erstmal unklar, abgesehen von den üblichen, FCM-typischen Verabschiedungsmechanismen, denen sicher auch wieder öffentliche Klagen des einen oder anderen Akteurs folgen werden, dass man ja gern geblieben wäre, aber keiner mit einem gesprochen hätte, jadajadajada, es ist ja dann doch jeden Sommer wieder das gleiche Lied. Genauso schießen jetzt natürlich wieder die Verpflichtungs-Spekulationen ins Kraut, wird der eine oder andere Ex-FCMer ins Spiel gebracht und wird da wie dort zu lesen sein: „Warum hat der Club denundden nicht geholt?“, „Derundder würde uns doch sofort weiterhelfen!“, „Habt Ihr hier und da mal gefragt, ob man da nicht was machen könne?“ – Alles ganz normal und verständlich, das Sommerpausen-Methadon für den geneigten Clubfan eben.
Fakt ist, dass die Planung der neuen Spielzeit angesichts der ganzen Ereignisse seit dem Winter und vor dem Hintergrund der immer noch nicht ausgestandenen Corona-Pandemie eine ziemliche Mammutaufgabe sein dürfte. Eine Mammutaufgabe, der sich Mario Kallnik in seiner Eigenschaft als Manager und sportlicher Leiter in Personalunion nun stellt und an der er sicher auch gemessen werden wird. Vor dieser Form, Verantwortung zu übernehmen, habe ich Respekt, drücke die Daumen und wünsche maximale Erfolge! Die Wahrheit liegt, wie immer, auf dem Platz und inwiefern die Weichen, die jetzt gestellt werden, in die richtige Richtung führen, werden wir erst in ein paar Monaten beurteilen können. Ich bin sehr, sehr gespannt.
Fakt ist abschließend auch, dass die abgelaufene Spielzeit enorm Kraft gefressen hat, emotional vor allem. Ich bin ehrlich: Ich freue mich nun auf die Pause und ein paar Wochen ohne neue graue Haare im Bart und werde, nachdem wir übermorgen die letzte Podcast-Folge der Saison aufgenommen haben, erst einmal ein bisschen mehr Abstand zwischen mich und die letzten 12 Monate bringen müssen. Weiter geht es dann hier, wenn es eben weitergeht, denn wenn wir inzwischen alle eins gelernt haben, dann, dass es mit unserem 1. FC Magdeburg absolut nie langweilig wird.
In diesem Sinne: Genießt den Sommer, so gut es geht, und dann lesen, hören und sehen wir uns hoffentlich zur neuen Saison wieder. Mit frischer Kraft, neuem Mut, viel Zuversicht und dem, was immer geht: der bedingungslosen Unterstützung unserer Mannschaft. Einmal – immer. Nur der FCM!
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