SG Sonnenhof Großaspach – 1. FC Magdeburg, 17. Spieltag, 1:2 (0:1)
Großaspach ist ja auch so ein Ort, an den ich eigentlich nie zurückkehren wollte. Alles merkwürdig drüber dort: Das (an sich) schicke Stadion mitten im Wald, die Sicherheitskontrollen beim Einlass, die Wurstpreise sowieso, außerdem der Stadionsprecher, der dem ländlichen Raum so etwas wie authentische Stadionatmosphäre überzustülpen versucht. Naja, jede*r so, wie sie oder er es mag, meins sind der selbst ernannte „Dorfclub“ und sein Ambiente nicht. Wohltuend daher der Gedanke, dass der Ausflug in die schwäbische Provinz der möglicherweise vorerst letzte war (außer, der große FCM dribbelt in der nächsten Saison im Neckarstadion auf, aber das ist noch mal eine ganz andere Geschichte). Mit einem 1-A-Herzkaspersieg™ jedenfalls vergrößerte Blau-Weiß die Abstiegssorgen der SG Sonnenhof Großaspach, während die Guten den derzeitigen Aufwärtstrend zumindest ergebnistechnisch bestätigen konnte.
Für das Duell mit dem Tabellen-18. nahm Trainer Stefan Krämer gegenüber der letzten Partie zwei Änderungen in der Anfangsformation vor. Morten Behrens kehrte ins Tor zurück, Björn Rother ersetzte den gelbgesperrten Rico Preißinger – und übernahm eine ganz interessante Rolle als „Tiefenläufer“ und Balljäger. Die Abwehrkette blieb mit Leon Bell Bell, Tobias Müller, Brian Koglin und Dominik Ernst gleich, das Mittelfeld bildeten Jürgen Gjasula, Thore Jacobsen, Sören Bertram und eben Rother, vorn sollten Christian Beck und Tarek Chahed Torgefahr entwickeln.
Röttger, Bertram und andere Merkwürdigkeiten
Auf einem Rasen, der so aussah, als hätten dort vor nicht allzu langer Zeit 10.000 Andrea-Berg-Groupies eine 24-Stunden-1-Euro-Party gefeiert, gelang das zunächst nur eingeschränkt gut. Vor schicker Oldschool-Beflaggung im Gästeblock und dem zugehörigen Motto-Support begann der Club zerfahren; viel spielte sich in den ersten fünf Minuten in der blau-weißen Hälfte ab. In der siebenten Minute aber die erste Gelegenheit für die Größten der Welt: Dominik Ernst mit einem Flachpass von rechts auf Christian Beck am langen Pfosten – der kommt auch hin, Großaspachs Keeper Maximilan Reule allerdings ebenso. Sieger bleibt der Torhüter, der die Kugel sicher unter sich begraben kann.
Der FCM wurde nun bestimmter in seinen Aktionen, wenngleich die Defensive hin und wieder einige zuletzt ungewohnte Lücken offenbarte. Gut, dass man an diesem Nachmittag einen Gegner erwischt hatte, dem offenbar die Qualität fehlt, daraus Kapital zu schlagen. Und gut auch, dass die ersten 45 Minuten offensiv ziemlich ordentlich waren, auch wenn unter dem Strich mindestens ein Tor zu wenig heraussprang. In der 14. Minute zum Beispiel hatte Sören Bertram das 1:0 auf dem Fuß, nachdem er den Ball schön über die Abwehrkette serviert bekommen hatte. Seinen Abschluss auf den kurzen Pfosten parierte allerdings wieder Reule, die anschließende Ecke brachte keinen Ertrag.
Auf der anderen Seite die Gastgeber nach 17 Minuten mit ihrer besten, weil eigentlich einzigen richtig gefährlichen, Gelegenheit im ersten Durchgang: Nach einem Konter über links bekommt der FCM den Ball nicht geklärt, Dominik Martinovic versucht es dann artistisch, jagt seinen Schuss allerdings knapp über den Querbalken.
Wieder nur zwei Minuten später Alarm vor dem Gästeblock: Ein langer Ball findet Tarek Chahed auf dem Flügel, der für Christian Beck ablegt. Maximilan Reule, der vielleicht beste Großaspacher an diesem 17. Spieltag, lenkt den Schuss des Kapitäns allerdings zur Ecke. Nach guten 20 Minuten blieb festzuhalten: Okayer Auftritt, Chancen waren da, so richtig heftig druckvoll war das allerdings alles noch nicht, was der 1. FC Magdeburg auf den Rasen brachte.
Dafür wurde es nach einer guten halben Stunde (und zwei weiteren Gelegenheiten von Chahed und Beck) stimmungsvoll, als sich nämlich Sportfreund Timo Röttger zusammen mit dem Rest der Großaspacher Bank vor dem Gästeblock warm machte. In der für ihn typischen Art grinste er nur, als für die blau-weiße Kurve das Spiel selbst für einen Moment komplett irrelevant wurde und man sich lieber darauf konzentrierte, Röttgers Dynamo-Vergangenheit zu thematisieren und ihm lautstark seine Rolle als Auswechselspieler vor Augen zu führen. Hach ja … Es ist ja doch immer wieder schön. Und auch wegen Figuren wie Großaspachs Nummer 18 tut eine weitere Reise in die mechatronik-Arena nicht unbedingt Not.
Als man sich allenthalben wieder dem Spiel zuwendete, gab es direkt auch etwas zu feiern, das recht kuriose 1:0 durch Sören Bertram nämlich: Jacobsen eröffnet den Angriff mit einem Anspiel auf Ernst am rechten Flügel, der wiederum in die Mitte spielt, wo Bertram gestartet war. Beim Abschlussversuch wird er am Fünfmeterraum umgemäht, was umgehende Elfmeter-Proteste zur Folge hat. Was Bertram nicht mitbekommen hatte: Der Ball kullerte zur Führung über die Linie, erst die Hinweise von Rother und Chahed führen zur Erkenntnis, hier gerade ein Tor erzielt zu haben. Großartig!
Was folgte, war eine gute Druckphase vom Club, die kurz von einer Behandlungspause für Thore Jacobsen unterbrochen wurde. Er hatte einen Schlag abbekommen, nach einer ordentlichen Packung Eis ging es für den Mittelfeldmotor aber zunächst weiter. Einen schönen Angriff über Bertram und Chahed später, an dessen Ende sich Letzterer für die Ballannahme im Strafraum und gegen den direkten Abschluss entschied, war dann Halbzeit. Das Gefühl zur Pause war recht ambivalent: An sich ein guter Auftritt, aber die Chancenverwertung … Dazu noch der eine oder andere Großaspacher Konter, der dann doch irgendwie mal durchrutschte – gegessen war das Ding mit der knappen Führung noch lange nicht.
Ohne Jacobsen viel Stückwerk
Und richtig: Keine drei Minuten waren im zweiten Durchgang gespielt, als auch schon ein 1:1 auf der sicher vorhandenen, vom Gästeblock aus aber nicht zu sehenden Anzeigetafel stand. Sehr ärgerlich vor allem: Kurz vor dem Ausgleich durch Vlachodimos hatte Tarek Chahed die Riesengelegenheit, auf 2:0 zu stellen. Rother mit dem klugen Ball in die Schnittstelle, Chahed kurz hinter der Mittellinie auf und davon – warum er dann nicht einfach konsequent den Abschluss sucht und stattdessen gar kein Torschuss passiert, wird vermutlich für immer sein Geheimnis bleiben. Dafür ging es dann aber eben auf der Gegenseite schnell: Über rechts und einige gute Passstationen kommt der Ball in den Strafraum zur Nummer 7 der Gastgeber und zack! geht die ganze Geschichte ergebnistechnisch von vorne los.
Zu dem Zeitpunkt nicht mehr auf dem Platz war Jacobsen, den es also doch stärker erwischt haben musste. Für ihn kam Charles Elie Laprevotte, der allerdings einen eher gebrauchten Tag hatte und dementsprechend kein gleichwertiger Ersatz war. Oder anders ausgedrückt: Das Fehlen von Jacobsen war deutlich zu merken. Es entwickelte sich nun ein merkwürdiger Kick, in dem es hoch und runter ging. Großaspach wurde stärker, weil der FCM sie ließ, selbst fehlten aber Struktur und klare Aktionen; auch Standardsituationen verpufften eher, als dass sie gefährlich wurden.
Bis zur 65. Minute ging bei Blau-Weiß nicht viel zusammen, ehe Rother mal zum Abschluss gelangte. Auf der anderen Seite klärte Leon Bell Bell nach 69 Minuten in höchster Not. Es knisterte nun, das Spiel war ordentlich auf der Kippe und das Gefühl war so: Das nächste Tor, egal für wen, könnte das Ding hier gut entscheiden. Einer, der sowas kann, also Spiele entscheiden, ist ja der vorhin schon erwähnte Timo Röttger, der eine Viertelstunde vor Schluss auch tatsächlich in die Partie kam, was das Unbehagen ob der Entwicklung da unten auf dem Rasen jetzt nicht unbedingt verringerte. Auf der anderen Seite ersetzte Manfred Osei Kwadwo den sehr fleißigen, offensiv aber diesmal recht unglücklich agierenden Chahed.
Machen wir es kurz: Bis in die Nachspielzeit hinein blieb es eine Begegnung, die jederzeit in die eine oder andere Richtung hätte ausschlagen können. Gehring hatte in der 79. Minute noch mal eine Gelegenheit für Großaspach, bugsierte den Ball am langen Pfosten aber formschön über das Tor, während Morten Behrens zwei Minuten vorher beim Abschlag reichlich Probleme hatte, den Ball an den Mann zu bringen, weil sich einfach kaum jemand bewegte. So. Und dann kam, als schon keiner mehr damit rechnete, Christian Beck um die Ecke.
Es läuft die zweite Minute der Nachspielzeit, noch einmal kommt der FCM durch einen Freistoß vor das Tor. Die Gastgeber klären den in die Füße von Kwadwo, der den Captain rechts im Strafraum findet. Eric Hottmann ist so nett, das Abseits aufzuheben und Beck denkt sich so: „Gut, okay, dann haue ich den jetzt halt mal oben links in den Winkel.“ Ein unmögliches Tor eigentlich, zumal aus der Position, aber hey: Wenn die einfachen Dinger nicht rein wollen, muss es eben manchmal auch kompliziert klappen. Was für eine unfassbar geile Bude – die ich erst später, zuhause, in der Wiederholung so richtig würdigen konnte, dafür aber auch gleich fünf Mal in Folge. 2:1 für Blau-Weiß, noch ein bisschen zittern und dann war der Deckel auf diesem Auswärtssieg, der herzkaspriger gar nicht hätte ausfallen können.
Fazit:
Es war ein hartes Stück Arbeit, das sich der 1. FC Magdeburg dort in der mechatronik-Arena gönnte, aber es zeugt auch von Moral und Qualität, mal so ein Ding zu ziehen. Und ist, so jedenfalls die positive Lesart, ein weiteres Zeichen der guten Entwicklung, die die Mannschaft in den letzten Wochen genommen hat. Wer weiß, ob so eine Partie noch zu Saisonbeginn so ausgegangen wäre, Grüße an der Stelle unter anderem an den 7. Spieltag in Jena. Lange genug hat es ja gedauert, aber nun haben wir unsere kleine Siegesserie, auch wenn die derzeit nur bescheidene zwei Erfolge hintereinander aufweist, was ja aber nicht so bleiben muss. Weiter geht’s nun mit Ingolstadt, dann geht’s nach Münster und dann wollen wir doch mal sehen, ob wir zum Rückrundenauftakt bei gleichzeitigem Fußballjahresabschluss in Braunschweig nicht noch um eine angenehme, sehr angenehme Winterpausenposition kämpfen können.