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Jekyll & Hyde

Darmstadt

1. FC Magdeburg – SV Darmstadt 98, DFB-Pokal (1. Runde), 0:1 (0:1)

Es gibt so Spiele, die verliert man, weil der Gegner an dem Tag einfach besser war und der eigenen Mannschaft deutlich die Grenzen aufgezeigt hat. Und dann gibt es Partien, bei denen man sich hinterher fragt, wie zum Teufel man die eigentlich nicht gewinnen konnte, und sich dementsprechend etwas länger ärgert, während das gegnerische Team der Glücksgöttin der Wahl ungefähr eine Jahresration Opfergaben schuldet. Das DFB-Pokal-Erstrundenmatch der Größten der Welt gegen Darmstadt gehört wohl eher in letztere Kategorie, ließ der 1. FC Magdeburg in Person von Christian Beck, Björn Rother und Marcel Costly doch beste Torchancen ungenutzt und war es letztlich ein reichlich dummer, aber völlig berechtigter Elfmeter nach 74 Sekunden, der die Entscheidung zu Ungunsten der Hausherren brachte. Das ist, auch vor dem Hintergrund des sehr holprigen Saisonstarts, natürlich ziemlich ärgerlich. Gleichzeitig gab es aber auch deutlich positive Ansätze, auf die sich aufbauen lässt und aus denen sowohl die Mannschaft als auch die Fanszene Zuversicht für die kommenden Aufgaben schöpfen sollten. So ist er halt, der 1. FC Magdeburg 2018/2019. Alles andere wäre ja auch irgendwie langweilig. 

20.165 Menschen hatten sich im Heinz-Krügel-Stadion versammelt, um bei angenehmen Temperaturen und bester Flutlicht-Atmosphäre einen insgesamt unterhaltsamen Pokalabend zu erleben. Etwa 500 der besagten 20.165 Zuschauer drückten dabei den Gästen aus Darmstadt die Daumen. Eine gute Viertelstunde vor dem Anpfiff war vom Lilien-Anhang allerdings noch nicht allzu viel zu sehen und klafften doch größere Lücken im Gästeblock. Im Anschluss an die Partie war zu hören, dass es im Eingangsbereich – mal wieder – zu Problemen gekommen war, sodass die aktive Darmstädter Szene sowohl auf Zaunfahnen als auch Support verzichtete. Lediglich eine „FCK CPS“ Fahne war zu sehen, was schon darauf schließen ließ, dass da in der Ecke irgendwas vorgefallen sein musste. Was genau, wird man wohl in den nächsten Stunden und Tagen auf den üblichen Kanälen erfahren; seinen Ruf als einen der Gäste-unfreundlichsten Standorte Deutschlands dürfte Magdeburg damit aber wohl eher gestärkt haben, auch wenn es wohl diesmal eine Polizeieinheit aus Thüringen war, die für Probleme gesorgt hat. Beschämend, irgendwie.

Auf der Heimseite war die Stimmung derweil eigentlich das gesamte Spiel über richtig gut und zumindest in den ersten 45 Minuten phasenweise auf Offenbach-Niveau, wenngleich man das Level hinten raus dann nicht mehr ganz so halten konnte. Ähnlich ging es auch der Mannschaft, die stark begann, sich aber nicht belohnte, und in der zweiten Hälfte wieder größere Probleme hatte, dem von Daniel Heuer Fernandes gehüteten Tor der Darmstädter irgendwie gefährlich zu werden.

Jens Härtel hatte sich gegenüber den ersten beiden Partien für eine große Rotation entschieden und damit denjenigen Spielern eine Bewährungschance geboten, die zuletzt nicht so zum Zuge kamen. Vor Alexander Brunst im Tor liefen Tobias Müller, Nico Hammann und Christopher Handke in der Dreierkette auf, das Vierer-Mittelfeld bildeten Michel Niemeyer, Richard Weil, Björn Rother und Nils Butzen, während offensiv Felix Lohkemper links, Christian Beck in der Mitte und Marius Bülter rechts für Gefahr sorgen sollten. Während Brunst und vor allem Bülter diese Chance zu nutzen wussten, werden sich Christopher Handke, Michel Niemeyer und Richard Weil in den nächsten Partien wohl erst einmal wieder hinten anstellen müssen. Überhaupt kann man ja jetzt trefflich darüber streiten, ob so eine große Rotation in Anbetracht der längst noch nicht flüssigen Abläufe der letzten Anfangsformationen unbedingt notwendig war. Da der Club aber in den ersten 45 Minuten ein ordentliches Spiel, nur eben kein Tor machte, erübrigt sich diese Diskussion vielleicht auch gleich wieder. Ach, es ist kompliziert.

Konfetti und Fußball

Block U hatte jeden Platz im Stadion, Presseplätze inbegriffen, mit Konfetti-Tüten ausgestattet, deren Inhalt beim Einlaufen der Mannschaften für ein schickes Intro sorgte, das von je einem Spruchband vor der Nord- und Osttribüne untermalt wurde. Mit einem mächtig lauten „Schieß‘ ein Tor, Club!“ ging es also in die Partie, und kaum waren die letzten Konfetti-Schnipsel zu Boden gerieselt, fiel auch schon das erste Tor – leider allerdings auf der falschen Seite. Einen eigentlich harmlosen, aufsetzenden Ball ziemlich zentral vor dem Magdeburger Strafraum hatte Christopher Handke völlig falsch eingeschätzt und nicht klären können, aber eigentlich müssen. Darauf wiederum hatte sich auch Nebenmann Nico Hammann verlassen, der nun seinerseits Darmstadts Angreifer Marvin Mehlem unglücklich unterlief und im Strafraum zu Fall brachte. Der insgesamt unterirdische Schiedsrichter Robert Schröder aus Hannover zeigte sofort und korrekterweise auf den Punkt, Tobias Kempe trat an, versenkte sicher und zack! stand es nach nicht einmal 2 Minuten schon 1:0 für die Gäste. Super-GAU-Beginn, vor allem gegen eine Mannschaft wie Darmstadt, die ja nun gar kein Problem damit hat, einfach den Mannschaftsbus und noch 3, 4 Kleintransporter im eigenen Strafraum zu parken und dann mal zu schauen, was dem Gegner wohl so einfällt.

Kurioserweise hatte man aber den Eindruck, dass sowohl das Gegentor als auch die eine oder andere etwas eigentümliche Schiedsrichterentscheidung noch einmal für einen ordentlichen Kick und mächtig Hack in der Partie sorgten. Mannschaft und Publikum waren danach jedenfalls im Spiel, das Team drängte in den nächsten 35 Minuten auf den Ausgleich, Darmstadt fand offensiv überhaupt nicht mehr statt. In der 11. Minute ist es Marius Bülter, der sich auf seiner rechten Seite stark gegen anderhalb Gegenspieler durchsetzt, den Ball dann aber nicht mehr kraftvoll genug aufs Tor bringen kann. Zwei Minuten später zappelt die Kugel dann im Netz, beim Anspiel von Hammann auf Niemeyer hatte der Linienrichter allerdings auf Abseits entschieden.

In der 16. Minute dann die erste schwere Verletzung bei Darmstadt, die sich allerdings ganz kurze Zeit später als plumpes Zeitspiel erwies. Fabian Holland war nach einem Zweikampf im eigenen Strafraum liegen geblieben und es stand zu befürchten, dass da wohl mindestens mal eine Amputation notwendig werden würde. Dank einer Wunderheilung ging es dann aber bald weiter und konnte Holland die Partie sogar zu Ende spielen – beeindruckend, aber scheinbar auch ein Stilmittel, dessen sich die Gäste öfter bedienen. Es war jedenfalls nicht die einzige Situation dieser Art im Verlauf der Partie.

Große Aufregung dann in der 21. Minute: Nach einem schönen Spielzug bekommt Christian Beck den Ball links im Strafraum klug von Tobias Müller serviert, bewegt sich in Richtung Grundlinie und wird von hinten umgestoßen. „Weiterspielen!“, bedeutete Schiedsrichter Schröder und lag damit sehr wahrscheinlich mächtig daneben. Aber okay, dann musste es halt weiterhin aus dem Spiel heraus klappen. In Minute 24 wäre es auch fast soweit gewesen: Ecke Hammann, Kopfball Beck und eine überragende Parade von Heuer Fernandes, der den Ball sehr spät sieht, aber irgendwie noch aus der unteren rechten Ecke fischt.

Inzwischen spielte nur noch der 1. FC Magdeburg, der in der 28. Minute die nächste ganz gute Gelegenheit zum Ausgleich verstreichen ließ. Nach einer Ecke war der Ball zu Richard Weil durchgerutscht, der die Kugel vollkommen unbedrängt direkt nimmt und fast aufs Stadiondach befördert. Vier Minuten später dann der nächste Riese. Bülter aus dem Mittelfeld überragend auf den einlaufenden Björn Rother, der dann im Strafraum gleich drei Optionen hat. Statt aber den Ball halbhoch ins Tor zu heben oder alternativ Felix Lohkemper in der Mitte zu bedienen, entscheidet er sich mit einem flachen Abschluss für die schlechteste Möglichkeit und einen dankbaren Ball für den Darmstädter Keeper.

Schließlich ist es in Spielminute 33 Christian Beck, der sich in den Reigen vergebener Chancen einreiht. Er ist auf der linken Seite frei durch, überwindet Heuer Fernandes mit einem Lupfer und legt die Kugel dann aber rechts am leeren Tor vorbei. Es durfte einfach nicht wahr sein. Andererseits: Der Club war bis zu diesem Zeitpunkt die klar bessere Mannschaft und schaffte es, sich gegen biedere Darmstädter Torchancen zu erarbeiten. Torchancen! Also das, was es in Aue gar nicht und gegen St. Pauli nur sehr dosiert gab. Es geht also, und das ist eine der oben schon angesprochenen, positiven Ansätze, die man in das Ingolstadt-Spiel mitnehmen muss.

Nach so 35, 40 Minuten wurden dann auch die Gäste etwas aktiver und ließen Ball wie Gegenspieler phasenweise gut laufen. Außer einem Freistoß aus zentraler Position, den Alexander Brunst sicher halten konnte, gab es allerdings nichts Aufregendes. Tja, und während der Club sich in den letzten Sekunden der Halbzeit noch einmal in Richtung Darmstädter Tor arbeitete und eine letzte Flanke in den Strafraum ansetzte, entschied sich Schiedsrichter Schröder buchstäblich in der Bewegung, zum Pausentee zu pfeifen. Kann man natürlich so machen, ist aber Mist und sorgte dementsprechend auch für ein gellendes Pfeifkonzert beim Gang in die Kabine. 0:1 zur Pause also und wenn man der Mannschaft einen Vorwurf machen konnte, dann den, nicht mindestens eine der sich bietenden Möglichkeiten genutzt zu haben. Würde es aber so weitergehen, sollte es auch irgendwann klingeln. Also erst einmal überhaupt kein Grund zur Sorge.

Fahnen, Pyro und ganz viel Leerlauf

Das Problem war nur: So ging es nicht weiter. Vielmehr hatte man im zweiten Abschnitt den Eindruck, beide Mannschaften hatten in der Kabine die Trikots getauscht. Darmstadt kam deutlich wacher aus der Pause, besser ins Spiel und, das muss man so sagen, beherrschte die Begegnung in den zweiten 45 Minuten über weite Strecken. Ob die ersten fünf Minuten der Halbzeit da eine Ausnahme darstellten, ist schwer zu sagen, sah man von der Nordtribüne aus in dieser Zeit doch vor allem etliche blau-weiße Schwenkfahnen und die eine oder andere Seenotfackel, die den Weg auf die Nordtribüne gefunden hatte. Sachen gibt’s… Und beim DFB packt man derweil wieder den einen oder anderen Euro aus Magdeburg in die schwarze Kasse für 2024.

Das bessere Team kam nun jedenfalls aus Hessen, vermochte es allerdings nicht, trotz spielerischer Überlegenheit für richtige, echte Torgefahr zu sorgen. Ausnahme vielleicht die 57. Spielminute, in der nach einem Konter zumindest mal ein Ball aufs Tor von Alexander Brunst kam, allerdings hinter dem Kasten herunterfiel. Genau genommen gab es in Durchgang zwei neben dieser Szene überhaupt nur noch 3 echte Gelegenheiten: In der 74. Minute vergab Marcel Costly (kam nach gut einer Stunde für Felix Lohkemper) eine 100%ige Chance, als ihm der Ball nach einem schicken Magdeburger Angriff über rechts und einem missglückten Klärungsversuch von Darmstadt vor die Füße fällt, er mit mächtig Dampf in den Strafraum rauscht und den Ball dann aber neben den linken Torpfosten setzt. In der 87. Minute köpfte Christopher Handke eine Eckball-Hereingabe knapp rechts vorbei. Ebenfalls ein Kopfball nach einer Ecke bescherte Darmstadt noch einmal eine gute Gelegenheit, die Dursun aber glücklicherweise in der 68. Spielminute nicht nutzen konnte.

Aus Magdeburger Sicht insgesamt problematisch: Außer der Möglichkeit von Costly, die ihm quasi die Darmstädter Defensive aufgelegt hatte, hatte man kaum das Gefühl, der Club würde in der zweiten Halbzeit aus dem Spiel heraus ein Tor erzwingen können. Offenbar hatte man sein Pulver im ersten Durchgang schon verschossen und, naja, dann wird es eben schwierig mit so einem Ausgleich.

Dass auch das Trainerteam nichts unversucht ließ, zumindest mal auf 1:1 zu stellen, zeigen die offensiven Wechsel. Zusammen mit Costly war Manfred Osei Kwadwo für den starken Marius Bülter gekommen; später kam noch Mergim Berisha zu seinem Pflichtspieldebüt, als er nach 80 Minuten für Tobias Müller eingewechselt wurde. Alles, was unter der Kategorie „Offensivkraft“ läuft, war damit auf dem Platz, vermutlich hätte man allerdings auch noch 3 weitere Stürmer einwechseln können und es wäre an diesem Abend kein Tor gefallen. Und wenn dann in den letzten Spielminuten auch die Ecken und Freistöße nur noch halbhoch kommen und man sich überhaupt überraschend viel Zeit lässt, das Spielgerät in den gegnerischen Strafraum zu transportieren, verliert man so ein Spiel eben mit 0:1. Was im Pokal natürlich ärgerlich ist, in der Liga, auf der in dieser Saison selbstredend der Fokus liegen muss, allerdings noch deutlich ärgerlicher gewesen wäre.

Fazit

Tja. Dieses Spiel musste man nicht verlieren, sondern eher im Gegenteil so 2:1 oder 3:1 gewinnen. Positiv hervorzuheben ist sicherlich, dass Jens Härtel jetzt auch von denjenigen Spielern, die sich zuletzt auf der Bank wiedergefunden haben, einen guten Eindruck wird gewonnen haben können, wer im Moment kurzfristig weiterhelfen kann und wen man vielleicht doch besser wieder aus der ersten Elf herausrotiert. Positiv außerdem, dass es gelang, sich aus dem Spiel heraus Torchancen zu erarbeiten, von denen nur eine reinfallen muss, um der Partie eine ganz andere Wendung zu geben. Und positiv auch, dass es das Heinz-Krügel-Stadion weiterhin schafft, aus einer Spielstätte einen Hexenkessel zu machen, auch wenn der Spielverlauf hinten raus nicht unbedingt positiv war. Das sollten wir, wie gesagt, mitnehmen in das Ingolstadt-Spiel, bei dem dann durchaus das erste Mal in dieser Saison ein Dreier eingefahren werden darf. Naja, und was den Pokal angeht: Been there, done that, got the Europacup. Von daher: Glückwunsch nach Darmstadt, viel Erfolg in der 2. Runde und nicht vergessen, der Glücksgöttin Eures Vertrauens demnächst mal ein paar Opfergaben mehr dazulassen.

Gegnerperspektive

Spielbericht des SV Darmstadt 98

1 Kommentar

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