FSV Zwickau – 1. FC Magdeburg, 2. Spieltag, 0:0 (0:0)
Puh. Wie, zum Teufel, haben wir dieses Spiel eigentlich nicht verloren? War es in der ersten Partie gegen Braunschweig phasenweise schon schwierig, brauchte der 1. FC Magdeburg diesmal etwa 60 (!) Minuten, um beim FSV Zwickau ansatzweise ins Spiel zu finden und sich im Endeffekt eine einzige, wirklich hundertprozentige Torchance zu erarbeiten – die Marcel Costly dann in der 88. Minute vor der bereits jubelnden Gästekurve vergab. Insbesondere in der ersten Halbzeit war von einer offensiven Spielidee – oder einem planvollen Spielaufbau – kaum etwas zu sehen, dominierten Unkonzentriertheiten, Fehlpässe und gefährliche Ballverluste. So wird es gegen jeden Gegner in dieser Liga schwer, ganz egal, ob er nun Zwickau, Großaspach oder Viktoria Köln heißt. In Durchgang zwei wurde es dann etwas besser, die Sorgenfalten sind nach dieser ersten Auswärtspartie der Saison aber mit Sicherheit nicht eben kleiner geworden.
Stefan Krämer nahm gegenüber dem Liga-Auftakt in der Vorwoche drei Änderungen in der Startformation vor: Brian Koglin rückte für den gesperrten Björn Rother in die Viererkette vor Alexander Brunst, auf der Rechtsverteidigerposition gab Dominik Ernst sein Startelf-Debüt. Auf der anderen Seite spielte Timo Perthel, der einen völlig gebrauchten Tag erwischte, neben Koglin besetzte Tobias Müller die zweite Innenverteidiger-Position. Auf der Doppelsechs startete diesmal Charles Elie Laprevotte neben Jürgen Gjasula, offensiv spielten Sören Bertram, Rico Preißinger (der die Position des angeschlagenen Mario Kvesic übernahm) und Marcel Costly, ganz vorn drin begann Christian Beck.
„FCM, erwache!“
Viel zu lachen gab es ja nicht in den ersten 45 Minuten, dafür sorgte aber die Heimkurve auf der dem Gästeblock gegenüber liegenden Tribüne zu Spielbeginn für den einen oder anderen Schmunzler. Man hatte sich für den Heimauftakt eine kleine Choreographie zurechtgelegt, „§1, Abs. 4: Die Vereinsfarben sind rot und weiss“ war auf einem Spruchband vor der Kurve zu lesen, roten und weißen Rauch nebst entsprechenden Fähnchen in den genannten Farben gab es dazu. Ist dann schon witzig, wenn gefühlt die Hälfte des Blocks aus Anhänger*innen von Dynamo Dresden besteht, die in ihren schwarz-gelben Klamotten da rumstehen. Klassiker. Und klar, das kann man alles so machen, es sieht dann halt nur albern aus.
Über das sportliche Geschehen im ersten Durchgang kann man aus FCM-Perspektive getrost den Mantel des Schweigens legen, es spielte eigentlich nur der FSV Zwickau. Immer wieder ging es entweder über den Ex-Magdeburger Morris Schröter und die rechte Seite oder über Ronny König im Sturmzentrum, der Brian Koglin bei seinem ersten Startelf-Einsatz für den Club mächtig beschäftigte. Auffällig auf Gäste-Seite auch: Fabio Viteritti, aus Cottbus gekommen und ja ebenfalls mit einer Magdeburger Vergangenheit.
Angriff um Angriff rollte so auf das Tor von Alexander Brunst, begünstigt aber auch von einfachsten Fehlern in der Magdeburger Vorwärtsbewegung. Versuchte es der Club flach, landete allerspätestens der dritte Pass in einem Zwickauer Fuß. Verlegte man sich auf hohe Bälle, waren die meist auch leichte Beute für den Gegner. Es war ein bisschen wie gegen Braunschweig, nur irgendwie noch schlimmer. Der FSV Zwickau musste defensiv eigentlich nur gut stehen und auf den nächsten Fehler der Blau-Weißen warten, um dann mit Tempo umzuschalten. So macht man es dem Gegner natürlich leicht.
Zugegeben, hier und da gab es mal den Versuch, Fußball zu spielen, und das sah dann zumindest in den Ansätzen auch ganz gut aus. In der 16. Minute zum Beispiel eroberte Jürgen Gjasula den Ball gegen Ronny König, nachdem er Brian Koglin im Duell mit dem Zwickauer Mittelstürmer unterstützt hatte. Über Koglin und Perthel gelangte der Ball wieder zu Gjasula, der klug, direkt und vertikal auf den startenden Sören Bertram spielte, den Pass allerdings einen Ticken zu steil ansetzte. Davy Frick hatte aufgepasst und kam vor dem Außenstürmer an den Ball. Eine Minute vorher hatte Marcel Costly nach einer kleinen Kopfballstafette einen Schuss von der rechten Seite ans Aussennetz gesetzt, Bertram hatte letztlich für ihn aufgelegt.
Der Sommerzugang aus Darmstadt war auch in der 23. Minute involviert, als er links mit Marcel Costly spielte, der sich bis zur Grundlinie durcharbeiten und in die Mitte geben konnte. Dort fand sein Pass allerdings nur einen Zwickauer Abnehmer, sofort ging es mit Tempo in die andere Richtung. Unterhaltsam war das alles schon, wenn man auf temporeiche Fußballspiele steht. Als Anhänger der Größten der Welt war es eher schmerzlich anzuschauen. Gleiches galt für Standards, die mitunter ja ein Mittel sein können, wenn sonst nichts geht. An jenem Nachmittag aber verpufften auch Frei- und Eckstöße weitgehend. Musste Johannes Brinkies im Zwickauer Tor eigentlich überhaupt mal in höchster Not retten?
Symptomatisch für den FCM in Halbzeit eins waren eher andere Szenen. Bereits in der zweiten Minute hätten die Hausherren eigentlich in Führung gehen müssen – nach einem Eckball von rechts fiel der Ball ungehindert in der Mitte herunter, Julius Reinhardt trifft ihn dann glücklicherweise freistehend nicht richtig und schießt statt aufs Tor an Timo Perthels Arm. Doppeltes Glück für den Club, dass es da nicht entweder direkt einschlägt oder gar Elfmeter für Zwickau gibt. In der fünften Minute dann eine Flanke von rechts, die Alexander Brunst vor Ronny Königs Kopf gerade noch herunterpflückte. Und so ging es munter weiter; ich spare es mir an der Stelle, alle Zwickauer Torraumszenen aufzuzählen.
Gelangte der Club in Ballbesitz, passierten so Dinge wie in Spielminute 12: Tobias Müller kann den Ball von hinten ein ganzes Stück treiben und hat auf der rechten Bahn Sören Bertram als Anspielstation. Anstelle des einfachen Balls entscheidet er sich aber für den Diagonalpass ins Pulk. Das Resultat: Ein Konter der Zwickauer, den Charles Elie Laprevotte an der Seitenauslinie nur mit einem Foul an Viteritti stoppen kann. Der fällige Freistoß führt zu einer guten Zwickauer Kopfballchance am langen Pfosten; Brunst hält den Ball dann aber sicher.
Kurz vor der Halbzeit (inzwischen hatte es die ersten „FCM, erwache!“-Rufe aus dem Gästeblock gegeben) dann noch mal großes Glück für den Club: Nach einer Ecke spielte Dominik Ernst den Ball im Strafraum mutmaßlich mit der Hand und war wohl selbst erleichtert, dass das von den Offiziellen niemand mitbekommen hat. Der sehr pünktliche Pausenpfiff fühlte sich schließlich wie eine Erlösung an. Das Beste am Spiel war, dass es hier noch 0:0 stand.
„FCM, Blau-Weiß!“
Durchgang zwei begann mit einer personellen Veränderung und einer neuen Grundordnung: Für Timo Perthel kam Thore Jacobsen in die Partie, Krämer stellte von 4-2-3-1 auf 3-5-2 um. Jürgen Gjasula rückte auf die zentrale Position in der Dreierkette, rechts und links neben ihm spielten Müller und Koglin. Davor gab Laprevotte den defensiven Mittelfeldspieler, Jacobsen und Preißinger agierten zentral, Costly und Ernst besetzten die Außenbahnen. Neben Christian Beck rückte Sören Bertram in die Spitze.
An den Ungenauigkeiten im Passspiel änderte sich zunächst wenig, dafür kam Christian Beck in der 47. Minute gleich mal zu einer Abschlusschance. Ein langer Ball aus der eigenen Defensive rutscht auf den Mittelstürmer durch, der dann, flankiert von zwei Zwickauer Abwehrspielern, keinen Druck mehr hinter seinen Kopfball bekommt. Schade eigentlich.
Je länger die Halbzeit dauerte, desto mehr stellte sich das Gefühl ein, dass die Umstellung durchaus fruchtete. Torchancen blieben zwar Mangelware, dafür wirkte der Club jetzt griffiger und kam irgendwie auch besser in die eigenen Abläufe, wenngleich die gefälligeren Aktion zunächst weiterhin aufseiten der Hausherren zu verbuchen waren. In der 59. Minute zum Beispiel ist Fabio Viteritti an der Strafraumkante im Prinzip frei durch, wird im letzten Moment aber noch von Gjasula und einer ganz starken Grätsche am Abschluss gehindert.
Aus dem Gästeblock ertönte inzwischen ein knackig lautes „FCM, Blau-Weiß!“ und die etwa 1.500 Clubfans unter den 8.858 Zuschauer*innen wurden nun Zeuge, wie die eigene Mannschaft zielstrebiger nach vorn spielte. In der 68. Minute wurde Marcel Costly von Rico Preißinger mit einem schicken Pass hinter die Kette bedient und fand sich plötzlich einigermaßen frei im Strafraum wieder. Dort übersah er allerdings den besser postierten Sören Bertram und versuchte es selbst von links, konnte den Ball allerdings nicht aufs Tor bringen.
Nach 79 Minuten war für Bertram dann Schluss, Anthony Roczen kam für ihn in die Partie. Zwei Minuten später tankte sich Dominik Ernst ganz stark auf der linken Seite durch und holte eine Ecke heraus, die von Costly getreten wurde. In der Mitte gab es keinen Abnehmer, dafür aber einen Zwickauer Konter, an dessen Ende Alexander Brunst in höchster Not parierte. Tja, und in Spielminute 83 war die Partie dann für Tobias Müller beendet. Nach einem Luftduell mit Elias Huth blieb er liegen, musste lange behandelt und schließlich ausgewechselt werden, für ihn kam Philipp Harant. Hoffen wir, dass da nichts Schlimmeres passiert ist, ansonsten wird sich die Innenverteidigung mit Harant und Brian Koglin im nächsten Spiel am Mittwoch wohl von allein aufstellen.
Zwickau wirkte in der Endphase der Partie stehend k.o., der hohe Aufwand im ersten Durchgang schien nun seinen Tribut zu fordern. Und fast hätten die Größten der Welt daraus auch Kapital geschlagen, es war vielleicht die Szene des Spiels: In der 88. Minute bedient Christian Beck mit einem hohen Ball Marcel Costly, der den Pass direkt nehmen muss, dafür aber auch völlig frei vor Brinkies zum Abschluss kommt. Wie oben schon geschrieben, hatte der Gästeblock da schon zum Jubel angesetzt – Costlys Direktabnahme landete dann aber rechts neben dem langen Pfosten.
Es war die letzte, wirklich interessante Szene des Spiels, bis zum Abpfiff wollte offenbar keine Mannschaft mehr den entscheidenden Fehler machen, beide Teams vermieden dementsprechend das Risiko. Merkwürdig, dass es nach einer Trink- und der längeren Behandlungspause lediglich drei Minuten Nachspielzeit gab, aber vermutlich wäre auch bei fünf oder acht Minuten kein Treffer mehr gefallen.
Fazit:
Tja. Das ist jetzt wahrscheinlich wieder so eine „Glas halb voll“- oder „Glas halb leer“-Sache. Die erste Halbzeit war eine absolute Katastrophe, da müssen wir nicht groß drumherum reden. Erschreckend war, wie da selbst kleinste Sachen nicht funktioniert haben, Lauf- und Passwege nicht stimmten und auch Zuspiele auf kürzester Distanz häufiger beim Gegner als beim eigenen Mitspieler landeten. Das Argument, dass die Mannschaft ja neu zusammengestellt ist, kann für derlei Unkonzentriertheiten eigentlich nicht als Erklärung herhalten. Im zweiten Durchgang wurde es dann besser, durch die Umstellung der Grundordnung, aber eben auch durch einen müder werdenden Gegner. Positiv aber: Es gab durchaus spielerisch sehenswerte Ansätze und eben auch die eine Chance, das Spiel zu entscheiden, was ja in der 3. Liga auch keine so ganz untypische Situation ist.
Geht der Ball von Costly rein, reden wir heute vielleicht ganz anders. Ist er aber nicht, weshalb am Ende des Tages eher die Szenen im Kopf bleiben, die halt nicht so gut funktioniert haben. Möglicherweise hilft das der Mannschaft im Moment aber sogar mehr, weil es noch mal die Sinne für die Dinge schärft, die dringend besser werden müssen. Dank der englischen Woche geht es nun am Mittwoch schon weiter und ganz sicher werden die Erkenntnisse aus dem Zwickau-Spiel dann auch in die Vorbereitung des zweiten Heimauftritts der Saison einfließen. In diesem Sinne: Lasst uns mal weiter Gas geben und noch nicht gleich wieder überbordend kritisch werden. „Ihr auf dem Platz und wir auf den Rängen“ – dann klappt es auch eher früher als später mit dem ersten Dreier der Saison.
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