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Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen

Eichhörnchen

FC Erzgebirge Aue – 1. FC Magdeburg, 2. Spieltag, 0:0 (0:0)

Erstes Auswärtsspiel der neuen Saison, erster Punkt in der neuen Liga! Was auf dem Papier erst einmal ganz gut klingt, sorgte bereits im Stadion und später auch in den sozialen Medien für eine recht bipolare Diskussion irgendwo zwischen den Extremen „Ersten Punkt erkämpft! Geil!“ und „Spielerisch katastrophal, so wird das keinesfalls etwas mit dem Klassenerhalt!“ Die Frage, wie man den Auftritt beim FC Erzgebirge Aue bewertet, hängt also vermutlich stark von der Perspektive und der eigenen Anspruchshaltung ab. Klar, wenn man (sehr überspitzt formuliert) auch in Liga 2 weiterhin Drittliga-Hurra-Fußball mit Powerplayphasen und Chancen im Überfluss erwartet, war das, was der 1. FC Magdeburg an diesem zweiten Spieltag angeboten hat, ohne Frage schlecht. Allerdings wird es mit solchen Erwartungen, soviel kann man wohl jetzt schon sagen, eine sehr, sehr lange Saison. Und ja, auch fußballerisch war das sicher alles andere als die ganz feine Klinge und die hohe Kunst am Sonntag. Andererseits blieb man als Aufsteiger bei einem potentiell direkten Konkurrenten im Kampf um den Klassenerhalt ohne Gegentor, nahm einen Punkt mit und versuchte mitunter zumindest, auch ein wenig Fußball zu spielen. Ich mag leicht zufrieden zu stellen sein, aber: Mir hat das an diesem Nachmittag für das zweite Zweitligaspiel und das erste in der Fremde tatsächlich gereicht (wenngleich es natürlich auch noch sehr, sehr viel Luft nach oben gab). Gänzlich unzufrieden bin ich jedenfalls nicht nach Hause gefahren.

Der letzte Auftritt in Aue war ja nun schon wieder ein paar Tage her und so galt es gewissermaßen, an der alten Stelle einen neuen Ground zu entdecken, der tatsächlich richtig schick daher kam. Auch die Anfahrt unterschied sich vom letzten Mal: Statt des Zuges ging es diesmal mit dem Auto ins Erzgebirge, kuriose Gästeparkplatz-Situation inklusive. Die Stellplätze für die Gästefans befinden sich nämlich quasi direkt neben der Zufahrtsstraße zum Stadion, die natürlich auch die Heimfans frequentieren, sodass es trotz leidlicher Bemühungen der Staatsmacht, für Fantrennung zu sorgen, zum Teil zu gemeinsamen Spaziergängen in Richtung Spielstätte kam.

Knapp 45 Minuten vor dem Anpfiff im Stadion angekommen, ging es erst einmal in die Schlange für den berühmten Nudeltopf – der dann natürlich, als wir an der Reihe waren, zumindest an dem Stand, an dem wir uns eingereiht hatten, ausverkauft war. Was für ein großer Spaß nach gut 15 Minuten Wartezeit mit 7, 8 Leuten vor uns, weil nämlich auch das Bier zur Neige ging (Aussage der Verkaufsfachkraft: „Bier ist leer, dauert jetzt mal ne Stunde.“). An anderen Ständen mag die Situation besser gewesen sein, aber an sich war das schon eine schwache Kür vom Caterer (und ja, ich weiß, Glashaus und Steine und so). Was hat man denn erwartet? Dass da irgendeine Lulli-Szene in 2 Smarts anreist? Zumindest gab es noch ein Convenience-Schnitzelbrötchen und eine Cola, sodass es zwar enttäuscht, aber wenigstens nicht hungrig in den Block ging.

The return of the 3-4-3

Für das erste Auswärtsspiel 2018/2019 kehrte Jens Härtel zur 3-4-3-Grundordnung zurück, die phasenweise wie ein 3-3-1-3 aussah, was auch der Blick auf die tatsächlichen Spielerpositionen bei whoscored.com bestätigt. Die Defensivreihe vor Keeper Fejzic bildeten Steffen Schäfer, Dennis Erdmann (der die zentrale Rolle hervorragend ausfüllte) und Tobias Müller, nominell besetzten Rico Preißinger und Björn Rother das zentrale Mittelfeld. Weil aber Preißinger seine Rolle des Öfteren mal ziemlich offensiv interpretierte, kam eben die besagte 3-3-1-3-Grundordnung zustande. Auf den Außenbahnen begannen links Aleksandar Ignjovski und rechts Nils Butzen, offensiv spielten Marcel Costly, Christian Beck und Philip Türpitz von Beginn an.

Wie gesagt, die hohe Kunst war das jetzt alles nicht, aber zumindest begannen beide Mannschaften engagiert, wobei der FCM in den ersten gut 10 Minuten etwas mehr vom Spiel hatte, ohne freilich vor dem von Martin Männel gehüteten Tor der Gastgeber irgendwie gefährlich werden zu können. Defensiv ging man derweil ordentlich rustikal zu Werke und war es zu Beginn vor allem Dennis Erdmann, der gewohnt kompromisslos agierte und seinen Gegenspieler an der eigenen Grundlinie gleich zweimal zünftig abräumte. Nach 10 Minuten dann ein erster zarter Spielzug-Versuch: Nach einem Freistoß nach Foul an Marcel Costly wurde der Ball quergelegt und gelangte zu Türpitz, der aus etwa 30 Metern einfach mal abzog, aber an einem Auer Abwehrbein hängen blieb.

Nicht nur in dieser Szene, sondern auch noch später im Spiel war schön zu sehen, wo vielleicht so die kleinen Unterschiede zwischen den Spielklassen liegen. Konnte man sich in der 3. Liga nach der Ballannahme in guter Schussposition vielleicht noch mal kurz orientieren, sich die Kugel zurechtlegen und die Torecke der Wahl anvisieren, gibt es diese Zeit jetzt in Liga 2 nicht mehr. Gefragt sind also Handlungsschnelligkeit und eine gute Entscheidungsfindung, was man im Training zwar sicher üben kann, wofür man aber eben auch die entsprechenden Spielminuten im „Ernstfall“ benötigt. Soll heißen: Das wird schon noch. Oder sollte besser. Und eher nächste als übernächste Woche.

Was den FC Erzgebirge Aue anging, so verlegte sich die von Daniel Meyer trainierte Mannschaft vor allem auf lange Bälle entweder direkt in die Zentrale oder auf die Außen, wo dann meist in der Magdeburger Abwehr Endstation war bzw. die letzte Idee fehlte, was man denn mit dem einen oder anderen Meter Raumgewinn so anfangen könnte. Glück hatte der Club in Spielminute 16, als ein langer Diagonalball in die Spitze noch mal weitergeleitet wurde und eine Auer Offensivkraft fand, die den Ball dann auch im Tor unterbrachte. Der Linienrichter hatte allerdings die Fahne gehoben, sodass es beim 0:0 blieb.

Nach 20 Minuten dann der nächste Ansatz von Blau-Weiß: Nach einem Einwurf von der rechten Seite gelangte das Spielgerät zu Rico Preißinger. Der ließ noch einen Gegenspieler aussteigen und versuchte sich an einem Torschuss aus 20 Metern, der aber eher ein Schüsschen wurde. Philip Türpitz war von rechts eingerückt, um den Ball eventuell noch entscheidend abzufälschen, konnte ihn letztlich aber nicht mehr gefährlich machen. Die vielleicht beste – und sehenswerteste – Chance in Halbzeit 1 hatten die Gastgeber in Person von Pascal Testroet nach 33 Minuten. Mit dem Rücken zum Tor kann er den Ball in zentraler Position außerhalb des Strafraums annehmen, sich drehen und direkt abziehen. Wäre der Schuss nicht ein Stückchen zu weit nach links geraten, hätte Fejzic da wohl nur noch hinterherschauen können. Sehr schick, aber aus Magdeburger Perspektive glücklicherweise ohne Ertrag.

Während man unten auf dem Rasen stets bemüht war, kann sowohl Heim- als auch Gästekurve ein sehr ordentlicher Auftritt bescheinigt werden. Insbesondere der „Kämpfe, FCM!“-Wechselgesang so um die 38. Minute herum verdiente sich das Prädikat „eskalativ“, was sogar den Vorsängern ein Lob entlockte. Das kommt ja nun wahrlich nicht allzu häufig vor, war an der Stelle aber auch absolut angemessen. Unter dem Dach war das jedenfalls wirklich laut.

Kurz vor dem Pausentee dann noch einmal eine ganz gute Phase vom Club: Erst kann Ignovski dribbelnderweis‘ in Richtung Strafraum marschieren, verpasst dann aber das Abspiel auf Christian Beck, der von rechts nach links Ignjovskis Laufweg kreuzte, den Ball dann aber rechts serviert bekam. Kann natürlich nicht funktionieren. Zwei Minuten später war dann für Christian Beck nach einem Spielzug über Nils Butzen und Marcel Costly im Strafraum Endstation, weil die Auer Defensive Costlys flache Hereingabe schneller erreichte als eben die Nummer 11, die da gut in Position gelaufen war. Einen Costly-Kopfall nach Flanke von Türpitz und einen Aue-Eckball später, den Ignjovski aus der Gefahrenzone befördern konnte, war dann erst einmal Halbzeit.

Schöner zittern mit dem FCM

Durchgang 2 begann bei Blau-Weiß zunächst ohne Wechsel, dafür aber mit einem FCM, der irgendwie wacher aus der Kabine kam als die Heimelf. Bis zur 55. Minute gab es eine Ecke und ein paar im Ansatz gute Aktionen über die Flügel, wobei insbesondere Costlys kleines Tänzchen in Spielminute 53 in Erinnerung blieb. Seine Flanke von links auf den Kopf von Christian Beck konnte dieser dann allerdings nicht nutzen und drückte den Ball links am Tor vorbei.

Je länger die Halbzeit dauerte, desto besser kam nun auch Aue ins Spiel. Schade eigentlich, dass man die kleine Mini-Drangphase zu Beginn der zweiten 45 Minuten nicht für sich zu nutzen wusste. So wurde die Partie mehr und mehr zum Geduldsspiel, wobei sich das Geschehen vor allem zwischen die Strafräume verlagerte und beide Mannschaften die zündende Idee vermissen ließen. In der 57. Minute dann mal ein Freistoß für Aue, den Fejzic erst im Nachfassen festhalten kann und nur eine Zeigerumdrehung später ein eigentlich vielversprechender Auer Konter, der aber trotz besser postierter Mitspieler und Überzahl zu egoistisch abgeschlossen wurde und dementsprechend auch nicht dazu führte, dass sich auf der Anzeigetafel irgend etwas tat. Aber hey: gut für uns.

So langsam schielte man nun auf die Spielzeit, weil es dem FCM zunehmend schwerer fiel, den Ball vom eigenen Tor fernzuhalten. Wenn schon nach vorn nichts ging, so wollte man doch wenigstens den einen Punkt hier mitnehmen. Weil Aue aber 3 wollte, wurden die letzten gut 20 Minuten zur Nervenprobe. Interessant zu beobachten in diesem Zusammenhang (weil direkt vor der Gästekurve), wie unheimlich ruhig und souverän bei den Gastgebern Christian Tiffert zentral in der Abwehrreihe und Torhüter Martin Männel agierten. Die waren a) defensiv und b) dann als erste Stationen im Spielaufbau dermaßen über jegliche Zweifel erhaben, dass man da auch als Gästefan nur den Hut ziehen kann.

Interessant zu beobachten auch, wie die Abwehrspieler gerade im Zentrum gegen Christian Beck agierten. Kam mal ein flaches Anspiel durch, war der Verteidiger sehr, sehr häufig vor dem Mittelstürmer und konnte so klären, bevor überhaupt Gefahr entstand. Eine Spielklasse tiefer sah das oft noch anders aus, konnte sich Beckus öfter durchsetzen und dann mit dem Ball am Fuß entweder selbst abschließen oder noch mal abgelegen. Auch hier wird es spannend sein, zu beobachten, wie schnell (und ob überhaupt) sich Christian Beck auf die besseren Laufwege der Verteidiger, den knapperen Platz und die kleineren Zeitfenster für Entscheidungen wird einstellen können.

Zurück aber zum Spiel, wo in der 81. Minute Marius Bülter für Marcel Costly den Platz betrat, auf der linken Seite, wie schon gegen St. Pauli, einen ganz guten Eindruck hinterließ und zumindest punktuell für Entlastung sorgte. Gefährlicher (wenn man das überhaupt so sagen kann) blieb aber Aue mit Flanken in den Magdeburger Strafraum, die glücklicherweise aber keine Abnehmer fanden. Rutscht da mal eine durch und verlieren wir das Spiel dann 0:1, hätte sich vermutlich auch niemand beklagen können. So aber blieb es beim 0:0 und endete die Begegnung mit einer schönen Geste von Martin Männel, der unmittelbar nach Abpfiff noch kurz in den Gästeblock applaudierte. Hat man im Erzgebirge vielleicht auch nicht allzu häufig, dass da über 1.500 Gästefans über 90 Minuten dauersupporten. Schöner Moment auf jeden Fall. Nachzureichen auch noch zwei weitere Wechsel für den Club: Richard Weil war nach 89 Minuten für Björn Rother gekommen, Michel Niemeyer ersetzte in der Nachspielzeit Philip Türpitz.

Fazit:

Auch wenn wir uns das vermutlich alle anders wünschen: Spiele dieser Art werden wir bis Saisonende wahrscheinlich noch einige sehen. Und wenn es dann nach dem letzten Spieltag für einen Tabellenplatz irgendwo über dem Strich gereicht hat, ist das an sich auch völlig in Ordnung so. Klar ist aber auch, dass man demnächst schon auch mal dreifach punkten darf und insbesondere im Spiel nach vorn noch jede Menge Potential schlummert, das das Trainerteam besser heute als morgen hebt. Der erste Zweitliga-Punkt ist trotzdem in den Büchern und mit dem SV Darmstadt 98 wartet nun im DFB-Pokal ein Gegner, bei dem man jetzt auch nicht unbedingt die hohe Schule des gepflegten Kurzpassspiels erwarten kann. Vielleicht kommt die erste Pokalrunde gegen genau diese Mannschaft (gleiche Spielklasse, sehr, sehr biedere Spielidee) aber auch genau zur richtigen Zeit, um im Rhythmus zu bleiben, weiter an den Abläufen zu feilen und Stück für Stück in der Liga anzukommen. Mühsam ernährt sich eben das Eichhörnchen, besonders mühsam vielleicht in unserem Fall, am Ende des Tages ist aber das Wichtigste, dass es vor allem satt wird.

Die Mannschaft wird noch Zeit brauchen, das hat Aue gezeigt, und diese Zeit sollten wir ihr einfach auch geben, bevor wir anfangen, Abstiegsszenarien an die Wände des Heinz-Krügel-Stadions zu malen. Das wird schon alles noch, ich bin mir da sehr sicher. Und spätestens mit der zweiten Pokalrunde, in der wir dann den Bayern zeigen, wo der Frosch die Locken hat, spricht über den mühsamen Saisonauftakt keiner mehr. Hier darf man gern einen Zwinkersmiley einfügen, ein bisschen Magdeburger Größenwahn muss schließlich schon auch noch erlaubt sein. Nächster Halt jedenfalls: DFB-Pokal!

Gegnerperspektive:

Spielbericht FC Erzgebirge Aue

6 Kommentare

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