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Unerträglich

unerträglich

Corona-Meisterschaft, Spieltage 8 und 9 (Drittliga-Spieltage 35 und 36)

Ich habe wirklich alles probiert. Ich habe jetzt eine Nacht drüber geschlafen, das Netz nach den ersten Abkotz-Impulsen weitestgehend gemieden und auch noch in den hinterletzten Winkeln meines Geistes nach Zuversicht, Optimismus und irgendwelchen bestärkenden, Mut machenden Worten in Richtung Mannschaft gesucht, die nicht nach längst ausgelutschten Durchhalteparolen klingen. Es ist aber egal, was ich tue, es bleibt dabei: Nach der Niederlage gegen die SG Sonnenhof Großaspach bin ich eigentlich nur noch wütend, entsetzt und verzweifelt. Alles gleichzeitig. Und: Ich habe keinerlei Bock mehr. Nicht auf das Team, nicht auf die Saison, nicht auf dieses dumpfe Gefühl in der Magengegend, das nach gut zwei Jahren schon chronisch geworden ist. Es ist wirklich, wirklich schlimm. So leer, so frustriert und so hilflos habe ich mich seit dem Ende der Saison 2011/2012 nicht mehr gefühlt.

Worauf ich auch keinen Bock hab‘: Ich möchte mich nicht mehr fragen müssen, ob es tatsächlich sein kann, dass Teilen der Mannschaft mein Verein vollkommen egal ist. Ich möchte niemandem unterstellen müssen, nicht alles für den Erfolg des Teams und des Clubs tun zu wollen. Ich hätte gern, sehr gern logische, nachvollziehbare Erklärungsmuster für das, was in diesem Team nicht stimmt. Ich möchte es einfach nur verstehen.

Inzwischen bin ich an einem Punkt, an dem mir „guter Fußball“ komplett egal ist. Ich bin sogar so weit, zu sagen, dass wir dann eben runter gehen, wenn es sportlich nicht reicht. Ist dann halt so. Aber ich möchte bitte, bitte wenigstens mit wehenden Fahnen in die Regionalliga absteigen und eine Mannschaft auf dem Rasen sehen, die tatsächlich gewinnen will. Mit aller Macht. Mit allen legalen Mitteln. Koste es, was es wolle.

Ich kann Niederlagen ertragen, die zustande kommen, weil die andere Mannschaft einfach besser war, obwohl man alles versucht hat. Es ist in Ordnung, wenn der Gegner ein Tor mehr erzielte, obwohl man selbst alles rausgehauen hat, was im Tank war. Das ist Sport, eine*r gewinnt, eine*r verliert, und gut war es, wenn alle ihr Bestes gegeben haben.

Was ich aber nicht ertragen kann, ist eine Mannschaft, und dazu gehören eben alle, die es nicht wenigstens versucht. Die erst anfängt, so etwas wie Druck aufzubauen oder Spielzüge zu laufen, wenn die anderen ein Tor erzielt haben. Es ist nicht auszuhalten, ein bereits abgestiegenes Team im eigenen Stadion zu begrüßen und dann nicht gleich rauszukommen und alles wegzuflexen, was sich einem da so in den Weg stellt. Ich erwarte ja wirklich nicht mehr viel. Wenn ich aber drei Spieltage vor Saisonende die Möglichkeit habe, den Klassenerhalt zu sichern, dann komme ich doch bitte raus, zünde alles an, mache Druck ohne Ende und packe das Spiel nach 15 Minuten weg, weil für den Gegner vom Start weg klar war: Hier gibt es heute für Euch keinen Zentimeter. Es wird nur eine Mannschaft siegreich sein, und die trägt das blau-weiße Emblem auf der Brust. Genau das zeigen wir Euch jetzt und wenn Ihr richtig Glück habt, liegt Ihr zur Halbzeit nicht schon zweistellig hinten.

Das, was in der vergangenen Woche in Unterhaching und vor allem gegen die SG Sonnenhof Großaspach zu sehen war, war ein Offenbarungseid. Mal wieder, allerdings nun in einer Phase der Saison, in der es wirklich kritisch ist und wir nicht Spieltag für Spieltag darauf hoffen können, dass die Konkurrenz sich noch blöder anstellt als wir und für uns spielt. In Unterhaching wurde wenigstens noch 78 Minuten gekämpft, am Ende war der Punkt sicher auch Lohn eines tapferen Fights, wobei wir uns natürlich sehr bei den Gastgebern bedanken durften, dass die alle ihre drölf guten Torchancen liegen ließen.

Aber Großaspach? Meine Fresse.

Das Allerschlimmste ist dieses Gefühl der Machtlosigkeit. Wären wir im Stadion, könnten wir wenigstens brüllen, singen, kreischen, schreien, pöbeln, keifen und kollektiv abkotzen. So aber sitze ich hier Woche für Woche vor der Kiste, malträtiere Kissen und mute meinem Umfeld eine eher mäßig gute Laune und eine zunehmend kürzere Zündschnur zu.

Es ist wahrlich unerträglich.

Und da ist ja nicht nur das Bangen um den Ausgang dieser Saison. Je mehr ich darüber nachdenke, desto größer werden die Sorgenfalten mit Blick auf die kommende Spielzeit. Fußballdeutschland beobachtet doch, was bei uns passiert. Fünf Trainer in zwei Jahren. Das Starkreden einer Mannschaft, die keine ist. Eine völlig unklare Situation mit Blick auf 2020/2021. Welcher Spieler mit Ambitionen, einer gewissen Qualität und einem Karriereplan möchte sich das antun, noch dazu für ein Gehalt, das sicher nicht am oberen Ende des Ligaspektrums liegt? Nein, je länger ich darüber nachdenke, desto düsterer werden die Aussichten. Vielleicht denke ich aber auch einfach nur zu viel.

Eigentlich war das hier ja immer irgendwie ein Ort für konstruktive Kommentare, Zuversicht und bedingungslose Unterstützung. Bilde ich mir jedenfalls ein. Inzwischen allerdings, und das tut mir ehrlich leid, kann ich an der momentanen Situation nichts Konstruktives mehr finden. Es reicht einfach, das Maß ist voll, das Faß am Überlaufen.

Daher zum Abschluss, auch wenn es wahrscheinlich eh nicht da ankommt, wo es hin muss, einfach nur ein Appell:

Liebe Mannschaft, bitte reißt Euch noch mal zwei Spiele den Allerwertesten auf und haltet diesen Club in der Liga. Scheißegal, wie. Wer dann gehen will, kann gehen. Wer keinen Bock mehr hat auf die Stadt, die Leute, die Ambitionen, die Leidenschaft und das Herzblut, der muss hier nie, nie wieder herkommen. Nur noch zwei Spiele. Dann ist Sommer, dann muss der große Cut kommen, dann könnt Ihr alle machen, was Ihr wollt.

Und denkt bitte daran: Für einige von Euch ist der FCM vielleicht einfach nur ein Arbeitgeber, für viele, viele tausende Menschen bedeutet dieses Emblem, bedeutet diese Familie aber die Welt. Vieles war Kacke in dieser inzwischen endlos langen Saison. Es sind sicherlich auch aus der Anhänger*innenschaft heraus Bemerkungen und Kommentare gefallen, die so nicht hätten fallen müssen. Wir sind alle enttäuscht, wütend und frustriert, Ihr sicher genau so wie wir. Aber bitte, bitte wählt jetzt nicht den einfachen Ausweg. Kämpft. Noch zweimal in der Liga. Und einmal noch im Landespokal. Bringt die Saison anständig zu Ende. Und dann lasst uns die ganze Scheiße vergessen und noch mal ganz von vorn anfangen und zwar so, wie wir in Magdeburg immer am besten gefahren sind: Mit Demut, mit harter Arbeit, mit großem Willen und noch größerem Herzen und mit dem Gefühl, dass wir eine Einheit sind.

Bitte, liebe Mannschaft, kämpft für diesen Club. Und bitte verkackt es nicht.

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