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Mechanismen

VfB Auerbach – 1. FC Magdeburg, 9. Spieltag, 2-1 (1-0)

Auch nach einer Mütze voll Schlaf und mehreren Stunden wohltuender Abstinenz von den sozialen Netzwerken und Foren fällt es mir immer noch einigermaßen schwer, einen vernünftigen Text zum gestrigen Spiel des 1. FC Magdeburg beim VfB Auerbach zu verfassen. Fakt ist, dass auch das dritte von vier Auswärtsspielen in dieser Saison verloren ging. Wenn ich in der Spieltagsvorschau davon schrieb, dass wir endlich auch mal auswärts Konstanz benötigen, dann haben wir die wohl langsam erreicht – nur eben nicht im positiven Sinne.

Fakt ist ebenso, dass wir nach 8 Spieltagen lediglich 11 Punkte gesammelt haben. Fakt ist außerdem, dass der derzeitige Spitzenreiter, Wacker Nordhausen, nunmehr 8 Punkte Vorsprung auf die Größten der Welt aufweist, wenn auch bei einem Spiel weniger. Nachholen tun wir diese noch fehlende Partie am kommenden Wochenende beim FSV Zwickau. Die bisher ungeschlagen sind und lediglich 2 Gegentore kassierten. Im Moment möchte ich an der Stelle noch gar nicht weiter denken. Und wo wir schon mal bei den Fakten sind, können wir noch festhalten, dass es derzeit punktetechnisch nach unten nur halb so weit ist, wie an die Tabellenspitze: Der Abstand zu Viktoria Berlin, der ersten Mannschaft unter dem Strich, beträgt im Moment exakt 4 Punkte. Und die haben genauso viele Spiele wie wir.

Nein, schön ist das alles nicht, und natürlich klickten bereits kurz nach Abpfiff der gestrigen Begegnung gleich die üblichen Mechanismen des Fan-Daseins. Zu lesen war von „Haste Scheisse am Fuß, haste Scheisse am Fuß“ über „Wir müssen jetzt langsam mal die Trainerfrage stellen!“ bis „Kallnik und Härtel raus!“ mal wieder so ziemlich alles; auch ich selbst nehme mich da nicht aus:

„Der @1_FCM verliert auch beim @VfB_Auerbach. Und nun, Herr Kallnik? Der nächste Dreijahresplan? Oder machen wir gleich 25 draus?“ – @FCMBlog, 03. Oktober 2014, 15:20 Uhr

Nüchtern und einigermaßen emotionsfrei betrachtet, ist eigentlich gar nichts so furchtbar Schlimmes passiert: Die Mannschaft spielt einen weitestgehend ordentlichen Ball (mit den üblichen, FCM-typischen Ausnahmen), erarbeitet sich Chancen und bringt ihre technische und spielerische Überlegenheit überwiegend auf den Platz, trifft aber eben im Moment (!) einfach das Tor nicht. So weit, so einfach, wäre da nicht die Aufbauarbeit der letzten beiden Spielzeiten, wäre da nicht das immer hohe Anspruchsdenken der Magdeburger Fangemeinde und wäre da nicht der selbst formulierte Anspruch, die Staffel gewinnen zu wollen und in die 3. Liga aufzusteigen.

Diese Gemengelage macht es eben schwierig, die Ruhe zu bewahren und die derzeitige Situation als das zu bewerten, was sie ist: eine Durststrecke, in der einfach die Ergebnisse nicht stimmen. Ich kann da jeden verstehen, der enttäuscht ist (ich bin es auch, siehe oben) und klar ist das, was unter dem Strich bisher rausgesprungen ist, für unsere Ansprüche deutlich zu wenig. Allerdings sollten wir jetzt nicht den Fehler machen, gleich wieder auf alles einzuprügeln, was bis vorgestern noch gut und richtig war. Und schon gar nicht, und das ist mein voller Ernst, die Arbeit von Jens Härtel in Frage stellen. Der ist nämlich im Moment für mich die ärmste Sau und nicht ursächlich verantwortlich dafür, dass sich in der derzeitigen Situation eben wieder mal der Unmut des Umfeldes Bahn bricht. Dass die Mannschaft unter Jens Härtel Fußball spielen kann hat sie bewiesen, dass der Trainer in der Lage ist, das Team taktisch gut einzustellen, hat er bereits gezeigt, dass Härtel in der Regionalliga erfolgreich arbeiten kann, sieht man an seiner Bilanz beim Berliner AK. Und für das Toreschießen ist beim besten Willen nun mal nicht er verantwortlich.

Vielmehr könnte man sich fragen, wie es eigentlich sein kann, dass ein vermeintlicher Top-Stürmer offenbar nur unter einem einzigen Trainer in der Lage ist, regelmäßig Tore zu erzielen. Gibt es da vielleicht doch ein Qualitätsproblem? Und ja, vielleicht kommt einem Christian Beck das Spielsystem unter Jens Härtel nicht mehr ganz so zugute wie unter Andreas Petersen, aber sollte ein Spieler im besten Fußballalter und mit Ambitionen, höherklassig spielen zu wollen, nicht auch in der Lage sein, sein Spiel entsprechend anzupassen?

Ebenfalls fragen könnte man sich, und das habe ich hier bekanntermaßen schon mehrfach getan, wie man eigentlich auf die Idee kommt, dass alles reibungslos und super weiterläuft, wenn man einen erfolgreich arbeitenden Trainer aus Egogründen absägt und einen neuen Übungsleiter mit anderer Spielphilosophie und dem Auftrag installiert, die Mannschaft doch bitte möglichst sofort in die dritte Liga zu coachen. Das kann in seltenen Fällen gut gehen, und dann gibt einem der Erfolg irgendwo recht, nur ist die Rechnung in unserem Fall nach fast einem Drittel der Saison eben (noch) nicht aufgegangen. Lieber Mario Kallnik, im Moment sieht es sehr danach aus, als hätten Sie sich ziemlich verzockt. Sollten die Ergebnisse weiterhin nicht stimmen, hoffe ich, dass Sie die Größe besitzen, das auch zuzugeben.

Nach den Mechanismen des Marktes wird es natürlich anders laufen, wir kennen das alle und haben es schon gefühlte hundert Mal gesehen und mitverfolgt: stellt sich nicht langsam Erfolg ein, wird wohl eben doch – und auch öffentlich – zuerst der Trainer in Frage gestellt und bei anhaltendem Misserfolg irgendwann entlassen. Dann kommt ein neuer Trainer, der selbstverständlich „unser absoluter Wunschkandidat“ war und völlig überraschend einen 2-3-Jahresplan mitbringt, den die Vereinsführung natürlich in vollem Maße unterstützt. Und dann wachen wir 25 Jahre später auf und spielen immer noch Regionalliga.

Jetzt ist es am Ende doch ein viel zu emotionaler Text geworden, aber was soll man machen. Man kann ja nicht aus seiner Haut. Nach 8 Spieltagen haben wir nun die erste manifeste Krise und jetzt wird sich erweisen, wie weit es her ist mit der immer wieder von Mario Kallnik propagierten, neuen Professionalität.

Fazit: Es gibt eigentlich (noch) keinen Grund, vollkommen durchzudrehen. Die Mannschaft hat die Qualität, die Tore werden irgendwann wieder fallen, die Ergebnisse wieder besser und die Kritiker dann erst mal wieder verstummen. Wenn alle die Ruhe bewahren und die Situation sensibel handhaben. Den Status als Staffelfavorit sind wir nun erst einmal los und wer weiß, vielleicht ist das auch ganz gut so. Denn soweit ich mich zurückerinnern kann, war es bisher immer so, dass Spielzeiten, in die man mit recht hohen Ansprüchen und entsprechenden Ansagen gestartet war, mehr oder weniger katastrophal, in jedem Fall aber eigentlich nie den Erwartungen entsprechend endeten. Insofern fahren wir nun nicht als Favorit nach Zwickau, ein Spitzenspiel ist es schon gleich gar nicht.

Und nach den Mechanismen des Fußballs müsste dann jetzt dort eigentlich ein überraschender, aber dafür nicht minder überzeugender Sieg herausspringen, nach dem wir dann gleich wieder himmelhoch jauchzend mit dem anvisierten Staffelsieg hausieren gehen. Weil wir nicht anders können. Weil wir eben einfach trotzdem die Größten der Welt sind.

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