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Aufbau Ost

Jena

FC Carl Zeiss Jena – 1. FC Magdeburg, 7. Spieltag, 1:1 (1:0)

Im Nachhinein kann man’s ja sagen: Irgendwie war doch klar, dass der FC Carl Zeiss Jena seinen ersten Punkt in dieser Saison ausgerechnet gegen die Größten der Welt holen würde, oder? Festhalten darf man auch: Nach einer Saisonstart-Serie von sechs Niederlagen in Folge war dieser Punktgewinn für die Gastgeber alles andere als unverdient – was dann auch einiges über den Auftritt des 1. FC Magdeburg an den Kernbergen sagt. Zu wenig Tempo, zu wenige Ideen gegen einen defensiv eingestellten Gegner, zu viele kleine Fehler im Spielaufbau und ein kollektiver Abwehr-Blackout kurz vor der Halbzeit, aber glücklicherweise auch ein Christian Beck, der Christian-Beck-Dinge tut und dann steht es am Ende eines überwiegend schwierigen Spiels eben 1:1. Zu wenig gegen diesen Gegner und für die blau-weißen Ansprüche; die Saison 2019/2020 bleibt also weiterhin eine Achterbahnfahrt.

Vor den Spielgenuß (oder, naja, vor das Spiel) hat der Fußballgott bekanntermaßen ja den Bratwurst- und Kaltgetränke-Konsum gestellt, und so machten sich unmittelbar nach der Öffnung des Stadions mehrere Dutzend hungrige und durstige Clubfans auf den Weg zur einzigen Imbissbude, die das Ernst-Abbe-Sportfeld für Gästefans zu bieten hat. Im Verkaufscontainer: zwei junge Damen, von denen die, die für den Verkauf verantwortlich war, Mathematik nach der zehnten Klasse vermutlich als erstes abgewählt hatte. Ich meine, klar, drei (für ein Getränk) plus drei (für noch ein Getränk) plus jeweils fünfzig Cent für den Becherpfand zusammenzurechnen, kann ohne Taschenrechner schon mal schwierig werden (ich weiß, wovon ich spreche), aber eine halbe Minute und mehr sollte das dann in dieser Situation doch nicht dauern. Wenn dann noch der Super-GAU in Form einer zusätzlichen Bratwurst-Bestellung (oder was der Caterer so als „Bratwurst“ verkauft) eintrat, wurde es richtig kriminell. Oder lustig, je nach Sichtweise. Immerhin: Zumindest bei meinen zwei Besuchen an besagtem Stand ging es dort locker und freundlich zu, was den Verkaufsprozess jetzt zwar nicht übermäßig beschleunigte, aber wenigstens für eine gelöste Stimmung sorgte.

Warum ich das alles aufschreibe? Nun, weil fußballerisch, als dann irgendwann der Ball rollte, nicht so furchtbar viel Berichtenswertes passierte. Stefan Krämer hatte sich für die gleiche Anfangsformation entschieden, die in der Vorwoche den TSV 1860 München aus dem Stadion geschossen hatte, und schickte dementsprechend die folgenden Spieler aufs Feld: Alexander Brunst hütete das Tor, Timo Perthel, Tobias Müller, Jürgen Gjasula und Dominik Ernst bildeten die Viererkette. Davor gab es wieder eine Raute mit Thore Jacobsen defensiv, Mario Kvesic als Spielgestalter und Rico Preißinger sowie Charles Eli Laprevotte auf den Halbpositionen. Das Sturmduo bildeten Sören Bertram und Christian Beck.

Stets bemüht und kalt erwischt

Wie es in dieser Partie und angesichts der letzten Ergebnisse der beiden Kontrahenten nicht anders zu erwarten war, übernahmen die Größten der Welt vom Start weg die Initiative und hatten die Partie in den ersten 15 Minuten absolut im Griff. Die erste Torannäherung lieferte Mario Kvesic mit einem Schuss aus der Distanz nach drei Minuten, in Spielminute 10 durfte die Gästekurve fast ein Jenaer Eigentor bejubeln: Kvesic mit dem Chipversuch in Richtung Fünfmeterraum und dort stand Dominik Bock, der seinen Keeper Jo Coppens mit seinem Klärungsversuch gleich mal zu einer Parade zwang. Die anschließende Ecke brachte, wie auch viele weitere Standards in dieser Partie, keinen Ertrag.

Von Jena war zunächst gar nichts zu sehen, erst nach zehn Minuten war Alexander Brunst mal gefragt, der den ersten halbwegs gefährlichen Abschluss der Hausherren (Maximilan Rohr hatte es im Strafraum versucht) aber sicher fangen konnte. Im blau-weißen Offensivspiel schlichen sich derweil einige Ungenauigkeiten ein, mit denen man einen insgesamt schwachen Gegner natürlich gut stark machen kann. Oder anders: Durch Fehler im Spielaufbau (z.B. von Rico Preißinger, der den Ball in der 11. Minute zu leicht verlor und Jena einen Umschaltmoment ermöglichte) holte man den FCC nun Stück für Stück in die Partie. Glück für den FCM aber, dass Jena mit mehr Ballbesitz so gut wie gar nichts anfangen konnte. War wahrscheinlich auch gar nicht der Matchplan, hier selbst zu agieren, sondern eher auf Fehler der Gäste zu warten.

Wie eingangs schon erwähnt, fehlten dem FCM Ideen und Tempo, mal irgendwie hinter die (tief stehende) gegnerische Abwehr zu kommen und die Stürmer mit Flanken zu füttern. Kam doch mal ein hoher Ball durch, war der entweder zu unpräzise oder konnte von der gut stehenden Jenaer Defensive relativ problemlos verteidigt werden. Es war noch gar nicht so lange her, da war ein ganz ähnliches Spiel zu beobachten, in Chemnitz nämlich, wo der Club die gleichen Probleme hatte, einen gut organisierten Abwehrriegel zu knacken.

Die beste FCM-Chance der ersten Halbzeit ging auf das Konto von Spielmacher Kvesic: In der 32. Minute wird er von Sören Bertram im Strafraum bedient und prüft Jo Coppens mit einem satten Schuss in die linke, untere Ecke, den der FCC-Keeper mit einer ganz starken Parade noch zur Ecke lenkt. Tja. Und das war es dann auch schon mit Magdeburger Torgelegenheiten in den ersten 45 Minuten.

Bis kurz vor der Halbzeitpause passierte dann nicht mehr wirklich viel, dafür war inzwischen aber das Haupttribünen-Publikum zur Höchstform aufgelaufen und bestach durch erschreckend wenig Sachkenntnis und Regelkunde, dafür aber mit reichlich Pöbel-Einlagen und Wutausbrüchen, die mitunter lauter daherkamen als der Singsang aus der Südkurve rechts vom Gästeblock. Irgendwie war das unterhaltsam und stieg die Vorfreude auf das erste Tor der Größten der Welt, das die Haupttribüne des Ernst-Abbe-Sportfeldes vermutlich zum Einstürzen gebracht hätte.

Das erste Tor des Tages erzielten dann allerdings die Gastgeber, die von der FCM-Defensive aber auch zu diesem in Jena ja äußerst seltenen Glücksmoment eingeladen wurden. Anton Donkor spielt den Ball die linke Seite hinunter, wo Jürgen Gjasula stand und das Spielgerät lediglich stoppen muss. Stattdessen lässt er den Ball aber über den Schlappen rutschen, sodass Julian Günther-Schmidt mit reichlich Platz in Richtung FCM-Strafraum marschieren kann. Dort macht er es dann gegen drei Magdeburger Abwehrspieler und Alexander Brunst überragend, legt rechts ab auf Daniele Gabriele und ermöglicht dem Teamkollegen den Führungstreffer ins leere Tor. Meine Güte. Knackpunkt ist da natürlich der Fehler von Gjasula, aber die Vorarbeit von Jenas Nummer 27 ist dann schon auch sehr, sehr stark. Kurz darauf war Halbzeit und ging es mit einem reichlich unguten Gefühl in die Pause: Jena in Führung und defensiv eh schon stabil, das würde im zweiten Durchgang wohl eine recht zähe Veranstaltung werden.

Dank Beck und Überzahl zum Ausgleich

Und richtig: Auch in der zweiten Hälfte tat sich der Club schwer, zu guten Torgelegenheiten zu kommen. Stefan Krämer hatte gleich zweimal gewechselt und Koglin für Gjasula sowie Kwadwo für Kvesic gebracht. Der defensive Tausch war aufgrund einer Verletzung von Gjasula notwendig geworden, die Idee hinter dem Kwadwo-Wechsel war es vermutlich, unsere Nummer 22 immer mal wieder ins Dribbling zu schicken, was aber so gut wie gar nicht passierte. Ich glaube, „Manni“ hatte in den ersten zehn Minuten des zweiten Durchgangs nicht eine Ballberührung.

Bis zur 60. (!) Minute waren aufseiten des FCM lediglich zwei Eckbälle zu verzeichnen, die aber beide verpufften. Dafür kamen die Gastgeber nach 58 Minuten in Form eines Freistoßes von Dominik Bock zu einer guten Gelegenheit. Vorausgegangen war ein Foul von Müller, dessen Hand im Gesicht von Günther-Schmidt landete, wofür der Magdeburger Verteidiger die gelbe Karte sah. Kurz darauf gab es den Karton gleich noch mal, nun für Christian Beck, der diese Entscheidung von Schiedsrichter Patrick Alt so überhaupt gar nicht verstehen wollte. Bock jedenfalls zog den fälligen Freistoß scharf auf die kurze Ecke, Alexander Brunst war allerdings mit einer starken Parade zur Stelle. Puh. Schlägt es da ein, wäre es das an diesem Abend wohl gewesen.

Auf der Gegenseite hatte dann zunächst Brian Koglin nach einer Ecke die Möglichkeit, den Ausgleich für seine Farben zu erzielen, platzierte seinen Kopfball dann aber direkt auf den Jenaer Keeper. Besser machte es da schon Christian Beck in Spielminute 67: Diesmal passte eine Flanke von Dominik Ernst, die den Kopf des Kapitäns findet. Der hat dann keine Mühe, am kurzen Pfosten zum 1:1 einzunicken, wobei der Club allerdings wohl auch davon profitierte, dass Jena in diesem Moment in Unterzahl spielen musste. Maximilian Rohr hatte sich kurz vorher verletzt, der fällige Wechsel war noch nicht vollzogen worden.

Unentschieden nun also, und weil Jena mehr wollte als nur einen Punkt, wurde es im weiteren Verlauf ein durchaus rassiges Spiel, bei dem es hoch und runter, aber nicht groß in die Strafräume ging. Nach 78 Minuten betrat Sirlord Conteh den Platz und ersetzte Rico Preißinger, noch mehr Tempo für die Außenbahn also. Auch dieser Wechsel brachte leider nicht den vermutlich erhofften Ertrag, wenngleich der Sommertransfer aus Hamburg in der 87. Minute die große Möglichkeit zur Führung hatte: Koglin zunächst mit dem Anspiel auf Christian Beck, der den Ball gut kontrolliert und auf Sören Bertram am Elfmeterpunkt weiterleitet. Der sieht den einlaufenden Conteh und steckt durch, sodass die Nummer 17 aus kurzer Distanz freie Abschluss-Bahn hat. Statt den Ball auf den Kasten zu zimmern, landet er nach Problemen bei der Annahme allerdings im Toraus. Sehr, sehr schade, weil diese Ballstafette durchaus einen Treffer verdient gehabt hätte.

Kurz vor dem Ende (in der 88. Minute) dann noch einmal Freistoß für den Club, den Bertram aber erst in die Mauer und anschließend ins Aus schiebt und zwei Eckbälle in der vierminütigen Nachspielzeit, die allerdings beide ungefährlich blieben. Tja, und dann war Schluss und galt es, mit diesem enttäuschenden 1:1 im Gepäck die Rückreise anzutreten.

Fazit:

So langsam zeichnet sich in dieser Saison ein Muster ab und dieses Muster ist nicht unbedingt gut: Auf starke (Heim-)Auftritte (hier: Freiburg und 1860 München) folgen erschreckend uninspirierte (Auswärts-)Vorstellungen wie z.B. in Chemnitz und nun gegen Jena. Will der 1. FC Magdeburg in dieser Saison etwas reißen, wäre es wohl angebracht, diese Schwankungen irgendwann mal so zu nivellieren, dass im besten Fall nur noch die guten Auftritte übrig bleiben. Mit einem nicht ganz so guten Gefühl geht es nun erst einmal in die Länderspielpause, die Stefan Krämer und seinem Team aber immerhin die Möglichkeit gibt, in Ruhe nachzujustieren und Wege zu finden, auch tiefe, gut organisierte Abwehrreihen öfter als nur zwei, drei Mal im Spiel zu knacken. Dass das geht, hat die Mannschaft in dieser Spielzeit bereits angedeutet, und das stimmt dann am Ende des Tages vielleicht doch wieder optimistisch. Schauen wir mal.

Gegen Duisburg geht es weiter, bis dahin wird es auch hier im Blog urlaubsbedingt ruhig zugehen. Und dann geht es neu los, mit frischer Kraft und frischem Mut und dem nächsten Heimerfolg in der Liga. Hoffentlich. Ganz bestimmt. Ganz sicher.

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