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Bis einer heult

Braunschweig

Eintracht Braunschweig – 1. FC Magdeburg, 20. Spieltag, 2:2 (0:0)

Na das war doch mal eine äußerst unterhaltsame Nummer zum Jahresabschluss! Volles Haus in Braunschweig, eine katastrophale erste und eine völlig verrückte zweite Halbzeit, drei Platzverweise, jede Menge Stammtisch-Diskussionen-Potenzial und vier Tore, von denen der Club zwei in Unterzahl und beide Male zum Ausgleich erzielte. Doch, es gab in dieser Spielzeit durchaus schon langweiligere Begegnungen mit blau-weißer Beteiligung. Allerdings bin ich, um ehrlich zu sein, noch unentschlossen, ob ich mich nun über verschiedene Dinge ärgern oder doch lieber einfach über das Ergebnis freuen soll. Naja, vermutlich eher freuen, weil tolle Moral und so, und außerdem ist ja auch bald Weihnachten, nicht?

Im letzten Pflichtspiel des Jahres musste Stefan Krämer Jürgen Gjasula (Rotsperre) und Dominik Ernst (Verletzung) ersetzen und tat das erwartungsgemäß mit Björn Rother und Marcel Costly. Neben den beiden spielten Morten Behrens (der auf jeden Fall das gute Müsli gefrühstückt hatte), Leon Bell Bell, Tobias Müller, Pflichtspiel-Startelf-Debütant Dustin Bomheuer und Thore Jacobsen. Offensiv begannen Sirlord Conteh, Sören Bertram, Rico Preißinger und Christian Beck. Bevor es allerdings sportlich wurde, gehörte die Aufmerksamkeit des Stadions zunächst beiden Fankurven: Sowohl Braunschweigs aktive Szene als auch Block U hatten sich nicht lumpen lassen und zeigten zu Spielbeginn jeweils schicke Choreos. Konnte man auf jeden Fall so machen, Hut ab an dieser Stelle!

Gruselauftritt

Der FCM spielte zunächst auf die Heimkurve, was bedeutete, dass für den ausverkauften Gästebereich alles, was im Braunschweiger Strafraum passierte, nur schwer zu erkennen war. Da der Club aber im ersten Durchgang nicht einen Schuss aufs Tor zustande brachte, was das zu verschmerzen – es gab eh nicht groß was zu sehen.

Allerdings galt das zunächst auch für die Gastgeber, die sich erstmals nach reichlichen 13 Minuten mit der ersten Ecke des Spiels im Magdeburger Strafraum bemerkbar machten. Morten Behrens war zur Stelle und pflückte den Ball sicher herunter. Fünf Minuten später wieder die Braunschweiger, wieder mit einer Ecke, nur diesmal als kurz ausgeführte Variante. Der Ball kommt in den Rückraum zu Robin Becker, der dann aber deutlich drüber haut. Und das fasste Spielgeschehen und Niveau bis zu jenem Zeitpunkt eigentlich ganz gut zusammen.

Auffällig war (vermutlich auch, weil das Braunschweiger Spiel vor allem vor der Gästekurve stattfand), dass die Hausherren es oft über unsere rechte Abwehrseite probierten. Dort spielten Marcel Costly außen und Dustin Bomheuer innen und sagen wir es so: Beiden merkte man die fehlende Spielpraxis in mehreren Situationen doch ziemlich deutlich an. Smarter Move also von Heimcoach Antwerpen, der die defensive Schwachstelle gut erkannt hatte. Und Glück für den Club, dass Braunschweig die richtige Durchschlagskraft zunächst noch nicht entwickeln wollte, obwohl es in Halbzeit 1 ziemlich einfach war, gegen den FCM zumindest mal in Ballbesitz zu kommen. Lange Schläge landeten eigentlich regelmäßig beim Gegner, später kamen dann auch noch einige Einwürfe dazu, bei denen man sich den Aufwand gut hätte sparen können, wenn man den Ball gleich einem Braunschweiger Spieler in die Hand gedrückt hätte. Nun ja.

Nach 26 Minuten hätte es im Prinzip schon 0:2 aus Gästesicht stehen können, was nur deshalb nicht passierte, weil erst Marcel Bär nach einem guten Braunschweiger Umschaltmoment zu ungenau zielte und seinen Schuss von rechts neben den linken Pfosten platzierte (24.). Anschliessend war es Nick Proschwitz, der nach einem Fehlpass von Bomheuer völlig frei vor Morten Behrens auftauchte (26.), dann aber an dessen toller Fußabwehr scheiterte.

Eine knappe halbe Stunde war gespielt, als sich dann Sirlord Conteh dazu entschied, den eigenen Arbeitstag vorzeitig zu beenden und das Schwierigkeitslevel für seine Mannschaft noch mal ein Stückchen nach oben zu schrauben: Zunächst wurde er selbst gefoult, woraufhin sich eine gepflegte Menschentraube bildete, in deren Mitte plötzlich eine rote Karte aufblitze und man Conteh wenig später vom Feld trotten sah. Was konkret passiert war, konnte ich im Stadion von meinem Standort aus nicht erkennen. Die Fernsehbilder zeigten später: Am Boden liegend, hatte Conteh gegen Robin Ziegele ordentlich nachgetreten und war für die Aktion von Schiedsrichter Sven Jablonski völlig zu Recht duschen geschickt worden. Selten dämliche Aktion, man kann es nicht anders ausdrücken. Außerdem gab es noch den gelben Karton für Becker, der irgendwie auch in die hitzige Situation involviert war. Der Innenverteidiger war in der 7. Minute bereits verwarnt worden und hätte somit ebenfalls das Feld verlassen müssen – was er aber nicht tat und stattdessen durchspielte. Joa. Später hieß es dann, die Karte hätte Pfitzner gegolten; im Stadion und vom Gästeblock aus war das natürlich nicht aufzulösen, die Wiederholung ist da allerdings recht eindeutig … Weiter ging es jedenfalls mit 11 gegen 10.

60 Minuten in Unterzahl sind in so einem Spiel natürlich eine super Sache; gut war aber, dass die Mannschaft bis zum Pausentee nur noch 15 Minuten überbrücken musste. Und obwohl Braunschweig das Spiel nun deutlich an sich riss, gelang es den Größten der Welt irgendwie, sich in die Halbzeitpause zu retten – auch, weil die Eintracht die eigene Feldüberlegenheit nicht in wirklich klare Angriffe übersetzen konnte. Oder halt „Air Behrens“ im Weg stand, wie nach 34 Minuten, als er eine ordentliche Fackel von Kessel aus dem Rückraum mit einer starken Flugeinlage entschärfte. Mit 0:0 ging es dementsprechend, aus Magdeburger Perspektive sicherlich glücklich, in die Kabine.

Verrücktes Fußballspiel

Im zweiten Durchgang passierte dann etwas, das man nach den ersten 45 Minuten so nicht unbedingt erwarten konnte: Es wurde ein völlig verrücktes Fußballspiel. Zunächst einmal gab es nach 49 Minuten Elfmeter für Braunschweig, weil Björn Rother am Fünfmeterraum den Fuß von Manuel Schwenk erwischte, der den Kontakt allerdings auch äußerst dankbar annahm. Marc Pfitzner übernahm die Verantwortung, verlud Behrens und schob dann ganz entspannt in die Mitte. Die Führung für Braunschweig nicht unverdient, aus Magdeburger Perspektive aber natürlich richtig ärgerlich.

Viel Zeit zum Grummeln blieb allerdings nicht, und das lag an Thore Jacobsen und vor allem an Christian Beck. Ersterer schickte seinen Kapitän unmittelbar nach dem Anstoß und mitten rein in das eher anstrengende Stadionsprecher-Jubel-Gegröhle mit einem langen Ball aus dem Mittelfeld auf die Reise, Letzterer überlupfte dann seinen ehemaligen Mannschaftskollegen Jasmin Fejzic und stellte in der 51. Minute auf 1:1. Schöne Bude, geiler Jubel im Block und der Club mit einer in dieser Saison komplett ungewohnten Effektivität. Erster Torschuss, erster Treffer, so spielt ein Auf- … okay, kleiner Scherz. Aber gut fühlte sich das trotzdem an.

Im weiteren Verlauf wurde es dann, wie kurioserweise schon in Münster, etwas neblig im Gästeblock und als sich der mitgebrachte Rauch verzogen hatte, waren zwei weitere Spieler des Feldes verwiesen worden. Auf Magdeburger Seite traf es Thore Jacobsen, der Kammerbauer mit einem viel zu hohen Bein mitten im Gesicht erwischte (keine Diskussion), bei den Hausherren verließ Pfitzner den Rasen, weil er den Schiedsrichter beleidigt hatte. Und weil ebenjener Pfitzner bei Braunschweig der neue Becker ist oder so, durfte er nach der nun gezeigten zweiten Gelben, die für ihn eigentlich die erste Gelbe war, auch duschen gehen. Sehr kurios, das alles.

Sei es drum, beim personellen Ungleichgewicht blieb es ja trotzdem, wenngleich nun nicht mehr mit 11 gegen 10, sondern mit 10 gegen 9 gespielt wurde. Und das gelang Braunschweig augenscheinlich deutlich besser als dem Club, jedenfalls durfte sich der FCM in der Folgezeit bei Morten Behrens dafür bedanken, dass man nicht gleich wieder in Rückstand geriet. Erst wehrte er einen Braunschweiger Abschlussversuch nach einem Freistoß tauchenderweis‘ zur Ecke ab (55.), dann war er aus kurzer Distanz zur Stelle (59.), nachdem die Eintracht sich über die rechte Seite durchgespielt hatte und zum Abschluss kam. Bitte, bitte, lasst uns in der Winterpause nicht wieder eine Torwartdiskussion führen. Sie ist schlichtweg unnötig.

Braunschweig belagerte nun regelrecht den Magdeburger Strafraum, mehr als ein Abschluss nach 68 Minuten, aus dem eine Ecke wurde, war allerdings nicht drin. Das bedeutete auch: Blau-Weiß stand defensiv gut, kämpfte, warf sich rein und ging dem BTSV auf diese Weise ordentlich auf die Nerven. Nur die Entlastung fehlte, weshalb es eigentlich nur eine Frage der Zeit sein konnte, bis hier der zweite Gegentreffer fiel.

Wir sind aber immer noch bei der Ecke nach 68 Minuten, deren Ausführung noch durch einen Wechsel verzögert wurde: Sören Bertram verließ das Feld, für ihn kam Charles Elie Laprevotte in die Partie. Und der war keine 30 Sekunden auf dem Platz, als Morten Behrens an diesem Nachmittag den zweiten Ball aus den Maschen holen musste. Besagter Eckball wurde flach ausgeführt, sodass Bär von der rechten Seite vor das Tor flanken konnte. Dort stieg Kessel am höchsten und nickte kraftvoll zur erneuten Braunschweiger Führung ein. Hmpf. Erneuter Rückstand also, jetzt würden vielleicht alle Dämme brechen. Oder?

Nun, die Antwort auf diese Frage kam in Person von Björn Rother um die Ecke. Wir schreiben die 72. Minute, es gibt Freistoß aus dem rechten Mittelfeld. Christian Beck verlängert per Kopf zum Mittelfeldmann, der rechts am Fünfmeterraum lauert und den Ball per Direktabnahme in die Maschen hämmert. Und wenn auch der Trainer zur Eckfahne rennt, um den Torschützen zu beglückwünschen, weißt Du: Das muss schon ein besonders wichtiger Treffer gewesen sein. War es ja auch – zweimal in Unterzahl einen Rückstand ausgleichen, muss man erst einmal schaffen.

An guter Moral hat es Blau-Weiß an diesem Nachmittag jedenfalls nicht gemangelt und Moral sowie Einsatz und Kampfgeist waren auch nötig: Braunschweig setzte trotz des erneuten Ausgleichs nämlich direkt die Strafraumbelagerung fort, was die ganze Angelegenheit für den geneigten Clubfan bis zum Ende des Spiels doch einigermaßen anstrengend machte.

In der 84. Minute kam Manfred Osei Kwadwo für Rico Preißinger und war direkt an der letzten guten Offensivaktion des Clubs beteiligt. Über die linke Seite und unter anderem auch Kwadwo kam der Ball nach 85 Minuten noch mal zu Christian Beck am Fünfmeterraum, dessen Abschluss aber zu einer (ertraglosen, weil von Costly halbhoch ins Nichts getretenen) Ecke geblockt wurde. Mit der späten Einwechslung von Harant (87., für Rother) galt es noch einmal, Zeit von der Uhr zu nehmen und weil auch in den drei Minuten Nachspielzeit kein Treffer mehr fiel, beendete Blau-Weiß das Pflichtspieljahr 2019 mit einem redlich erkämpften Punkt bei der Braunschweiger Eintracht.

Fazit:

In Anbetracht der Umstände, der üblen ersten Halbzeit und aber auch der tollen Einstellung, die die Mannschaft im letzten Spiel des Jahres an den Tag legte, dürfen wir mit dem Punktgewinn unter dem Strich sicherlich zufrieden sein. In jedem Fall bin ich bei Kapitän Beck, der nach dem Spiel sinngemäß sagte, dass man nicht mit einem schlechten Gefühl in die Pause geht. Weitergedacht heißt das allerdings, dass es eben auch kein ausgesprochen gutes ist. Es bleibt viel zu tun in der Winterpause, das ist klar, und wir dürfen alle sehr gespannt sein, ob sich in den noch verbleibenden Partien der Saison 2019/2020 vielleicht doch noch einmal sowas wie Konstanz einstellt. 18 Punkte sind es noch bis zum Minimalziel und in Anbetracht der bisher doch eher schwankenden Leistungen sind wir wahrscheinlich gut beraten, uns erst einmal darauf zu konzentrieren, bevor an der Elbe wieder größer geträumt wird.

Jetzt ist allerdings erst einmal Winterpause und Zeit, den Fußball zumindest für den Moment mal Fußball sein zu lassen. Genau das wird hier im Blog passieren; auch nurderfcm.de macht Ferien und meldet sich dann erst im Januar zurück. Habt alle schöne Weihnachten, bleibt gesund, rutscht gut ins neue Jahr und dann schauen wir mal, was 2020 fußballerisch so gehen wird.

In diesem Sinne: Schöne Feiertage und: Nur der FC Magdeburg!

2 Kommentare

  1. Pingback: Stefan Krämer, Sündenbock - nurderfcm.de

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