1. FC Magdeburg – Hallescher FC, 16. Spieltag, 1:0 (1:0)
…nicht mal eine hochnotpeinliche Posse um ein offenbar erst sehr und dann doch überhaupt nicht einsturzgefährdetes Stadion, ein daraus resultierendes “Hüpf-Verbot”, ein Derby-Gegner, der die vergangenen 10 Spiele nicht verloren und in den letzten 4 kein Gegentor kassiert hatte oder eine überharte Sperre unseres Top-Torjägers, der sich die Partie gegen den Halleschen FC von der Tribüne aus ansehen durfte. Eventuell ist es aber einfach auch so, dass der 1. FC Magdeburg in dieser Saison genau dann am besten ist, wenn eigentlich so gut wie alles gegen die Mannschaft spricht. Am Ende einer völlig verrückten Woche und eines trotz (oder wegen?) allem emotionalen und intensiven Derbys stehen drei weitere Punkte auf der Habenseite und was noch viel wichtiger ist: wurde einmal mehr deutlich, wer in Sachsen-Anhalts Fußball die Hosen anhat.
Mindestens mal eigentümlich war das erste Landesderby in dieser Saison aber schon und es brauchte eine ganze Weile, ehe so rechte Derbystimmung aufkommen konnte. Ein Grund dafür war sicher das schon angesprochene Verbot, auf den Tribünen zu hüpfen, was letzten Endes dazu führte, dass Block U auf das Koordinieren der Stimmung via Trommeln und Vorsänger verzichtete. Vollkommen verständlich in einer Situation, in der man aufseiten der aktiven Fanszene ja davon ausgehen muss, sofort in die Verantwortung genommen zu werden, wenn irgendetwas passiert. An dieser Stelle sei auf einen klugen Kommentar von Clemens Boisserée in der Mitteldeutschen Zeitung verwiesen, der genau diesen Umstand zum Thema macht und dafür plädiert, die Verantwortung dort zu suchen, wo sie hingehört: Beim Verein und vor allem auch bei der Stadt, die Eigentümerin des Stadions ist und bei der ganzen Posse wohl am schlechtesten wegkommt. Aber das ist sicher noch mal ein Thema für einen anderen Tag, zumal ja hier das allerletzte Wort noch lange nicht gesprochen ist.
Der zweite Grund, warum bei diesem Spiel irgendwie alles anders war als sonst, ist natürlich der Tod von Hannes. Bevor die Mannschaften den Rasen betraten, richtete Hannes’ Bruder Christoph einige Worte an das mit 19.235 Menschen gut gefüllte Stadion, die mir auch jetzt im Nachhinein noch einmal die Tränen in die Augen steigen lassen. Für diese Sätze und die Kraft, sie an diesem Tag zu diesem Anlass in dieser Form vorzutragen, bleibt nur riesige Bewunderung und ebenso großer Respekt, auch wenn das sicher Kategorien sind, die viel von dem, was da in der Luft lag, nicht mal ansatzweise greifen können. Schon allein deswegen war es auch so unheimlich wichtig, dass dieses Spiel nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden durfte. Hier gibt es die Rede noch einmal in voller Länger und wirklich jede*r sollte sich dafür die siebeneinhalb Minuten Zeit nehmen:
Während Christoph sprach, war es zumindest für mich nur schwer vorstellbar, dass jetzt hier gleich noch ein Fußballspiel – dieses Fußballspiel – gespielt werden sollte; dass es aber passierte, und zwar genau in der Form und mit dem Verlauf, den die Ereignisse dann nahmen, war womöglich ein ganz wichtiger Schritt auf dem langen Weg zurück in die Normalität.
Kommen wir damit also zum Sportlichen und zu einer Begegnung, die es dann doch gewaltig in sich hatte. Jens Härtel hatte seine Formation im Vergleich zur Partie bei der SG Sonnenhof Großaspach auf lediglich zwei Positionen verändert: Christopher Handke kehrte in die Innenverteidigung zurück, für den rotgesperrten Christian Beck spielte Julius Düker von Beginn an. Und der FCM kam gut aus den Startlöchern: Schwungvoll begann man die Partie und kombinierte sich in den ersten fünf Minuten gleich einige Male vielversprechend bis in/an den Hallenser Strafraum. In Spielminute 8 dann der erste richtige Aufreger des Tages: Ecke von links für den FCM, Florian Kath kommt im Duell mit Halles Kleineheismann zu Fall, Schiedsrichter Ittrich entscheidet sofort auf Elfmeter. Enge Kiste, die man sicherlich so geben kann, zwingend aber nicht unbedingt geben muss. Glück für den FCM und eine Aufgabe für Kapitän Marius Sowislo, die er mit einem flachen Schuss rechts ins Tor souverän löst – 1:0 für Blau-Weiß.
Während der 1. FC Magdeburg dem Derbygegner im weiteren Verlauf gewaltig auf den Füßen stand und die im Vorfeld hoch gehandelten Hallenser dadurch kaum zur Entfaltung kommen ließ, hatte Block U die eine oder andere Tapete dabei, die nun auf der Nordtribüne präsentiert wurde:
#FCM #HKS pic.twitter.com/hVdYLsneS7
— Dennis Jannack (@denjanm) 26. November 2016
Während man da so steht, sieht man das Geschriebene ja leider nur von hinten; beim Betrachten der Bilder habe ich im Nachhinein ein paar Mal herzlich gelacht. Grüße gehen an der Stelle nach Dresden und an diejenigen Expert*innen, die der Meinung waren, neulich mal wieder darauf aufmerksam machen zu wollen, dass Politik ja angeblich im Stadion nichts verloren hätte. Groß-ar-tig.
Und überhaupt, Block U. Was für ein Ritterschlag ist es eigentlich für eine Fanszene, wenn sie es hinkriegt, ein gesamtes Stadion über Jahre so mitzureißen, dass man dann auch mal für ein Spiel ohne koordinierten Support auskommt und es trotzdem scheppern lässt? Klar waren die Gesänge diesmal deutlich chaotischer, sang man schon auch mal durcheinander, dafür aber nicht minder laut und: nach einigen Wacklern klappte sogar das Einklatschen recht gut. Einig sind wir uns aber sicher trotzdem alle, dass das nicht zum Dauerzustand werden muss und man hoffentlich baldmöglichst Lösungen findet, die es unserer aktiven Fanszene erlauben, die Mannschaft wieder so zu unterstützen, wie sie es für richtig hält.
Zurück zum Geschehen auf dem Rasen, bei dem man in (ja, genau) Spielminute 36 (!) den ersten gefährlich Abschluss für den Halleschen FC verzeichnen konnte. Toni Lindenhahn tritt einen von unzähligen gefährlichen Freistößen von der linken Seite, findet den Kopf von Royal-Dominique Fennell und der die Arme von Jan Glinker. Dem Freistoß vorausgegangen war der zweite große Aufreger der Partie: Jan Löhmannsröben legt Benjamin Pintol auf der linken Außenbahn, hatte schon gelb und – da gibt es kein Vertun – muss für diese Aktion eigentlich zwingend die zweite gelbe Karte und damit gelb-rot sehen. Riesenglück für den 1. FC Magdeburg, dass Patrick Ittrich es hier bei einer intensiven Ermahnung beließ und Löhmannsröben nicht vorzeitig duschen schickte. Dass das aber nicht mehr lange gut gehen würde, hatte auch Jens Härtel erkannt, wechselte folgerichtig in der 38. Minute das erste Mal und brachte Niklas Brandt für den platzverweisgefährdeten Mittelfeld-Abräumer mit der Nummer 6.
Spielerisch passierte dann bis auf einen überragenden Magdeburger Konter kurz vor dem Halbzeitpfiff über Kath und Ernst nicht mehr allzu viel. Weil aber beim letzten Pass der letzte Punch fehlte und die gute Chance dadurch ungenutzt blieb, ging es mit einer nicht unverdienten 1:0-Führung in die Halbzeit.
Symptomatisch für den FCM in dieser Saison ist es ja, nach einer guten ersten Hälfte zu Beginn des zweiten Durchgangs regelmäßig gewaltig unter Druck zu geraten, und so war es auch diesmal. Der HFC kommt mit wütenden Angriffen aus der Kabine, schafft es, den Club in den ersten Minuten nach Wiederanpfiff im eigenen Strafraum förmlich einzuschnüren, findet aber trotzdem kaum Lücken und dementsprechend auch keine klaren Abschlussgelegenheiten. Auf der anderen Seite zeigten sich die Hausherren das erste Mal nach 52 Minuten wieder vor dem Kasten des bis dahin überwiegend beschäftigungslosen Fabian Bredlow: Ausgehend vom starken Tarek Chahed auf rechts landet der Ball irgendwann vor den Füßen von Niklas Brandt, der seinen Schuss von außerhalb des Strafraums aber deutlich zu hoch ansetzt. Aber immerhin: Der FCM war noch da, würde dagegen halten und wollte den zweiten Treffer. Gut so.
Trotzdem blieb Durchgang 2 im Großen und Ganzen die Halbzeit der Gäste. So muss nach 63 Minuten eigentlich der Ausgleich fallen; eine viel versprechende Konteraktion über den starken Toni Lindenhahn bringt Selim Aydemir in Schussposition, dessen vielleicht etwas überhasteter Abschluss geht dann aber doch deutlich rechts am Tor vorbei. Vier Minuten später ist es Royal-Dominique Fennell, der den Ausgleich auf dem Kopf hat und abermals im überragend reagierenden Jan Glinker seinen Meister findet. Der Magdeburger Keeper ist es auch, der die letzte wirklich gefährliche Aktion des HFC im Spiel entschärft und bei einem weiteren Kopfball nach Flanke von rechts zur Stelle ist.
In der 73. Minute dann der inzwischen wohl übliche Platzverweis für die Größten der Welt: Kapitän Sowislo hatte bereits im ersten Durchgang gelb gesehen, als er gegen seinen Gegenspieler auf Höhe der Mittellinie schlichtweg zu spät kommt, und kassiert nun im Kopfballduell mit Klaus Gjasula eine zweite, unglückliche, aber wohl vertretbare zweite gelbe – gelb-rot also und damit der nächste sperrenbedingte Ausfall für den Club. Hoffen wir einfach, dass wir damit jetzt bereits unser Platzverweiskontingent für den Rest der Saison aufgebraucht haben.
Der HFC schaltete nun natürlich noch mal auf Angriff, ohne sich aber etwas wirklich Zwingendes erarbeiten zu können. Zu vielbeinig war an diesem Nachmittag die Magdeburger Abwehr, zu leidenschaftlich wurde verteidigt (Jens Härtel hatte zwischenzeitlich die Defensive gestärkt und Steffen Puttkammer für den fleißigen Julius Düker gebracht) und zu wenig präzise waren letztlich die Angriffsbemühungen der Nummer 2 in Sachen-Anhalt. Dafür glich der HFC in Minute 85 nach Spielern aus: Fennell sieht nach einem nicht wirklich überharten Zweikampf im Mittelfeld die gelbe Karte, kommentiert diese offenbar entsprechend und darf das Spiel daraufhin und folgerichtig vorzeitig beenden. Zurück im 10-gegen-10 waren es dann die Größten der Welt, die das bessere Ende für sich hatten – und das Spiel eigentlich mit 2:0 hätten gewinnen müssen, wäre da nicht Fabian Bredlow im Hallenser Tor gewesen, der in Spielminute 87 gleich zwei Weltklasse-Paraden zeigt: Erst kommt Tobias Schwede nach einer weiteren schönen Umschaltaktion frei zum Schuss, den Bredlow spektakulär entschärft, nur, um unmittelbar im Anschluss den von Manuel Farrona-Pulido nachgesetzen Kopfball ebenfalls noch mit einem Riesenreflex über die Latte zu lenken. Bei aller Rivalität: Diese beiden Abschlüsse halten wahrlich nicht viele Torhüter in der 3. Liga.
Wie in letzter Zeit üblich, zogen sich die drei Minuten Nachspielzeit erneut wie Kaugummi und segelten noch so einige lange Bälle aus der Hallenser Hälfte in Richtung Magdeburger Strafraum. Als dann endlich Schluss war, kannte der Jubel natürlich keine Grenzen mehr. Wir, und damit meine ich deutlich Mannschaft und Publikum, hatten es wieder getan. Die Nummer Eins der Welt sind und bleiben wir.
Und erwähnte ich eigentlich schon, dass wir DERBYSIEGER sind?
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