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Kalte Duschen

Eintracht Braunschweig

1. FC Magdeburg – Eintracht Braunschweig, 1. Spieltag, 2:4 (1:3)

Als wäre das Ergebnis nicht schon ärgerlich genug gewesen, öffnete auf dem Rückweg vom Stadion in die Stadt auch noch der Himmel seine Schleusen. Irgendwie passte das Wetter zum Tag, der entspannt, euphorisch, warm und sonnig begonnen hatte, dann irgendwann klamottenklebeeklig wurde und schließlich mit einer kompletten Dusche endete. Klar, den Auftakt in diese Drittliga-Saison haben wir uns sicher alle anders vorgestellt, nur: Wer in der ersten Hälfte gegen ein mutmaßliches Spitzenteam zum Teil groteske Fehler macht und schon nach einer knappen halben Stunde drei Tore kassiert hat, der muss sich dann nicht wundern, wenn er am Ende mit leeren Händen dasteht.

Dabei ist das Gefühl, ein Heimspiel nicht zu gewinnen, mit Blick auf die letzten Monate ja leider kein unbekanntes und trotzdem stellt sich mit ein paar Stunden Abstand die Frage, wie dieses erste Spiel der neuen Saison nun eigentlich einzuordnen ist. Vieles war noch hakelig, an einigen Stellen fehlten Abstimmung und Balance, dann wiederum gab es auch einige ansehnliche Kombinationen und gute Aktionen, die das Potential dieser neu zusammengestellten Mannschaft mindestens mal andeuteten. Zurück bleibt ein merkwürdiger Eindruck, der sich wohl erst in den kommenden Spielen entweder verstetigen oder widerlegen lassen wird.

Merkwürdig war irgendwie auch die Atmosphäre vor der Partie: Zwischen die blau-weiße Anhänger*innenschaft mischten sich aus bekannten Gründen etliche Blau-Gelbe auf dem Weg zum und vor dem Stadion; auch im Heimbereich waren einige Trikots in fremden Farben zu sehen. So viel Flausch ist mein Ding jetzt nicht unbedingt, zumal ich persönlich mit Eintracht Braunschweig emotional so gut wie gar nichts verbinde. Trotzdem ist es natürlich auch interessant, zu sehen, dass im (Profi-)Fußball mit seinen angeblich immer ach so problematischen Fans auch solche Konstellationen möglich sind. Wenigstens in der Kurve musste ich mich nicht groß umgewöhnen: Eine gute halbe Stunde vor Spielbeginn gab es da schon den einen oder anderen gesanglichen Schlagabtausch mit den blau-gelben Nachbarn, inklusive deutlicher Ansagen, wessen Stadion das hier eigentlich ist. Das gefiel und machte große Lust auf mehr. Pünktlich zum Anpfiff war sie dann auch verlässlich wieder da, die gute, alte Gänsehaut beim Einklatschen und dem ersten ordentlichen „FUSSBALLCLUB MAGDEBURG!“ der neuen Saison.

Unten auf dem Rasen hatte sich Cheftrainer Stefan Krämer für die gleiche Formation entschieden, die auch schon im letzten Testspiel gegen Rotherham begonnen hatte: Alexander Brunst hütete das Tor, die Viererkette bildeten Timo Perthel, Tobias Müller, Björn Rother und Tarek Chahed. Auf der Doppelsechs begannen Jürgen Gjasula und Rico Preißinger, während Sören Bertram links, Marcel Costly rechts und Mario Kvesic zentral offensiv begannen. Im Sturmzentrum startete Kapitän Christian Beck.

„Nimm‘ Du ihn, ich hab‘ ihn sicher!“

Und der stand gleich in der dritten Minute im Mittelpunkt, als er im Strafraum fiel und nicht Wenige einen Stoß seines Gegenspielers für den Sturz verantwortlich machten. Die Pfeife von Schiedsrichter Zwayer blieb aber stumm; überhaupt verfolgte der Unparteiische zunächst eine großzügige Linie, die zumindest in der Anfangsphase den robust zu Werke gehenden Braunschweigern mehr zugute kam als den Größten der Welt. Naja, und nach sieben Minuten gab es dann bereits die erste kalte Dusche für den Club: Tobias Müller verlor den Ball im Mittelfeld und dann reichte Eintracht Braunschweig ein starker Pass in die Schnittstelle, um Kobylanski in eine gute Abschlussposition zu bringen. Der Zugang aus Münster war viel zu schnell für Björn Rother und schob überlegt und technisch stark zum 0:1 ein.

Blau-Weiß schüttelte sich kurz, bemühte sich dann aber direkt um den Ausgleich, der keine fünf Minuten nach dem Braunschweiger Führungstreffer auch fallen sollte. Zuvor hatte Rico Preißinger sich den Ball vor dem Strafraum schön zurechtgelegt und aus der zweiten Reihe einfach mal abgezogen (9. Minute), allerdings ein Stück zu weit rechts gezielt. In der 12. Minute dann ein krasser Fehler in der BTSV-Defensive, der Christian Beck im Angriffsdrittel in Ballbesitz brachte. Der Kapitän marschierte, hatte plötzlich relativ viel Wiese vor sich und sah links den mitgelaufenen Sören Bertram. Rübergelegt, direkt abgezogen und zack! stand es auch schon 1:1. Nicht wirklich herausgespielt, aber gut umgeschaltet und clever zu Ende gebracht – so durfte das gern weitergehen.

In der 14. Minute gab es dann noch eine Freistoßchance vom auffälligen Mario Kvesic, der überall zu finden war, Jasmin Fejzic im Braunschweiger Tor mit seinem Schuss aus ca. 20 Metern aus halb linker Position aber nicht überwinden konnte. Dafür fiel in der 18. Minute das nächste Tor, allerdings auf der falschen Seite: Marcel Bär konnte aus dem rechten Braunschweiger Halbfeld vollkommen ungestört in den Strafraum flanken, wo Martin Kobylanski blitzeblank stand und nur noch den Kopf hinhalten musste. Puh. Die Gäste machten das schon stark, waren sofort präsent, wenn sich der FCM Fehler leistete und nutzte die dann eben eiskalt aus. So spielt ein Spitzenteam.

Auffällig waren in der ersten Hälfte auf der Heimseite viele, zum Teil nicht erklärbare Fehlpässe, auf die Braunschweig eigentlich nur warten musste und die vor allem in Regionen passierten, in denen oder aus denen heraus es schnell gefährlich werden konnte. So ermöglichte beispielsweise Rico Preißinger in der 20. Minute einen Braunschweiger Konter aus dem Mittelfeld heraus, den Jürgen Gjasula dann aber ganz stark unterband. Offensiv tat man sich trotz längerer Ballbesitzphasen schwer, in gute Abschlusspositionen zu kommen. In der 28. Minute gelang das mal gut, als Christian Beck eine schöne Flanke von der rechten Seite per Kopf auf den langen Pfosten verlängerte, wo Kvesic den Ball dann ans Außennetz nagelte.

Und gerade, als man so ein bisschen den Eindruck hatte, der Club würde das Spiel gut beruhigen und sein Ding durchziehen, passierte der nächste krasse Fehler, den die Gäste natürlich auch wieder eiskalt ausnutzten: Ein Schlag ins Angriffsdrittel von Fejzic wird lang und länger, der Ball ist wirklich ein gutes Stück in der Luft. Tarek Chahed und Alexander Brunst spielen das beliebte „Nimm’ Du ihn, ich hab’ ihn sicher“-Spiel mit der Konsequenz, dass keiner von beiden wirklich resolut zum Ball geht, Braunschweigs Marcel Bär dafür aber mit Köpfchen spielt und die Kugel über den in Handballtorwart-Manier aus seinem Kasten stürmenden Brunst lupfen kann. 1:3, Slapstick-Tor. Irre. Das Ding darf so nie im Leben fallen. Tja nun.

Viel passierte dann in Halbzeit Eins nicht mehr, sieht man mal von einer schönen Aktion kurz vor dem Pausenpfiff ab, in der Sören Bertram im Strafraum den Ball verliert, ihn aber sofort zurückgewinnen kann und auf Perthel quer legt, der wiederum Mario Kvesic mitnimmt. Der Abschluss ging nicht auf’s Tor, deutete aber an, wie es gehen kann. Trotzdem war das 1:3 zur Halbzeit jetzt natürlich nicht unbedingt der riesige Stimmungsaufheller.

Anschluss mit Schrecken und Doppel-Rot

Der zweite Durchgang begann aufseiten der Hausherren personell unverändert, was angesichts insbesondere der Defensivleistung in der ersten Hälfte doch ein wenig überraschte. So war zum Beispiel das Duell zwischen Björn Rother und Nick Proschwitz sehr interessant, weil Rother hier insbesondere bei Kopfballduellen regelmäßig das Nachsehen hatte, was Braunschweig in den ersten 45 Minuten clever nutzte. Da gab es dann eben häufiger den langen, hohen Pass auf besagten Proschwitz und wurde das Luftduell mit Rother regelrecht gesucht, weil auch die zweiten Bälle in diesen Situationen eher bei Braunschweig als bei uns landeten. Naja, und dann ergeben sich vorn natürlich viele gute Optionen, nur eben leider für die falsche Mannschaft. Sei es drum.

Dafür wurde das Offensivspiel der Größten der Welt nun gefälliger, die Jungs kamen mit mächtig Dampf und Willen aus der Kabine. Gleich in der 46. Minute legte Jürgen Gjasula raus auf Sören Bertram auf dem linken Flügel, der eine schöne Flanke in die Mitte schlug. Dort verpasste Christian Beck knapp, auch Marcel Costly konnte den durchrutschenden Ball dann nicht mehr erreichen. Schade, aber das war eine schöne Situation und ein gutes Signal. Zwei Minuten später schloss Kvesic dann einen Angriff über den rechten Flügel per Abschluss aus der zweiten Reihe ab. Der Ball ging zwar über das Tor, aber hier war jetzt doch ein bisschen mehr Zug drin – vielleicht ging ja doch noch was?

Und richtig: Nach 50 Minuten leuchtete ein 2:3 von der Anzeigetafel: Die Spielsituation war zunächst eigentlich harmlos, eine Flanke von links konnte Jasmin Fejzic im Braunschweiger Tor ohne Schwierigkeiten herunterpflücken. Dabei wurde er allerdings von seinem eigenen Mitspieler derart unterlaufen, dass er ungebremst auf den Rücken knallte und dabei den Ball fallen ließ. Christian Beck war gedankenschnell und verwertete zum Anschlusstor, so richtig eskalativ fiel der Jubel dann aber nicht aus. Fejzic war zunächst regungslos liegengeblieben und musste schließlich vom Platz getragen werden, eine unheimliche Szene insgesamt. Gute Besserung an der Stelle an unseren Ex-Keeper, solche Situationen wünscht man niemandem.

Bis etwa zur 60. Minute blieb der Club am Drücker, ohne Abschlüsse erzwingen zu können; Braunschweig trat offensiv erstmals in der 65. Minute mit einem Eckball wieder in Erscheinung. In der 68. Minute dann die gute Gelegenheit für die Gäste, auf 2:4 zu stellen: Es gibt einen Freistoß auf der rechten Seite, ziemlich tief in Richtung Grundlinie. Der Ball kommt scharf herein und solche Dinger sind ja immer fies – da muss nur jemand den Fuß oder den Schädel dranhalten, damit es einschlägt. Tat es aber nicht, die Magdeburger Defensive konnte die Hereingabe klären, der Nachschuss ging dann über das Tor.

Nach 71 Minuten war dann der Arbeitstag für Tarek Chahed und Sören Bertram beendet, für sie kamen Dominik Ernst (der in den etwa 20 Minuten Spielzeit erneut eine gute Bewerbung für einen Startelfeinsatz im nächsten Spiel abgab) und Manfred Osei Kwadwo. Beide belebten das Spiel noch mal merklich, wobei gerade Kwadwo im weiteren Verlauf leider ein paar gute Gelegenheiten liegen ließ. Aber immerhin: Gelegenheiten gab es, mit ein bisschen (Spiel-)Glück hätte der Ausgleich hinten raus durchaus gelingen können. So sahen die 16.102 Zuschauer*innen in der 79. Minute beispielsweise, wie Gjasula ganz stark Dominik Ernst auf der rechten Bahn mitnahm, der von der Grundlinie aus scharf in die Mitte spielte. Dort stand Costly; bevor der aber an den Ball kam, konnte ein Braunschweiger Bein klären. Ärgerlich, aber auch das war wieder stark gespielt. Braunschweig beschränkte sich in seinen Offensivbemühungen weitestgehend auf Standardsituationen, so um die 82., 83. Minute herum flogen einige ruhende Bälle in den Magdeburger Strafraum, die aber alle recht souverän wegverteidigt wurden.

Und dann musste es hinten raus natürlich noch mal hektisch werden.

Wir schreiben die 84. Minute, als sich Björn Rother auf vielleicht drei, vier Meter einen Fehlpass leistete. Beim Versuch, den Ball direkt zurückzugewinnen, grätschte er Nick Proschwitz ohne Chance auf die Kugel von hinten die Beine weg – selten war eine rote Karte berechtigter. Kurios war allerdings, dass man den Hausherren die daraus logischerweise folgende Unterzahl kaum anmerkte. Das Team versuchte alles, um doch noch zum Ausgleich zu kommen, nur machte es aber auch Braunschweig defensiv sehr gut und ließ keinen herausgespielten Angriff mehr zu.

In der 87. Minute gab dann Philipp Harant sein Profifußball-Debüt, als er für Jürgen Gjasula eingewechselt wurde und sich, eigentlich als Innenverteidiger geführt, sofort eher offensiv orientierte. Braunschweig verlegte sich derweil auf den üblichen Zeitschinde-Blödsinn, den man dem Team von Christian Flüthmann aber nur eingeschränkt übel nehmen kann. So funktioniert das eben im deutschen Fußball, wir hätten das umgekehrt vermutlich ganz ähnlich gespielt. Nach 89 Minuten dann ein Platzverweis für Magdeburgs Co-Trainer Silvio Bankert: Nach einem Zweikampf und eher unschönen Provokationen beider Bänke gegeneinander schoss er den am Boden liegenden Marcel Bär ab und sah dafür von Schiedsrichter Zwayer den roten Karton.

Satte sieben Minuten Nachspielzeit nährten dann noch einmal so ein bisschen die Hoffnung, dass man hier vielleicht doch noch irgendwie einen Punkt erzwingen kann – ein amtlicher Flatterball von Rico Preißinger, den Braunschweigs Ersatzkeeper Marcel Engelhardt nur prallen lassen konnte, war aber in den Bonusminuten der einzige, halbwegs gefährliche Abschluss der Größten der Welt. Tja, und wenn man alles nach vorn wirft und hinten außerdem noch einer fehlt, kommt es eben, wie es kommen muss: Quasi mit der letzten Aktion des Spiels bekommt Braunschweig nochmal eine Konterchance, die Kobylanski abgewichst für seinen dritten Treffer und den 2:4-Endstand nutzt.

Fazit:

Ein Auftakt nach Maß sieht sicher anders aus, aber im ersten Spiel konnte man auch noch nicht damit rechnen, dass bereits alle Automatismen vollumfänglich greifen und man Braunschweig nach Belieben dominieren würde. Stefan Krämer sagte nach dem Spiel sinngemäß, dass die Partie in den ersten 45 Minuten verloren wurde, als man einfach viel zu viele einfache Fehler machte und sich dadurch eine Grube buddelte, aus der man dann nicht mehr herausfand. Dieser Einschätzung schließe ich mich gern an, zumal, wie eingangs schon festgestellt, auch einige spielerische Ansätze zu beobachten waren, die durchaus gefielen und zeigten, in welche Richtung es gehen kann. Inwieweit es dem Trainerteam gelingt, die einfachen Fehler und Abstimmungsprobleme abzustellen, können selbstverständlich nur die nächsten Partien zeigen, Zwickau wird da am kommenden Wochenende schon ein ordentlicher Gradmesser.

Also: Keine Panik, es war erst der erste Spieltag. Und klar, die Dusche war kalt, aber sicherlich auch lehrreich. Weiter geht’s am 28.07. und dann wollen wir doch mal schauen, ob nicht vielleicht auch das Zwickauer Stadion ein guter Ort sein kann, um einen Auswärtssieg zu feiern.

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