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Über die Gier

1.FC Magdeburg – VfB Stuttgart II, 18. Spieltag, 2-2 (2-0)

Und da wäre sie, die nächste Premiere für die Größten der Welt in der immernoch neuen 3. Liga: Die Partie gegen die Stuttgarter U23 dürfte die erste sein, die man in dieser Saison ohne große Not selbst aus der Hand gegeben hat und ohne, dass der Gegner den Punktgewinn mit aller Macht erzwungen hätte. Das ist wirklich sehr ärgerlich, weil man mehrere Male die Chance hatte, das Spiel beim Stand von 2-0 mit dem dritten Tor deutlich für sich zu entscheiden. Und es ist besonders ärgerlich, weil es phasenweise den Anschein hatte, dass die Mannschaft sich in ihrem eigenen Stadion mit einer Zwei-Tore-Führung gegen ein Team, das auf einem Abstiegsplatz steht, viel zu sicher war, das Spiel schon irgendwie nach hause zu schaukeln. Dass das auch (oder vielleicht besonders?) gegen eine sehr gut ausgebildete und technisch wie athletisch starke Bundesliga-Reserve in aller Regel schiefgeht, ist vielleicht die Lehre, die man aus dem Spiel mitnehmen kann und sollte. 

Der Spieltag wartete neben der oben bereits geschilderten Enttäuschung über das Unentschieden und sein Zustandekommen noch mit anderen Premieren auf: Vor der Begegnung verlas Stadionsprecher Torsten Rohde ein Statement, in dem es sinngemäß darum ging, doch bitte auf Pyrotechnik zu verzichten, den Sport in den Mittelpunkt zu stellen und allenthalben ein friedliches und gewaltfreies Fußballfest zu feiern. Prinzipiell eine gute und nachvollziehbare Ansage, die es allerdings in der Form schon sehr lange nicht mehr gab. Was auch Sinn macht, weil man Selbstverständliches eigentlich ja nicht noch einmal anzusprechen braucht. Trotzdem hatte der Verein offenbar das Gefühl, genau das tun zu müssen, was sich sicherlich als eine Reaktion auf die Geschehnisse in Großaspach lesen lässt. Zumindest auf der Nordtribüne waren aber offenbar einige mit Teilen der Ansprache nicht einverstanden und begleiteten insbesondere die Abschlusssätze mit entsprechenden Piffen. Auf der Haupttribüne zu Spielbeginn hingegen noch einmal eine klare Botschaft an die Helden, die der Meinung waren, in Großaspach für alle gut sichtbar eine Spiegelreflexkamera mitgehen lassen zu müssen:

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Die zweite Premiere feierte der “Goldene Schuss” zur Halbzeitpause, eine Aktion des “Sponsor of the day”, also derjenigen Firma, die in Zeiten des Geldes einfach nur den Spieltag präsentierte. Die Sache war ganz einfach: Am Mittelkreis stand ein Mensch in einem lustigen Bärenkostüm, umgeben von 4 Kandidaten, die nun nacheinander die Aufgabe hatten, den Ball von der Mittellinie aus ins Tor zu schießen. Eine irgendwie ziemlich gruslige Aktion, die der 1. FC Magdeburg aus meiner ganz persönlichen Sicht eigentlich nicht nötig hat. Die Kandidaten hatten allerdings Spaß, ebenso wie Lars Fuchs, der sich mit den anderen Auswechselspielern in der Hälfte warmmachte, in der das Ziel-Tor stand, und gern dabei behilflich war, die ziemlich offensichtlichen Fehlversuche einiger “Goldener Schuss”-Schützen in die Maschen zu befördern. Am Ende gab es Drogeriegutscheine – ob die jetzt aber an ‘Fuchser’ oder die Kandidaten gingen, muss an dieser Stelle offen bleiben.

Zum Fußballspiel selbst ist eigentlich mit den einleitenden Sätzen und dem Blick auf die Torfolge schon eine ganze Menge gesagt: Eine wirklich hochklassige Begegnung war es nicht und ein wenig wirkte es so, als fehlte gegen die Stuttgarter Zweitvertretung der letzte Biss, die Extraportion Konzentration und eben bis zum Schluss die Gier, den Dreier an diesem Tag auch wirklich zu ziehen. Insbesondere in der Anfangsphase wirkten die Aktionen ungenau, konnten sich die jungen Stuttgarter immer wieder spielerisch aus den Defensivbemühungen der Blau-Weißen befreien und fehlte dem Spiel der Hausherren Lars Fuchs eine gute Portion Esprit und Ideen.

Ironischerweise fällt der Führungstreffer für die Größten der Welt nach der bis dato größten Chance der Begegnung – allerdings für den VfB Stuttgart II: Einen Schuss von der Strafraumgrenze kann Jan Glinker mit dem letzten Fussel der Außennaht seiner Torwarthandschuhe noch zur Ecke lenken. Diese bringt nichts ein und quasi im direkten Gegenzug erzieht der zuletzt mit wenig Einsatzzeit bedachte Waseem Razeek nach feiner Einzelleistung das 1-0. Razeek ist es auch, der 10 Minuten später nachlegen kann. Als alle mit einem Pass in die Mitte zu Christian Beck rechnen, zieht der junge Mann aus Berlin einfach mal ab und versenkt die Kugel (unhaltbar?) im rechten unteren Eck des Stuttgarter Tores. Und hätte Steffen Puttkammer kurz vor dem Pausentee die Riesenchance zum 3-0 genutzt und den Ball einfach nur ins leere Tor geschoben, statt ihn mit vollem Risiko volley in den 5. Stock zu jagen… Mit einer 2-0-Führung ging es jedenfalls in die Halbzeit. Und für prophetische Tweets wie diese hier sollte ich mich vielleicht nachträglich noch ein wenig selbst geißeln:

Die zweite Hälfte plätscherte dann eigentlich bis zur 85. Minute so vor sich hin, mit 2 Ausnahmen: In der 59. und 74. Minute hat Kapitän Marius Sowislo zweimal die Chance, das Spiel zu entscheiden, setzt die Kugel aber aus äußerst aussichtsreicher Position jeweils knapp neben den Kasten. In der 80. Minute entschied sich der Trainer offenbar, das Ergebnis zu sichern und brachte Nicolas Hebisch ins Spiel. Es war außerdem der letzte mögliche Wechsel auf blau-weißer Seite, zuvor waren schon Sven Reimann für Niklas Brandt und Tarek Chahed für den starken Manuel Farrona-Pulido gekommen. In der 85. Minute dann der Anschlusstreffer für die Gäste – dem aufmerksamen Beobachter musste bereits Übles schwanen. Der Spruch von der schlechten Chancenverwertung, die irgendwann bestraft wird, dürfte nicht nur auf der Nordtribüne einige Male zu hören gewesen sein.

Und richtig. Der Schiedsrichter hatte gerade 3 Minuten Nachspielzeit angezeigt, als der Ball – sehr zur Freude der gesamten Stuttgarter Bank und der handgezählten ca. 20 Anhänger der Schwaben – erneut im Netz zappelte. Und wenn man ganz ehrlich ist, hatte sich das irgendwie schon so ein bisschen angedeutet. Ob das jetzt Unkonzentriertheiten im Spielaufbau waren, die ohne großen Aufwand für die Gäste zu Ballgewinnen führten oder das gemeinsame Weglächeln eines vergebenen Eckballs spät in der zweiten Hälfte – man konnte sich mitunter der Eindrucks nicht erwehren, als wäre die Mannschaft in der einen oder anderen Situation schon beim Einklatschen mit der Nordkurve gewesen.

Aber sei es drum, vielleicht sind dieser Spielverlauf und dieses Ergebnis auch genau das richtige Signal zur richtigen Zeit in der Saison. Ja, wir können zuhause mit Sicherheit jeden schlagen. An jedem Tag. Aber das geht eben nur mit absoluter Konzentration, dem Quäntchen Glück, maximalem Einsatz und dem unbedingten Willen, den Ball zur Not nur mit purer Gedankenkraft und auch in der 93. Minute noch über die Linie zu drücken. Jetzt heißt es, die zwei verschenkten Punkte im weiteren Saisonverlauf irgendwo wieder reinzuholen – am besten schon am kommenden Wochenende, wenn wir ein weiteres Mal Neuland betreten und unsere Fahnen in einer weiteren bisher unbekannten Arena wehen lassen.

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Nächster Halt: Würzburg!

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