SG Sonnenhof Großaspach – 1. FC Magdeburg, 17. Spieltag, 1-0 (0-0)
Was für eine in vielerlei Hinsicht bescheidene Auswärtsfahrt! Nicht nur, dass die Größten der Welt nach wie vor auf den ersten Auswärtssieg der Saison warten, auch wird das Spiel wohl eher wegen der Szenen nach dem Führungstreffer für die Gastgeber in Erinnerung bleiben: Einige Stadionbesucher brechen ein Tor zum Innenraum auf, laufen auf das Spielfeld, gehen Ordner an und können nur mit Mühe und tatkräftiger Unterstützung der Mannschaft (!) und des Trainerteams (!!) wieder in den Block zurückgedrängt werden. Schlimmer aber als die ohnehin schon schlimmen Szenen ist, dass so etwas natürlich ein gefundenes Fressen für Medienvertreter unterschiedlicher Coleur darstellt, die unmittelbar nach Spielende unter anderem gleich wieder die „Durchdrehende Magdeburger Fans“- und „Ultras auf dem Rasen“-Keule schwingen können – und das ohne jedes Kontextwissen oder unter bewusster Auslassung kontextgebender Ausführungen auch fleißig tun. Außer Acht bleibt dabei aber, dass die zweifelsfrei vollkommen hirnlose Aktion eine Vorgeschichte hat, die schon 30 Minuten vor Anpfiff beginnt und an der unter anderem sowohl die Gastgeber als auch das Schiedsrichter-Gespann einigen Anteil haben. Das entschuldigt selbstverständlich keinen Platzsturm, trägt aber vielleicht zu Erklärung bei, wie es überhaupt so weit kommen konnte. An dieser Stelle daher heute kein Spielbericht, sondern der – zugegebenermaßen subjektive – Versuch der Einordnung der Ereignisse.
Die baden-württembergische Provinz also. Wer Meuselwitz mochte, muss Großaspach eigentlich lieben: Es ist alles ziemlich ähnlich, nur dass das Stadion moderner ist und dass noch weniger Leute dort zum Fußball gehen. Der Gästeparkplatz ist ein unbefestigter, dafür aber eingezäunter Acker, der eine Stunde vor Spielbeginn schon hoffnungslos überfüllt ist; also muss die Wiese an einem Feldweg nebenan als Ausweichparkplatz herhalten. Am Stadion angekommen, bot sich zunächst erst einmal ein ungewohntes, aber doch recht angenehmes Bild: Wenig Polizei (und die sogar wirklich freundlich) und lediglich einige Ordner, die das Geschehen regelten. Alles ziemlich unaufgeregt also, so, wie man sich das eigentlich ja immer wünscht und wie es eigentlich ja auch sein sollte.
Während sich die Clubfans vor dem Gästeeingang nun also alle ordentlich anstellen, um noch die diesmal sehr gründlichen Kontrollen über sich ergehen zu lassen und dann endlich ins Stadion zu dürfen, nähert sich etwa eine halbe Stunde vor Spielbeginn eine recht sportliche und augenscheinlich ziemlich auf Krawall gebürstete Gruppe von vielleicht 10 Personen, die nun so überhaupt gar keine Lust auf Anstehen hat und sich deshalb kurzerhand und an allen vorbei ohne Kontrolle Zugang zum Stadion verschafft. Es gibt eine kurze Rangelei am Einlass mit den sichtlich überforderten Ordnern („Ey, jetzt bleibt doch mal stehen!“), dann verschwindet die Gruppe vollkommen unbehelligt im Block. Alles geht ziemlich schnell, Polizeibeamte sind nicht zu sehen; die tauchen erst später auf, als alles vorbei ist. Vor dem Hintergrund einer offenbar äußerst defensiven (und nochmal: eigentlich auch wohltuenden) Strategie kann man das verstehen, nur hat man eben jetzt eine Gruppe von Personen im Gästebereich, die unter einem gemeinsamen Stadionbesuch augenscheinlich etwas ganz anderes verstehen als der Rest der blau-weißen Reisegemeinschaft.
Und bevor mir jetzt jemand kommt mit „Selbstreinigungskräfte der Kurve“ etc.: Versucht doch beim nächsten Mal einfach, solche Leute darauf anzusprechen, ob sie mit Euch zusammen nicht mal eben ihr Fehlverhalten reflektieren wollen. Das wird sicher super.
Als dann pünktlich um 14 Uhr das Fußballspiel beginnt, richtet sich die Aufmerksamkeit des gut gefüllten Gästeblocks zunächst nicht auf das Geschehen auf dem Rasen, sondern auf den Sitzplatzbereich J. Dort versuchen etwas ältere, aber körperlich ziemlich präsente Clubfans, eine nicht allzu große Zaunfahne an der Bande zu befestigen. Diese wird jedoch von einem Sponsor als Werbefläche genutzt, was einige Ordner dazu veranlasst, die Fahne wieder entfernen zu wollen. Kann man schon verstehen bei einem so kleinen Verein wie Großaspach – die brauchen halt jeden Cent. Auch dort kommt es nun zu Rangeleien um besagtes Stück Stoff, begleitet von aufgebrachten Pfiffen und Rufen aus dem Gästeblock. Dank der Intervention weiterer Stadionbesucher im Block J beruhigt sich die Situation schließlich irgendwann und die Blockfahne wird auf den freien Plätzen im unteren rechten Bereich des Sitzplatzblockes platziert. Bereits jetzt war klar: So richtig dicke Freunde werden das Ordnungspersonal und die Gäste heute nicht mehr.
Derweil postieren sich einige Polizeibeamte aus mir nicht erklärlichen Gründen im Stehplatzblock der Heimfans und verdoppeln damit ungefähr die Anzahl der dort anwesenden Personen auf etwa 30. Vielleicht waren die Ordnungshüter aber auch einfach nur Jungs aus der Gegend, die auch im Dienst ihr Team unterstützen wollten. Man weiß es nicht.
Fußball wurde schließlich auch gespielt, und das von beiden Seiten sehr ordentlich. Es gibt Chancen hüben wie drüben; Großaspach kommt in der ersten Hälfte zweieinhalb Mal gefährlich vor den Kasten von Jan Glinker, die Größten der Welt erarbeiten sich vor allem über Standards die eine oder andere Abschlusschance. Torlos geht es in die Halbzeitpause und auf den Rängen ist man sich zu diesem Zeitpunkt eigentlich einig, dass hier heute was gehen könnte.
Die Mannschaft untermauert diesen Eindruck mit dem Wiederanpfiff – sofort geht es in Richtung Christopher Gäng im Großaspacher Tor, der nun die komplette Gästekurve im Rücken hat. Dann verflacht die Partie etwas, und das hat nicht zuletzt auch mit einer äußerst kleinlichen Linie von Schiedsrichter Florian Badstübner zu tun. Kleinste Berührungen werden sofort abgepfiffen, die eine oder andere Entscheidung wirkt unglücklich, andere sind – aus blau-weißer Perspektive – schlichtweg falsch. An dieser Stelle sei mein Nebenmann zitiert, der zum Schiedsrichter meinte: „Der ist 24. Wenn der so jung schon so hoch pfeifen darf, wird er was drauf haben. Aber das ist ein Spitzenspiel. Da setzte ich jemand anderes an.“ Die mangelnde Erfahrung und fehlendes Fingerspitzengefühl merkt man dem Schiedsrichter an – es sind dabei gar nicht so sehr die Entscheidungen als solche, sondern eher die Körpersprache und die Art und Weise des Umgangs mit den Spielern auf dem Platz (soweit man das von der Tribüne aus überhaupt einschätzen kann), die einen die Stirn runzeln lassen. Kurzum: Florian Badstübner wirkt nicht souverän und nicht so, als hätte er die Spielleitung im Griff.
Hinzu kommt in der zweiten Halbzeit eine Großaspacher Mannschaft, die clever genug ist, genau das auszunutzen. Nicht nur, aber insbesondere auch Tobias Rühle sticht hier mit einigem schauspielerischem Talent hervor. Zum Repertoire gehören „abheben, ohne getroffen zu werden“, „laut ‚aua!‘ schreien“ und „bei jeder Kleinigkeit lamentieren, als gäbe es kein Morgen mehr“. Schiedsrichter Badstübner lässt sich davon offenbar beeindrucken und sowohl aufseiten der Magdeburger Mannschaft als auch im Gästebereich hat man nun so langsam den nachhaltigen Eindruck, dass die Entscheidungen des Unparteiischen doch etwas sehr einseitig ausfallen. Der Stimmung ist das nicht unbedingt zuträglich.
Dann schließlich der Elfmeterpfiff in der 81. Minute, dessen Entstehung von der anderen Seite des Stadions schlichtweg nicht zu erkennen war. Auch beide Trainer werden später in der Pressekonferenz sagen, dass sie die Szene nicht genau gesehen haben; auf Twitter heißt es schnell, der Pfiff war tatsächlich berechtigt. Aber das ist auch ganz egal, hier gilt die alte Regel: Wenn der Schiedsrichter pfeift, ist es eben Elfmeter. Dazu muss man vielleicht noch anmerken, dass die Größten der Welt in dieser Phase keinen sonderlich guten Fußball spielten und sich die Wechsel (Chahed für Farrona-Pulido und Razeek für Hebisch) nicht wirklich ausgezahlt hatten. Anders die Gastgeber, die durch die Hereinnahme von Ngankam und Dittgen für einigen frischen Schwung sorgen konnte. Die Führung durch den Elfmeter unter normalen Umständen daher vielleicht auch nicht mal unverdient.
Im Gästeblock passt die Situation nun natürlich exakt ins Bild der gesamten zweiten Halbzeit: Man empfindet den Elfmeterpfiff als ungerechtfertigt und i-Tüpfelchen auf einer schwachen Schiedsrichterleistung, die Stimmung hat sich inzwischen einigermaßen hochgeschaukelt. Wie das eben so ist, wenn auf dem Rasen niemand irgendwelche Versuche unternimmt, das Spiel irgendwie zu beruhigen und allenthalben Dampf rauszunehmen. Dann plötzlich die Ansage des Stadionsprechers, dass aus dem Gästebereich Gegenstände auf das Spielfeld fliegen würden. Gesehen haben kann er höchstens einen Bierbecher, der am Fangnetz zerschellt, fliegende Gegenstände habe zumindest ich sonst keine ausmachen können. Gut zu sehen war aber ein ordentliche gestikulierender Christopher Gäng im Großaspacher Tor, der sehr engagiert dabei war, den Schiedsrichter auf ein Fehlverhalten der Gästefans hinzuweisen. Auch das passt ins Bild einer Großaspacher Mannschaft, die natürlich nicht blöd ist und sicher sehr genau wahrgenommen haben wird, dass der Unparteiische durch solche Aktionen heute ganz gut für die eigenen Zwecke zu beeinflussen ist.
Was dann passiert, ist ja in allen möglichen Spielberichten gut zu sehen: Hinter Gäng geht ein Tor auf, ein paar Verirrte purzeln in den Innenraum. Einige von ihnen sehen denen, die vor der Partie keinen gesteigerten Wert auf Einlasskontrollen legten, erstaunlich ähnlich. Auch aus Block J (dem mit der Fahne) klettern Menschen über die Werbebande. Polizei? Erneut (zunächst) Fehlanzeige. Dass die Situation nicht völlig eskaliert, ist zum einen der Magdeburger Mannschaft zu verdanken, die sofort an den Zaun kommt und versucht, die Rummelboxer im Innenbereich (also die ohne gelbe Westen) wieder in den Gästeblock zu bewegen. Auf der Tribüne selbst ist es vor allem Block U, der die Situation zu beruhigen versucht. Das gelingt schließlich mit vereinten Kräften: Spieler und Fans schließen das Tor, die Begegnung kann glücklicherweise fortgesetzt werden. Dass die Mannschaft nun nicht mehr die Kraft und Konzentration hat, noch den Ausgleich zu erzielen, dürfte wenig verwundern.
Insgesamt also ein völlig gebrauchter Tag, der unmittelbar nach Abpfiff dadurch rund gemacht wird, dass der Großaspacher Stadionsprecher sich in Begeisterungsstürmen über die drei Punkte nahezu gar nicht mehr einkriegt. Tja nun.
Was unter dem Strich bleibt, ist der Ärger über eine Handvoll Kaputte, die nicht nur der Mannschaft, sondern wieder einmal auch einer ganzen Kurve einen Bärendienst erwiesen haben – und gleichzeitig Wasser auf die Mühlen derjenigen gießen, die sich jetzt wieder in undifferenzierten „Magdeburger Fußballchaoten“-Diskursen ergehen können. Es bleibt der Ärger über eine verfehlte Sicherheitsstrategie im schwäbischen Hinterland, die aus meiner ganz persönlichen Sicht die Eskalation gegen Spielende deutlich begünstigte. Ebenso wie die Ansetzung eines jungen und sicherlich talentierten Schiedsrichters, der einen rabenschwarzen Tag erwischte, aus den Ereignissen aber hoffentlich einiges lernt und bitte in dieser Saison kein weiteres Spiel von uns pfeift. Und es bleibt der Ärger über einen weiteren Auswärtsauftritt, in dem wir es erneut nicht geschafft haben, ein Tor zu erzielen und trotz aller Widrigkeiten unser Spiel erfolgreich durchzubringen. Fazit: Ganz schnell abhaken, gegen Stuttgart II zuhause punkten und dann in Würzburg endlich den lange überfälligen Auswärtsdreier einfahren.
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