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Ist das noch Fußball oder kann das weg?

Ein Kommentar zu den Ereignissen am 34. Spieltag

1. FC Magdeburg – SG Dynamo Dresden, 34. Spieltag, 2:2 (1:0)

Ich bin müde. Müde und angekotzt. So müde und angekotzt, dass ich mich nicht einmal mehr groß empören kann. So weit ist es jetzt also schon. Dabei gäbe es über das Spiel der Größten der Welt gegen die SG Dynamo Dresden so viel Positives zu berichten. Zum Beispiel, dass der 1. FC Magdeburg über eine Stunde lang überragenden Fußball gezeigt hat. Dass Dynamo – Tabellenführer und im Prinzip ja vor dem Spiel schon Aufsteiger – kaum zur Entfaltung kam. Dass bis zum 1:2 Angriff um Angriff auf das Dresdner Tor rollte und sich Dynamo bei Keeper Wiegers bedanken kann, nach einer Stunde nicht schon aussichtslos mit 0:4 oder noch höher zurück zu liegen. Dass im Stadion – zumindest bis zur Spielunterbrechung nach dem 2:2-Ausgleich – einmal mehr eine überragende Stimmung herrschte. All das könnte man schreiben. Die Geschichte lässt sich aber eben nicht erzählen ohne die ganzen Nebengeräusche, die den Spieltag begleiteten und nun wohl zur Haupterzählung dieser Partie werden. Die unter anderem von 700 Fans handelt, die nicht ins Stadion durften und von Leuchtspuren, die in Zuschauerränge geschossen wurden. Von Menschen, die mit irgendeiner Fahne im Innenraum vor dem Gästeblock posieren und von Wasserwerfern, die völlig außer Kontrolle nicht nur gegen ein paar Idioten aufgefahren werden, die nach dem Spiel irgendwelche Gewaltphantasien ausleben müssen, sondern auch und vor allem gegen friedliche Clubfans, Männer, Frauen und Kinder (!), die nach der Partie einfach nur ihr Bier (oder ihre Fanta) trinken wollten.

Ein Kommentar zu den Ereignissen am 34. Spieltag

Die Sache ist doch: Alles, was jetzt über das Spiel geschrieben (werden) wird, gab es so oder so ähnlich schon ungefähr 1.000 Mal. Wortbaukausten gefällig? Bitte sehr: Randale, Randalierer, kam es zu, Krawalle, Ausschreitungen, verletzte Beamte, aggressive Fans, werfen, schlagen, Pfefferspray, Fußball, Magdeburger, Dynamo, überschattet… Das hat die Begegnung nicht verdient.

Nach dem die Redakteur*innen der Republik sich dann austoben durften – allen voran die, die vermutlich nicht mal vor Ort waren (Hallo, dpa!) – geht ja üblicherweise das Fingerzeigen und Schulterklopfen los. „Die haben angefangen!“ – „Aber die haben doch…!“ – „Provokation!“ – „Noch mehr Provokation!“ – „Immer zweimal mehr wie Du!“ Von einem überzogenen Polizeieinsatz wird die Rede sein. Und von ‚krasser Action mit den Bullen‘ (in Variationen). Und davon, wie man es [hier Name der Fanszene einsetzen] gezeigt hätte. Und wie man sich ungerecht behandelt fühlte. „Aber ich habe doch…“ – „Wir wollten doch nur….“ – „Mimimi“.

Ich habe es so satt.

Es ist mir scheissegal, wer angefangen hat. Ob nun Dresdner vor dem Stadion einen Kontrollpunkt überrannt haben oder die Polizei aus lauter Langeweile willkürlich mal den oder den festgenommen hat. Nichts davon rechtfertigt irgendwas. Weder den Einsatz von Wasserwerfern gegen friedliche Fans, noch Leuchtspuren in einen vollbesetzten Zuschauerblock, noch Angriffe auf Polizei und Ordnungskräfte. Ich habe die Schnauze voll von bekloppten Männlichkeitsritualen, Schwanzvergleichen, Kriegsspielen und Idioten, die den Fußball nur als Bühne brauchen, um dann ihr eigenes Spiel zu spielen. Und ja, ich weiß, auch dieser Satz wurde von tausend Leuten schon tausendmal geschrieben, mit dem Unterschied vielleicht, dass ich hier die behelmten Jungs und Mädels in Uniform explizit mit einschließe. Ihr seid keinen Deut besser als die bösen, bösen Fußballfans, die in Euren schicken Berichten und Pressemeldungen dann als Sündenböcke und Rechtfertigung herhalten müssen, mal wieder schön selbst Action und Abenteuer erlebt zu haben. Hier bei uns um die Ecke gibt es einen Park, wo manchmal Menschen in Ritterkostümen und mit Schaumstoff-Waffen gegeneinander antreten. Geht doch da hin. Malt Euch schön die Vereinslogos und von mir aus noch eine Polizeimütze auf die Schilde und dann ab dafür.

Der Vierte Offizielle schrieb neulich in einem sehr großartigen Text, „[d]er Fußball […] ist komplett am Arsch“ und vermutlich hat er damit Recht, wenngleich es bei ihm eher um das ganze Kommerztheater in Bundesliga und Champions League ging. Das Schizophrene ist nur, dass diejenigen, die diesen ganzen Plastikfußballquatsch so vehement ablehnen, ihn mit ihrem Ausleben von „Werten“ und „Fankultur“, wie gestern geschehen, fleißig mitproduzieren. Und das in ihrer Verteidigung der „einzig wahren Sache“ vermutlich nicht mal merken. Welche Familie geht denn mit ihren Kindern – potentiellen zukünftigen Clubfans, wohlgemerkt – noch ins Stadion, wenn man anschließend damit rechnen muss, von irgendwelchen Erlebnisorientierten umgerannt zu werden oder die Orangina aus der Hand geschossen zu bekommen? Mit anderen Worten: Wenn „Traditionsduell“ bedeutet, sich die Sturmhaube überzuziehen, das Fangnetz vor der eigenen Kurve zu entfernen und nur darauf zu warten, sich gegenseitig aufs Maul zu geben, dann danke, aber nein, danke. Und wenn der Capo die Kurve mit den Worten „Viel Spaß beim Sachsen jagen“ verabschiedet, muss man sich über das, was dann nach einem „Traditionsduell“ so abgeht, auch nicht mehr groß wundern.

Aber ach, es ist ja müßig. Und es tut mir leid, dass ich diejenigen, die jetzt hier eine differenzierte Betrachtung der Geschehnisse und des ja wirklich auch großartigen Fußballspiels erwartet haben, enttäuschen musste. Ich habe einfach keine Lust mehr.

Ach ja, und der SG Dynamo Dresden natürlich Glückwunsch zum Aufstieg. Habt Ihr Euch verdient, feine Sportsmänner, die Ihr seid.

Und ja, möglicherweise habe ich mich jetzt doch ein wenig empört.

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