Mallorca, blau-weißer Himmel, 20+ Grad. Die Größten der Welt hatten am Ostersamstag knapp 2.000 Kilometer weiter nördlich souverän das Halbfinale im Landespokal erreicht, während ich irgendwo am Strand rumlungerte, den Fußballgott einen guten Mann sein ließ (auch, weil natürlich sämtliche interessanten lokalen Vereine Auswärtsspiele auf dem Festland bestreiten mussten) und so drüber nachdachte, was das doch für eine merkwürdige Zeit ist, die man als Anhänger des 1. FC Magdeburg und als Blogger über ebenjenen gerade erleben darf.
Ob ich an diesem Ostersamstag mein Kaltgetränk lieber im Stadion am Zoo statt an der Hotelbar genossen hätte? Sicherlich. Allerdings kommt man eben auch (oder gerade) als Blogger nicht umhin, ab und an auch mal an die Familie zu denken, die während der Saison ohnehin schon dauernd zurückstecken muss. Und wenn sich dann über die Osterfeiertage eine günstige Gelegenheit ergibt, dem regnerischen deutschen Frühlingsalltag mal für ein paar Tage gemeinsam zu entfliehen, nutzt man die besser – insbesondere, da das Herzensprojekt nun mal Hobby ist und einem hinsichtlich der Notwendigkeit, nun auch noch im Landespokal-Viertelfinale bei einem Oberligisten aufdribbeln zu wollen und anschließend einen Text draus zu bauen, irgendwann die Argumente ausgehen.
Auf der anderen Seite war der Zeitpunkt des kleinen Kurztrips – und der damit notwendigerweise verbundenen Mini-Blog-Auszeit – ungewollt eigentlich auch ganz gut gewählt. Was war seit Mai 2015 nicht alles los gewesen: Der grandiose Aufstieg in die 3. Liga, der unglaubliche Saisonauftakt, in dem Heimsieg auf Heimsieg folgte und die alten Rivalen aus Erfurt, Halle und Chemnitz jeweils mit Niederlagen nach Hause geschickt wurden. Die Wahnsinnsstimmung im Heinz-Krügel-Stadion, die sich von Spiel zu Spiel immer weiter hochschaukelte, gegen Cottbus erstmals merklich auf die Tribünen rechts und links der Nord übergriff und schließlich gegen Preußen Münster im völligen Delirium mündete, nur, um in den folgenden Heimspielen ein ums andere Mal wieder reproduziert zu werden und Besucher in ihren Bann zu ziehen, deren Zahl bisher in jedem Heimspiel locker fünfstellig war. Dann vor der Winterpause die Geburtstagsbegegnung gegen den 1. FSV Mainz 05 II, als am 21. Spieltag 23.043 Fans ihren Club und sich selbst feierten. Schließlich die obligatorische Unterbrechung, die dank 50-Jahr-Feier und Pape-Cup ja doch irgendwie keine war. Kaum steht wieder ein Punktspiel an, wird der Hallesche FC im eigenen Stadion von den Größten der Welt fein säuberlich vom Platz gefegt – unterstützt durch tausende Clubfans, die sich im Vorfeld der Begegnung auf findige Art und Weise eine ganze zusätzliche Tribüne sicherten. Nur der FC Magdeburg!
Dann plötzlich die ersten dunklen Wolken, zunächst durch die intransparente und willkürlich wirkende DFB-Hammer-Strafe von letztlich 38.000 Euro für gleich vier Vergehen und schließlich durch den eigenen Verein, der sich mit der Vergabe bzw. zunächst der Nicht-Vergabe der Gästetickets an den F.C. Hansa Rostock mal so richtig in die Nesseln setzte. Es wurde kurz stürmisch, ging aber dank guter Ergebnisse glücklicherweise trotzdem positiv weiter – eine sehr gute englische Woche mit sieben Punkten aus drei Spielen brachte Ende Februar/Anfang März schließlich den Klassenerhalt und damit auf jeden Fall ein weiteres Jahr im Profifußball. Aber nicht nur das: Die Schlagdistanz zu den Aufstiegsplätzen bedeutete, dass der Rausch weiterging – neue Ziele wurden gesetzt und vor dem einen oder anderen geistigen Auge sicherlich auch schon mal ein Blick auf potentielle Zweitliga-Reiseziele geworfen. Ich möchte mich da gar nicht ausnehmen.
Für einen Fan und Blogger sind so etwas natürlich goldene Zeiten, noch dazu, wenn man in der glücklichen (und alles andere als selbstverständlichen) Lage ist, neben den Heim- auch noch einen großen Teil der Auswärtsfahrten mitnehmen und drüber schreiben zu können. Auch, weil die eigene Familie mehr Verständnis zeigt, als man ihr eigentlich abverlangen möchte. Weiter, immer weiter geht und ging die wilde Fahrt, längst hatte man sich an den Takt gewöhnt: Spieltagsvorschau, Spielberichte, Kommentare, Presseschau. War ja auch immer was los. Anfangs die Aufstiegseuphorie – musst Du einfangen, klar. Dann der Saisonstart – würde die Mannschaft mithalten können? Dann der Hype – “Vorwärts, Magdeburger Jungs!” – weiter, weiter, unser Club ist unbesiegbar! Dann der Klassenerhalt weit vor Toreschluss – was nun? Dann die Sichtweite zu den Aufstiegsplätzen – was kann ich wissen? Was darf ich hoffen? Schließlich zwei Niederlagen am Stück. Drittligaalltag. Oberes Mittelfeld. Verhältnismäßiges Niemandsland trotz nur sechs Punkten auf den Dritten. Full stop.
Plötzlich ist der Dampf aus dem Kessel. Statt drei bis vier Texten pro Woche jetzt allenfalls noch 2, so denn gespielt wird. Oder kein Urlaub ansteht. Medienrückblick, klar, weil’s spannend ist, auch in der ‘offiziellen’ Berichterstattung über den Club zu beobachten, wie die Maschine so langsam abkühlt und dann in den Lokalredaktionen doch irgendwann der Alltag Einzug hält. Sind halt erst einmal keine weiteren Superlative in Sicht, über die es sich aufwändig zu berichten lohnt. Den drohenden Bürgerkrieg gegen Rostock konnten wir schließlich abwenden und auch im Verhältnis zwischen Fanszene und Verein ist – soweit man das beurteilen kann – nach außen hin erst einmal wieder alles Wölkchen. Spieltagsvorschau, klar, weil’s Spaß macht, sich im Vorfeld mit dem kommenden Gegner zu beschäftigen. Spielberichte, logisch, weil im Stadion immer irgendwas passiert, über das es sich zu schreiben lohnt, zumal der Fokus der ‘richtigen’ Medien dann eben doch auf anderen Dingen liegt.
Aber sonst? Skandale und Skandälchen? Fehlanzeige, und das ist gut so. Kaderplanung und Personalpolitik? Werden unaufgeregt im Hintergrund erledigt, die Dinge werden halt vermeldet, wenn es etwas zu vermelden gibt. Viele Leistungsträger haben ohnehin noch Vertrag und welche Baustellen man im Kader hat, ist längst bekannt. Dass die Vereinsführung irgendwelche abgefahrenen Transferentscheidungen trifft, ist sowieso nicht zu erwarten, Spekulationen in diese Richtung sind daher gleichermaßen sinnlos wie fehl am Platz.
Verdammt, Herzensclub, wann bist Du eigentlich wieder ein ganz normaler Fußballverein geworden?
Am Strand auf der Insel wird es derweil etwas zugig, der blau-weiße Himmel inzwischen eher bewölkt als blau. Am nächsten Tag ist Abreise. Der Ticker vermeldet, dass der kommende Gegner, den man zum Flutlichtspiel im Heinz-Krügel-Stadion wird begrüßen können, gerade Dynamo Dresden geschlagen und das Finale im Sachsenpokal erreicht hat. Schön, aber was heißt das jetzt für uns und unsere Partie am 32. Spieltag? Und wen kennt man denn eigentlich so, den man für die Spieltagsvorschau gegen Aue mal kontaktieren könnte für ein paar O-Töne aus dem Lager der Gastmannschaft? Das Spiel ist ja auch schon Freitag – ein Blick auf den Kalender verrät, dass die Vorschau dann wohl der nächste Text ist, der im Blog erscheinen wird. Gibt ja auch sonst nicht groß was zu erzählen, auch wenn die Blogpost-Frequenz ruhig höher sein könnte. Verdammte Aufmerksamkeitsökonomie. Aber spekulieren und weitestgehend substanzlos rumanalysieren, nur, um was erzählt zu haben? Das ist doch eher was für die BILD.
Und eigentlich, eigentlich ist doch alles gut. Genau so, wie es ist.
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