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Im Gespräch mit: Bodo Schmidt (Teil 2)

Bodo Schmidt

181 Bundesligapartien für Borussia Dortmund und den 1. FC Köln, zwei Deutsche Meisterschaften – und zwischen 1998 und 2002 insgesamt 111 Spiele für den 1. FC Magdeburg. Keine Frage: Bodo Schmidt war nicht nur Kapitän der Magdeburger Mannschaft, die den FC Bayern München aus dem DFB-Pokal warf und in der gleichen Spielzeit den Aufstieg in die Regionalliga schaffte, sondern um die Jahrtausendwende auch eine der wichtigsten Spielerpersönlichkeiten bei den Größten der Welt. Ich traf unseren ehemaligen Kapitän Ende Oktober in seinem Heimatort Niebüll in Schleswig-Holstein, wir plauderten über Taktik im Amateurfußball, die Neue Deutsche Welle im Herrenkrug Parkhotel, das Leben nach dem Profi-Fußball und natürlich über die Zeit als Spieler beim 1. FC Magdeburg. Ein Interview in drei Teilen (hier geht es zu Teil 1).

Teil 2: Vom Aufstieg, der Insolvenz und dem bürgerlichen Leben nach dem Profi-Fußball

Alexander Schnarr (AS): Die Probleme, die dann nachher 2002 zur Insolvenz führten, gingen ja eigentlich vorher schon los, in der Saison, in der die Mannschaft dann aufgestiegen ist mit diesen Relegationsspielen gegen den BFC Dynamo. Da gab es ja in diesem Sommer die ganz merkwürdige Situation, dass die ganze Stadt unfassbar euphorisiert war, bis dann rauskam, dass es möglicherweise für die Lizenz nicht reichen würde. Es gab dann diese Frist von zwei, drei Tagen, glaub’ ich, in der der Verein eine bestimmte Summe beschaffen musste und eine riesengroße Aktion in der Stadt, in der sich auch die Fanszene unfassbar engagiert hat, sodass man das gestemmt hat, was man dann im nächsten Jahr nicht noch mal geschafft hat. Wie war denn das so aus Ihrer Perspektive als Führungsspieler, wie erlebt man so eine Zeit? Da geht es ja schon auch um den eigenen Job…

Bodo Schmidt (BS): Gut, aber zu der Zeit, als das dann so hochkam, kam es für mich nicht zwingend so richtig überraschend, weil man ganz ehrlich sagen muss, auch in dem Jahr vorher, in dem sehr erfolgreichen Jahr, ist es ja während der Saison schon häufiger vorgekommen, dass die Gelder für die Spieler nicht kamen, dass also die Verträge kurzfristig mal nicht eingehalten wurden. Die Spieler warteten dann auf das Geld und das ist natürlich auch keine gute Sache, wenn man am Ende des Monats dasteht und nicht das bekommt, was ausgemacht ist. Man hat ja auch noch sein eigenes Leben zu bestreiten. Da war dann schon das eine oder andere Mal Unruhe, es war dann nachher wirklich so ein Agieren von Monat zu Monat und es war eben auch häufiger der Fall, muss man leider sagen, dass dann die Spieler gekommen sind und gesagt haben: “Wir wollen den Mannschaftsrat sprechen” und “Kapitän und Mannschaftsrat, Ihr müsst zum Verein gehen, Ihr müsst mit den Vereinsverantwortlichen sprechen. Wann kriegen wir unser Geld, wie sieht das aus?” Ich kann mich an diverse Gespräche erinnern, was ja gar nichts mit Fußball spielen zu tun hat, wo wir dann wirklich auf der Geschäftsstelle waren und mit den damals Verantwortlichen Gespräche geführt haben, wo es dann hieß: “Ja, nächste Woche, Anfang nächster Woche”. Man geht dann wieder zurück zur Mannschaft und das ist dann sicherlich auch sowas, was dann nicht so schön war und nicht so viel Spaß gemacht hat und aber eben zu der Zeit beim FCM auch dazugehört hat. Ich glaube, dass die Mannschaft, die da gespielt hat, insgesamt gesehen natürlich auch für diese Liga keine günstige Mannschaft war. Es war eine teure Mannschaft, die allerdings dann auch den Erfolg gebracht hat. Und da muss ich dann eigentlich dieser Mannschaft schon auch ein großes Kompliment machen, weil es tatsächlich geschafft wurde, und das war sicherlich auch mit meine Aufgabe und die meiner Mitstreiter, dafür zu sorgen, dass diese Mannschaft trotzdem funktioniert, das diese Mannschaft trotzdem Gas gibt für den Verein, obwohl es genug Situationen gab, wo wir tatsächlich auch die Gegenleistung des Vereins nicht bekommen haben. Es gab dann auch wieder ne gute Phase, dann lief das ein, zwei Monate, und dann kam wieder Unruhe auf, also das war dann schon klar, dass das so ein bisschen Agieren von der Hand in den Mund war oder Wirtschaften von der Hand in den Mund. Letztendlich ist es dann, wenn man ein bisschen wach ist, nur eine Frage der Zeit, bis das an die Wand fährt. Daher kam diese Nachricht nicht überraschend für mich, auch wenn es schockierend war, dass es von jetzt auf gleich zu Ende sein kann. Dann wurde das ja noch mal gewuppt irgendwie. Ich kann mich an diesen Aufruf erinnern, auch an die Bürger, an die Fans und ich meine, dass dann auch Dr. Lutz Trümper ins Spiel kam als Präsident des Vereins. Auch da waren Gespräche, da kann ich mich gut dran erinnern, Mats Vogel war Trainer und hat auch an die Spieler appelliert, aber gut, es wurde dann gewuppt, es wurde im nächsten Jahr gespielt. Ich weiß nicht, ob es da schon klar war, aber man hatte immer so den Verdacht: “Na wie lange das man gut geht?” Es hatte halt ne Vorgeschichte, die aber auch vielleicht bei den Fans gar nicht so bekannt war, dass es sich eigentlich schon über einen größeren Zeitraum angebahnt hat.

AS: Ich glaube, man hat da schon auch Sachen vermutet und es gab ja auch Geschichten mit Streikdrohungen und so weiter, aber als Fan sieht man das ja immer anders und glaubt, die werden das schon irgendwie hinkriegen und wenn man sportlich aufsteigt, wird das dann schon passen. Da neigt man dann schnell mal dazu, Sachen eben auch auszublenden. Auf jeden Fall ging es dann also doch in die Regionalliga, wo ja dann auch der Stadionsprecher vor dem ersten Heimspiel erzählte, dass da unter anderem auch Leute auf die Geschäftsstelle gekommen sind und das letzte Geld des Monats gespendet haben. Insgesamt war das ja wirklich eine krasse Geschichte. Trotzdem hat es letzten Endes in der Folgesaison finanziell aber nicht gereicht. Naja, und dann ging es tatsächlich irgendwann zu Ende, trotz hoher Siege am Saisonende. Dann hieß es “Insolvenz”, was auch bedeutete, dass ja die gesamte Mannschaft bis auf Mario Kallnkik gegangen ist….

BS: Naja, es waren ja dann schon noch ein paar Leute mehr… so die Jüngeren, die kamen aus der Jugend hoch und haben dann in dieser Mannschaft gespielt. Mario Kallnik, klar, der war dann, glaube ich, auch der nächste Kapitän. Von den Leistungsträgern waren es auf jeden Fall nicht mehr so viele, weil es eben zu dieser Insolvenz kam, was eigentlich schade ist, weil es für uns dann auch hieß: “Okay, beim FCM gibt es da jetzt keine Zukunft als Spieler mehr.” Und das war für mich und meine Familie der Moment, wo mit Mitte 30 auch klar war, dass ich das nicht mehr ewig spielen kann. Die Tochter, wie gesagt, wurde in Magdeburg eingeschult und war im ersten Schuljahr, die jüngere war im Kindergarten. Man musste sich jetzt mal überlegen, wo man dann mal sesshaft werden will. Bisher war das Leben geprägt durch vier Jahre München, fünf Jahre Dortmund, zwei Jahre Köln, dreieinhalb, vier Jahre Magdeburg. Für die Kinder wurde es ja dann wegen der Schule und so weiter auch wichtig, nicht ständig umziehen zu müssen. Wir haben uns dann entschlossen, wieder nach Schleswig-Holstein zurückzugehen und wir sind dann hier oben gelandet. Wir waren auf der Suche nach einer Bleibe, nach einem Haus und haben uns hier und da und dort umgeguckt und letzten Endes wurde uns dann hier in Niebüll etwas angeboten. Ja, so sind wir dann hier gelandet, auch mit dem Gedanken, dass unsere Kinder vielleicht nicht in einer zu großen Stadt aufwachsen sollen. Dann war relativ abrupt das Kapitel FCM zu Ende, muss man sagen. Eigentlich viel zu abrupt, aber das war dann so aufgrund der Situation.

AS: Für den Verein war das ja dann auch die Stunde null. In dem Sommer ging es auch viel darum, ob die Mannschaft überhaupt noch mal antreten wird und dann war das erste Spiel in Thüringen schon auch noch mal ein ganz, ganz wichtiges, weil so das Signal war: “Alles klar, es geht weiter”. Die große Sorge war wirklich, dass man den Verein einfach aus dem Vereinsregister löscht und dann ist Feierabend… Für Sie ging es dann als Aktiver noch mal zurück nach Flensburg und dann nach Niebüll, oder?

BS: Nee, als Aktiver war ich nur noch in Flensburg. Ich hab’ dann dort in der Oberliga Schleswig-Holstein/Hamburg gespielt. Nach einem Jahr ging dann der Trainer, den ich aus der Jugend noch kannte und da hat der Verein mich gefragt, ob ich die Mannschaft dann als Spielertrainer übernehmen wollen würde. Das hab’ ich dann gemacht, als Spieler aber auch nicht mehr zu lange. Ich war, glaube ich, 37, als ich mein letztes Pflichtspiel gemacht hab’ und bin dann seitdem Trainer gewesen in der Schleswig-Holstein-Liga, wie sie heute heißt, und dann war ich noch siebeneinhalb Jahre Trainer hier in einem Ort in der Nähe von Niebüll und, ja, jetzt bin ich im Grund genommen in meinem Heimatverein gelandet. Letztes Jahr sind wir aufgestiegen in die Kreisliga und hier gab es auch für hiesige Verhältnisse eine gute Fußballvergangenheit mit der höchsten schleswig-holsteinischer Spielklasse, für so einen kleinen Ort war das damals schon bemerkenswert. Insofern spricht man dann auch hier so von den guten, alten Zeiten. Der Verein war zwischenzeitlich in der Kreisliga A gelandet und auch ganz unten in der Tabelle und ich bin dann gefragt worden, ob ich mir vorstellen könnte, mitzuhelfen, dass man hier nochmal wieder nach oben kommt. Ich hab’ nach einigem Überlegen zugesagt, jetzt sind wir, wie gesagt, aufgestiegen und versuchen, das Umfeld hier auch wieder zu gestalten und ein bisschen was aufzubauen. Das ist jetzt so meine Aufgabe, was Fußball angeht. Ansonsten gehe ich ja jetzt auch einem normalen Beruf nach und Fußball ist wirklich nur noch Nebensache und Hobby. Beim FCM hat der Fußball mein Leben ja auch noch bestimmt unter relativ professionellen Bedingungen.

AS: Um jetzt mal die typische Fan-Frage zu stellen: In der ganzen Zeit, was war denn so der schönste Moment?

BS: Der schönste Moment in Magdeburg? (überlegt) Ja… da gibt es eigentlich den Aufstieg aus der Oberliga in die Regionalliga, weil das natürlich den Erfolg einer ganzen Saison widerspiegelt, unter dem Druck, unter dem wir gestanden haben und der zweifellos da war. Die Öffentlichkeit, die Fans, keiner konnte es verstehen, in der vierten Liga zu sein, und “Ihr müsst jetzt…” und “Wir müssen jetzt…”, alle mussten irgendwie, und das muss halt dann umgesetzt werden auf dem Feld. Das war schon ordentlicher Druck, dem man da ausgesetzt war und dementsprechend hab’ ich mich gefreut, dass das dann für den FCM und für uns als Mannschaft geklappt hat mit diesen tollen Aufstiegsspielen gegen den BFC Dynamo. Natürlich muss man auch diese Pokalspiele nennen. Diese ganze Saison war eigentlich ein Highlight beim FCM, das muss man sagen, weil wir es tatsächlich geschafft haben, ja nicht nur einmal, sondern kurioserweise gleich zwei, drei Mal für Aufsehen zu sorgen mit dem Sieg gegen den 1. FC Köln, dann gegen den KSC, dann natürlich Bayern München, das ist ja unfassbar, dass man das damals geschafft hat. Also rein sportlich gesehen: diese Pokalspiele, aber natürlich auch der Aufstieg in die Regionalliga. Das war das wertvollste, muss man schon sagen.

AS: Gab es eigentlich damals bei diesem Köln-Spiel ein Wiedersehen mit Weggefährten oder waren die dann alle schon irgendwie in alle Winde verstreut?

BS: Das gab es schon beim 1. FC Köln, klar, da war der Physio noch da, so ein paar Restspieler waren auch noch übrig geblieben oder auch Spieler, die man dann von anderen Vereinen schon kannte, das war dann schon so eine Art Wiedersehen. Eigentlich noch stärker, als der FC Bayern da war, weil das Trainergespann Ottmar Hitzfeld und Michael Henke dann da zu der Zeit dort gearbeitet hat und das auch meine Trainer in Dortmund waren in der ganzen Zeit, die ich da war. Da lernt man sich schon gut kennen, so gut wie man das eben kann in so einem Spieler-Trainer-Verhältnis. Da hat man sich halt in Magdeburg wieder gesehen, getroffen, und ich glaube, die hätten das vom Ergebnis her gern anders gehabt. Für mich war das natürlich auch ein Highlight, gegen den ehemaligen Trainer und überhaupt gegen Bayern München… das war der Hammer. Und für Magdeburg, das hat man ja gemerkt, was da für eine Stimmung in der Stadt war. Eigentlich waren ja die Chancen, das Spiel zu gewinnen, schon sehr gering. Kurioserweise hatten wir zu der Zeit so einen Fitnesstrainer, der für uns zuständig war, das war so ein Sportwissenschaftler, der immer aus Berlin kam. Wir wurden auch irgendwie in Gruppen trainiert, richtig mit Laktattests und so, da wurde auch wirklich viel getan, und eines Abends hat der uns mal zusammengeholt und so die Ergebnisse ausgewertet, wie man sich verbessert hatte und hat gesagt, also für ihn ist das eigentlich ganz klar, die Werte sprechen da auch für, dass wir Bayern München schlagen werden. Und dann hat noch ein Spieler, Hannemann, gesagt: “Hier, entschuldigen Sie, wissen Sie eigentlich, gegen wen wir da spielen? Haben Sie mal eine ungefähre Vorstellung, gegen wen wir da spielen sollen?” “Ja”, sagt er, “das interessiert mich gar nicht.” Die Werte würden dafür sprechen und er ist davon überzeugt. Und als es dann geklappt hatte, ist er natürlich groß rausgekommen mit seiner Prognose.

AS: Bei diesem Bayern-Spiel gab es ja auch so eine Vorgeschichte, die hatten ja noch zu DDR-Zeiten schon mal bei uns gespielt, großes “Ost-West”-Thema in den Siebziger Jahren. Da sind die dann angereist und haben….

BS: …ihren eigenen Koch mitgebracht. War das die Geschichte? Das weiß ich noch…

AS: Genau, das hat man denen nicht vergessen und dementsprechend wurden sie ja dann auch empfangen bei uns. Das war dann natürlich so eine doppelte Genugtuung.

BS: Ich denk’ aber auch, das muss man sagen, das hat da Eindruck hinterlassen, wie sie da empfangen wurden. Ich kann mich gut erinnern, wie der Bus von denen ausgesehen hat und dann dieser Kulturschock in diesem uralten Ernst-Grube-Stadion. Sich da umzuziehen und dann gegen eine Mannschaft zu kommen, die auch unangenehm war und ja auch die nötige Klasse hatte, um ein bisschen mitzuspielen. Das hat dann alles zusammen in der Summe dazu geführt, dass wir das dann eben geschafft haben an diesem Tag.

AS: Der Club hatte ja an sich auch nichts zu verlieren, da konnte man ja dann ganz gut auftreten. Legendäres Elfmeterschießen dann mit Miroslav Dreszer, das wird heute noch gern geschaut, auf Youtube guckt man sich das schon noch mal gern an, ist doch ganz klar. Und jetzt haben Sie es ja gerade schon angedeutet, aber was macht Bodo Schmidt denn heute so außerhalb des Fußballs?

BS: Ich arbeite als Physiotherapeut. Ich habe eine Ausbildung zum Physiotherapeuten gemacht, kurz nachdem wir hier hochgezogen sind. Meine Frau war schon Physiotherapeutin, auch, als wir in Magdeburg waren, sie hat dort auch kurz an der Physiotherapie-Schule unterrichtet. Sie hat sich hier oben dann selbständig gemacht und ich arbeite jetzt in der Praxis meiner Frau mit, die sich inzwischen auch echt zu einer gut gehenden Praxis gemausert hat. Der Tagesablauf wird jetzt also dadurch viel bestimmt. Unsere Kinder sind inzwischen nicht mehr so klein, wie sie damals waren, die studieren. Die eine in Regensburg, die andere jetzt in Leipzig, deswegen sind wir schon ein, zweimal ganz nah an Magdeburg vorbeigefahren und ich könnte mir vorstellen, dass wir aus dem Grund jetzt auch noch mal die Gelegenheit nutzen, dann in Magdeburg aufzuschlagen. Ja, ansonsten nimmt die Arbeit schon viel Zeit in Anspruch und dann eben Fußball als Trainer noch, da ist man ja auch abends unterwegs, zweimal die Woche plus Wochenende. Ja, so sieht es hier aus. Das ist natürlich nicht mehr zu vergleichen mit dem Leben, das man als Fußballspieler hatte, das ist ganz klar, weil auch der Fußball nicht mehr komplett das Leben bestimmt.

AS: Das heißt also, Rot-Weiß Niebüll braucht keinen eigenen Physio, das macht dann der Trainer in Personalunion, oder…?

BS: Nein, das mache ich sicher nicht. Da gucke ich schon, ich bin für die Spieler der Trainer und werde natürlich in einem äußersten Notfall auch mal Hand anlegen, wenn das da sein muss, aber wir haben zwei Mitspieler, die auch Physios sind und die helfen sich dann untereinander so ein bisschen, das ist eigentlich ganz gut. Nee. Das machen wir eigentlich nicht. Ich behandle sie, wenn sie in die Praxis kommen, dann ja (lacht).

AS: Ja, genau, jetzt habe ich ja hier noch meine ketzerische Frage…

BS: Die ketzerische Frage… ich bin gespannt!

AS: Ach, die ist ganz entspannt. Was für einen Fußball lässt denn der Trainer Bodo Schmidt spielen oder würde er gern spielen lassen?

BS: Ja. Die Fußballdiskussion. Also, ich lasse in einem 3-5-2-System spielen, wobei das schon sehr raumbezogen ist, nicht so sehr mannbezogen. Was ich interessant finde, ist, dass es innerhalb der letzten zehn Jahre hier dann so Leute gab, die gesagt haben, man könne ja auch mal auf 4-4-2 umsteigen, weil das ja viel moderner ist. Jetzt inzwischen gibt es dann wieder die Tendenzen, auch in den großen Vereinen, Barcelona usw., auf 3-5-2 umzusteigen, nur eben anders als früher. Und deswegen lasse ich einfach einen Fußball spielen, bei dem wichtig ist, dass die Defensive beachtet wird. Ich lasse keinen defensiven Fußball spielen, aber einen Fußball, wo man versucht, den Gegner zu kontrollieren und aus dieser Situation heraus schnell umzuschalten, um den Überraschungsmoment auszunutzen, den Gegner auf dem falschen Fuß zu erwischen, um dann in den Abschluss zu kommen. Das finde ich eine sehr schöne Art, Fußball zu spielen. Ich würde niemals mit offenem Visier gern ins offene Messer rennen. In der Bundesliga kann man das vielleicht… ja, weiß ich nicht, ob man da jetzt Mannschaften sieht, die ähnlich agieren. Borussia Dortmund ist mir hinten zu anfällig, sag’ ich mal, die haben zwar vorne Feuerwerk ohne Ende und wirklich einen Klassesturm, aber sie sind zu anfällig. Ich bin davon überzeugt, wenn Borussia Dortmund da ein bisschen dran arbeiten würde, würden sie tatsächlich ein Konkurrent vom FC Bayern werden können. Ich jedenfalls bevorzuge wirklich einen Fußball, wo man den Gegner kontrolliert.

AS: Ich hab vorhin noch mal geschaut, das hat ja am letzten Wochenende ganz gut funktioniert, es gab einen 5:2 Auswärtssieg. Scheint also ganz gut zu laufen. Wo geht’s denn da noch hin mit Rot-Weiß Niebüll und dem Trainer Bodo Schmidt?

BS: Das weiß ich nicht. Natürlich haben wir das Ziel, noch eine Liga höher zu kommen, sodass Rot-Weiß Niebüll wieder da hin kommt, wo es, wie ich finde, auch hingehört. Zumindest in die Verbandsliga Nordwest, so heißt das hier. Wie lange ich noch Trainer bin, kann ich nicht sagen. Ich merke tatsächlich, dass ich wahrscheinlich auch gut ohne Fußball leben könnte. Ich bin jetzt am Stück eigentlich seit meinem fünften oder sechsten Lebensjahr, als ich angefangen habe, zu spielen, bis heute mit 49 immer im Fußball unterwegs gewesen. Bin jetzt seit über 10 Jahren Trainer, fast ununterbrochen, und habe einmal so eine Phase von einem halben Jahr gehabt und da gemerkt, was das auch für Vorzüge hat. Dass man Wochenenden besser gestalten kann, dass man da mehr Zeit hat, flexibler ist und so weiter. Wenn der Fußball nicht noch da wäre und ich bestimmte Pflichten hätte, würde ich dieses Wochenende auch gar nicht hier sein, sondern würde mit meiner Frau nach Leipzig gefahren sein zu unserer Tochter. Ich hab’ aber jetzt schon zwei, drei Mal wegen Urlaub und so gefehlt und hab’ daher gesagt, dass ich dieses Wochenende hier sein muss. Und so konnte ja auch unser Treffen stattfinden, was ja vielleicht auch so sein sollte.

AS: Definitiv, das ist auf jeden Fall großartig! Wir haben eigentlich auch fast alle Fragen, die ich so vorbereitet habe, angetickt. Verfolgen Sie den Club eigentlich noch?

BS: Ja, gelegentlich. Ich gucke eigentlich täglich Sportnachrichten und klar geht das in der ersten Liga los und so weiter und dann scrollt man weiter runter und dann bin ich jetzt auch letztens wieder beim FCM gelandet, da gab es vor einiger Zeit, gar nicht so lange her, irgendwie einen Fan-Ausschluss oder eine Geldstrafe, die da gezahlt werden musste…

AS: Ja, das haben wir in letzter Zeit leider häufiger mal… aktuell geht es gerade um 20.000 Euro und vermutlich zwei Zuschauerteilausschlüsse, die aber noch nicht rechtskräftig sind…

BS: Richtig, das hatte ich gelesen. Das habe ich verfolgt und auch, als die Mannschaft kurz vor dem Aufstieg war, hab’ ich gedacht “Oh, das ist ja interessant, da geht es wieder um den Aufstieg. Finde ich gut!”. Also ich gucke in unregelmäßigen Abständen einfach drauf und freue mich letztendlich, wenn es gute Ergebnisse gibt. Ich freue mich auch, dass wir jetzt hier zusammen sitzen, denn das bedeutet ja, dass mein Handeln beim FCM zumindest irgendwie erwähnenswert ist. Das ist schön, denn wenn ich irgendwo tätig war als Fußballspieler, dann hab’ ich das auch wirklich mit voller Überzeugung und mit Vollgas gemacht. So wie ich es auch von meinen Spielern jetzt erwarte, das ist auch ganz klar. Offensichtlich wurde das in Magdeburg auch gespürt und das freut mich dann natürlich.


Im dritten und letzten Teil des Interviews erfahrt Ihr, warum Bodo Schmidt auf Mannschaftsfotos immer in der letzten Reihe und ganz rechts außen stand, wie sich die Arbeit mit den Fans aus Sicht eines Fußballprofis darstellt und warum Bodo Schmidt schon sehr früh klar war, dass Maik Franz definitiv mal Bundesliga spielen würde.

Dieser Text wurde möglich, weil Ihr Nur der FCM! unterstützt. Vielen Dank dafür!

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