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Was bleibt

Was bleibt

Corona-Meisterschaft, Spieltage 1 bis 3 (Drittliga-Spieltage 28 bis 30)

Was bleibt, wenn dem Fußball die Seele genommen wird?

Das ist die Frage, die mich nach mittlerweile einer Woche Geisterspiel-Selbstversuch mit drei Partien der Größten der Welt in leeren Stadien umtreibt. Die Antwort ist relativ einfach: Nichts. Es bleibt nichts. Nichts, außer einem „Produkt“, das im Wesentlichen darin besteht, 22 Menschen beim gemeinsamen Sporttreiben im Medium eines Ballspiels zuzuschauen. Und meine Güte, ist dieses „Produkt“ langweilig – und wenig hochwertig noch dazu, jedenfalls dann, wenn man die gezeigten Leistungen der Größten der Welt zum Bewertungsmaßstab erheben will. 

Denn letzten Endes ist es ja so: Wenn das komplette Stadionerlebnis fehlt, es keinerlei Emotionen gibt, man den Fußball nicht spüren kann, weil die Lieder fehlen, der Nebenmann und die Nebenfrau, der Schweiß, das Adrenalin, die Bierduschen und die Bratwurstflecken, das Einklatschen, Einhaken, das Jubeln, Pfeifen, Schimpfen, wenn all das, was dem Fußball seine Seele gibt, wegfällt, dann bleibt tatsächlich nur noch und ausschließlich das pure, nackte Spiel.

Das wird nun leidlich inszeniert, indem TV-Sender kommentierende Menschen in Stadien schicken und auf dem zweiten Tonkanal sogar Fangesänge draufgeschaltet werden können – Stimmung aus der Konserve als ultimatives Eingeständnis, dass Fußball ohne Fans nun mal nichts ist, wie schon Jock Stein völlig zu recht anmerkte. Es wird Normalität vorgegaukelt, wo keine ist, mit den üblichen Spieltags-Aufstellungs-Bildtafeln, den ewig gleichen Phrasen in Vor-dem-Spiel-Trainerinterviews und Nach-dem-Spiel-„Pressekonferenzen“, mit Expertenanalysen und schließlich mit der langweiligen Ergebnisberichterstattung in der medienpartnerschaftlichen Lokaltagespresse, in der noch mal all das steht, was sich die oder der geneigte Beobachter*in im Zweifelsfall über die eigenen Augen längst selbst erschlossen hat.

Ein bisschen wirkt das alles so, als wäre der tolle, bunte Profifußball an eine lebensverlängernde Maschine angeschlossen und „alle drumherum“ (jaja, ich weiß) tun so, als wäre alles in bester Ordnung. Oder anders: Das, was vom Fußball noch übrig ist, der kleine Rest Spiel, liegt da nun, sorgsam (oder so) abgeschirmt vom normalen Leben und wir dürfen durch eine (Matt-)Scheibe ab und an mal einen Blick drauf werfen, während die Ärztinnen und Ärzte hoffen, dass der Patient irgendwie durchkommt.

Die ersten drei Spiele der „Corona-Meisterschaft“, also des Drittliga-Saisonfinales in Abwesenheit von fairem Wettbewerb, ansatzweise gleichen Ausgangsbedingungen, Solidarität und Miteinander, haben mir jedenfalls jetzt schon gezeigt, dass das alles nur schwer zu ertragen ist. Und wenn ich ehrlich bin, war das irgendwie auch zu erwarten. Denn: Worauf hätte ich mich als geneigter Clubfan, der es jahrelang gewohnt war, zusammen mit seinen Freundinnen und Freunden Wochenende für Wochenende im Stadion zu stehen, auch freuen sollen?

Auf guten Fußball sicher nicht, denn den gab es schon vor der Pause viel zu selten. Und auch jetzt, nach Wiederanpfiff der Saison, gab es bisher nicht einen Moment, in dem mich die spielerische Leistung meiner Mannschaft irgendwie aus den Socken gehauen hätte. Keinen Augenblick, in dem ich von der Couch aufgesprungen wäre, keine Situation, die mich verzückt zurückließ oder wenigstens mit der Zunge hätte schnalzen lassen. Stattdessen: Viel, viel Magerkost, viel „Schema F“, kaum mal Dampf, und Spektakuläres höchstens mal vom Gegner (Grüße an Christian Dorda vom KFC Uerdingen). Das Allerschlimmste dabei: Diese Ohnmacht, von ganz weit weg zusehen zu müssen und nichts, wirklich gar nichts beeinflussen zu können. (Ob das durch Fangesänge im Stadion anders ist, sei dahingestellt. Regelmäßige Stadiongänger*innen wissen aber sicher, was ich meine.)

Unangenehm halt auch, dass ohne schmückendes und manchmal offenbar Blick wie Erkenntnis verwässerndes Beiwerk nunmehr ziemlich deutlich zu Tage tritt, wie wenig die Mannschaft in der Lage ist, das einzulösen, was die sportliche Leitung – auch im Winter noch, wir erinnern uns – in ihr gesehen haben will.

„Expected Goals“ hin, markige Sprüche her: Der 1. FC Magdeburg 2019/2020 ist von einem Drittliga-Team, das oben mitspielen kann, weiterhin meilenweit entfernt und muss nach vier Punkten aus drei Spielen immer noch höllisch aufpassen, nicht wieder in der Viertklassigkeit zu verschwinden. Dazu kommt, dass ich eigentlich nur gegen Kaiserslautern das Gefühlt hatte: „Hey, da war mehr drin.“ Allerdings trat in jener Partie eine der Kernschwächen des Teams in dieser Spielzeit zutage, nämlich die fast schon groteske Unfähigkeit, aus teilweise sehr guten Chancen Tore zu kreieren. In Würzburg dann ein anderes Bild: Der Gegner (zunächst) mit Chancenplus, der Club dann aber mit der einen Standardsituation, in der es einschlägt, danach allerdings mit wenigen echten „Deckel drauf“-Aktionen. Tja, und Uerdingen? Denkt man sich Antreiber Mario Kvesic und einen recht schmeichelhaften Elfmeter aus dem Spiel weg, wäre das ein bemerkenswert trauriger Nachmittag geworden.

Immerhin: Abgesehen von dem obligatorischen Gegentor, das die sportliche Leitung offenbar im Paket mit Claus-Dieter Wollitz verpflichtete, war gegen Stefan Krämers KFC Uerdingen wenigstens die Arbeit gegen den Ball recht ordentlich. Und wenn es stimmt, dass die Defensive Meisterschaften gewinnt und es ja nur noch 11 Punkte bis zu einem Aufstiegsplatz … ach, lassen wir das.

Die nächsten Aufgaben für den 1. FC Magdeburg heißen F.C. Hansa Rostock auswärts und Viktoria Köln zuhause, was mindestens mal ein Sechs-Punkte-Spiel macht. Und während ich das hier schreibe, merke ich richtig, wie folgender Gedanke in mir aufsteigt:

„Bitte, lieber Fußballgott, lass‘ das alles bald einfach nur vorbei sein und uns am Ende irgendwie die Klasse halten.“

Es ist tatsächlich wahr: Fußball ohne Fans ist nichts, Fußball ohne Seele noch viel weniger. Was bleibt, sind Frust, Ohnmacht, Sorge und die Suche nach Zuversicht. Aber wer weiß? Sechs Punkte aus den nächsten beiden Partien und zack! sieht die Welt schon wieder anders aus. Und vielleicht ist das ja tatsächlich das kleine Stück Motivation, an das es sich zu klammern lohnt.

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