1.FC Magdeburg – SC Preußen Münster, 16. Spieltag, 3-0 (2-0)
Was. Für. Eine. Atmosphäre! Als Augenzeuge eines großartigen Ereignisses neigt man ja schnell zu Superlativen, aber dieses Spiel bzw. eher noch: diese Arena, diese Fans haben das Prädikat “einfach unglaublich” wirklich mehr als verdient. Ich hätte nie geglaubt, dass sich ein ganzes Stadion, dass sich knapp 16.000 Menschen tatsächlich in so etwas wie Trance feiern können – jetzt weiß ich es besser. Will man bei den nüchternen Fakten bleiben, dann schlugen die Größten der Welt am 16. Spieltag der 3. Liga 2015/2016 eine sehr gute Mannschaft aus Münster am Ende auch in der Höhe verdient mit 3-0, was für die Gäste die erste Auswärtsniederlage der Saison und für Blau-Weiß einen ganz wichtigen Dreier in einer potentiell richtungsweisenden Saisonphase bedeutete. Das Spiel aber lediglich auf das Geschehen auf dem Rasen zu beschränken, würde der Veranstaltung in keiner Weise gerecht werden. Was am 16. Spieltag passierte, war nicht weniger als eine Demonstration. In mehr als nur eine Richtung.
Los ging es aber erst einmal mit den Gästen aus Westfalen und wer weiß, ob der Nachmittag genau so euphorisch verlaufen wäre, wenn die Preußen eine (oder mehrere) ihrer zahlreichen Chancen in den ersten 10 Minuten konsequent genutzt hätten. Die Auswärtsmannschaft körperlich präsenter, im Kopf schneller und vor allem mehr als einmal gefährlich vor dem von Jan Glinker gehüteten Tor mit zum Teil völlig freier Schussbahn. Der Fußballgott musste sich an diesem Tag wohl wieder für die blau-weiße Unterwäsche entschieden haben.
Auffällig in der Anfangsphase: Ein nicht unerheblicher Teil der Münsteraner Angriffsbemühungen lief über die Seite, die Ryan Malone verantwortete – da hatte in der Spielvorbereitung wohl jemand eine kleine Schwachstelle ausfindig gemacht… Ironie des Schicksals (möglicherweise aber auch nur purer Zufall), dass die gefährlichen Situationen vor unserem Tor ab dem Moment im Spiel (also quasi ab der 22. Minute) merklich abnahmen, in dem Malone verletzungsbedingt ausgewechselt werden musste, Burak Altiparmak auf links hinten rutschte und der für Malone eingewechselte Tarek Chahed ins linke (offensive) Mittelfeld rückte. An dieser Stelle auf jeden Fall gute Besserung an unseren “Lieblingsamerikaner” (um den Stadionsprecher zu zitieren); das sah alles andere als gut aus…
Was Preußen Münster bei zum Teil klarsten Gelegenheiten nicht gelang, machte der 1. FC Magdeburg in Person von Christian Beck in der 10. Minute deutlich besser, als er einen Steilpass von Kapitän Sowislo gut mitnahm und die Kugel mit einem satten Schuss knochentrocken rechts in Münsteraner Tor versenkte – ein Treffer, der in dieser Phase vielleicht etwas überraschend kam, aber zu einem besseren Zeitpunkt gar nicht hätte fallen können. 1. FC Magdeburg? 1! Preußen Münster? 0. Das Stadion rockte zum ersten Mal.
Das spielerisch gefälligere Team blieb im weiteren Verlauf aber Münster, das zeigte, warum sie zu Recht auf dem zweiten Tabellenplatz stehen. Allein, wenn Du die Dinger vorn nicht machst… wir alle wissen, wie solche Geschichten meistens enden. In diesem Fall endete sie mit einem Solo von Lars Fuchs, der das 2-0 kurz vor der Pause mit einer Aktion erzielt, wie vielleicht auch nur ein Lars Fuchs sie bringen kann: Hätte er gekonnt, hätte er vermutlich noch einmal eine kleine Ehrenrunde durch den Strafraum gedreht und alle verfügbaren Verteidiger ein zweites Mal ausgespielt. So aber schlug er nur ungefähr 7 Haken, um das Spielgerät dann zum 2-0 in die Maschen zu befördern. Ein Wahnsinnstor, das ich mir vermutlich in den nächsten Tagen noch einige Male anschauen werde. Es war im Übrigen die zweite Torgelegenheit für die Größten der Welt. Sagte der Trainer vor dem Spiel nicht noch sinngemäß, dass Preußen Münster nur wenige Chance zulassen würde und wir die dann halt konsequent nutzen müssten? Ein Fuchs, der Härtel. Sozusagen.
Dann war Halbzeit und so richtig mochte man dem Braten noch nicht trauen, der einem da in Form der Pausenführung vorgesetzt wurde. Schließlich war nicht zu übersehen, dass die Münsteraner eigentlich jederzeit in der Lage waren, aus dem Spiel heraus Torchancen zu kreieren und wenn dann schnell der Anschluss fällt… lieber gar nicht weiter drüber nachdenken.
An dieser Stelle wäre vielleicht noch wichtig, zu erwähnen, dass es zum Ende der ersten Halbzeit bereits einen recht ordentlichen “Vorwärts, Magdeburger Jungs!”-Wechselgesang mit den Blöcken 7 und 8 auf der Gegengerade gab, der einige Haupttribünen-Besucher wohl dazu bewogen haben muss, in ebenjenen Wechselgesang mit einzustimmen. Also begann die zweite Halbzeit mit der irgendwie etwas ulkigen Information des Capos, dass er Nachricht erhalten hätte, Block 24 hätte Bock, mitzumachen, und man würde das jetzt einfach mal probieren – “Hat ja vorhin mit der Gegengerade schon ganz gut geklappt.”
Was dann folgte, habe ich in den Jahren, die ich jetzt ja doch schon zum Fußball gehe, vorher noch nicht erlebt.
Die Nordtribüne stimmte ein donnerndes “Vorwärts, Magdeburger Jungs!” an, sang einmal durch und gab dann ab an Block 8. Die setzten ein, etwas zaghaft am Anfang, dann aber doch mit ganz guter Beteiligung. Jetzt war die Haupttribüne dran – ob das wohl klappen würde? Der Blick ging also nach rechts und siehe da – auch in 24 zog man mit, und das auch überraschend gut. Also ab in die zweite Runde – wieder die Nord, dann die Gegengerade, auf der inzwischen auch in 9 und 10 gesungen wurde, wieder zurück zur Haupttribüne, wo man mittlerweile auch bis an die VIP-Plätze heran gute Mitmachquoten erreichte… Um es kurz zu machen: Die ganze Geschichte nahm spätestens ab dem 3. Durchgang dermaßen Fahrt auf, dass es bis zur 62 (!) Minute dauerte, bis ich das erste Mal wieder wirklich bewusst wahrnahm, was da unten auf dem Rasen eigentlich passiert. Kein Witz.
Wechselgesangstechnisch wurde inzwischen das ganze Programm aufgefahren, mit Block U und der Nordtribüne als Epizentrum und Antreiber: Die Nord klatschte mit den Händen über dem Kopf – die anderen Tribünen taten es ihr gleich. Die Nord hakte sich ein und hüpfte – und plötzlich hüpften nacheinander auch Gegengerade und Haupttribüne. Die Nord ließ die Schals kreisen – das ganze Stadion zog nach. Die Nord – Achtung – setzte zur Blockpolonaise an – und plötzlich bewegte sich ein ganzes Stadion erst nach links, im nächsten Durchgang dann nach rechts in den jeweiligen Blöcken. Und zwar alle. Und ja, auch die im VIP-Bereich. 16.000 Menschen. Irre. Krank. Absoluter Wahnsinn.
Naja, und anderswo lässt man sich halt feiern, weil man es schafft, ein Stück Stoff einigermaßen koordiniert von unten nach oben ein paar Tribünen hochzugeben.
Als ich dann nach gut 20 Minuten wieder zuschauend am Spiel teilnahm, sah ich ein Team von Preußen Münster, das sich redlich bemühte, zum Anschlusstreffer zu kommen und einen Gastgeber, der nicht nur dagegen hielt, sondern nun seinerseits die Räume für Konter nutzte, ohne aber frühzeitig für die Entscheidung sorgen zu können. Was aber eigentlich auch vollkommen egal war – zu diesem Zeitpunkt war eigentlich schon klar, dass der Sieger in dieser Begegnung nur “1. FC Magdeburg” heißen konnte. Und um noch mal ganz deutlich zu machen, wie das bei uns in Magdeburg so läuft, wurde der Gästeblock vom ganzen (!) Stadion noch mit einem lauten “Seht Ihr, Münster, so wird das gemacht!” bedacht. Solche Momente sind es, an die man sich vermutlich sein ganzes Fan-Leben erinnern wird.
Irgendwann fiel sie dann doch noch, die Entscheidung, indem Kapitän Sowislo im richtigen Moment startet, Torwart Lomb (letzte Saison noch beim HFC) umkurvt und nur noch ins leere Tor einschieben muss. Und als wäre das alles nicht schon großartig genug, bat der Capo die Mannschaft nach dem Spiel, nicht nur mit der Nord, sondern mit dem ganzen Stadion einzuklatschen, sich also auch der Haupt- und Gegentribüne zuzuwenden und so noch einmal zu demonstrieren, dass wir alle zusammen dieses Ding heute nach hause gebracht haben.
“Live ist nur im Stadion” – nie war dieser Satz wahrer als an diesem 16. Spieltag. Genauso übrigens wie das gute, alte “Sitzen ist für’n Arsch!”- es standen über weite Strecken der 2. Halbzeit ja sowieso alle. Das muss man erlebt haben – für solche Spiele fährt man zum Fußball. Danke an alle für ein unglaubliches Heimspielerlebnis, an dessen Ende wahrlich niemand mehr einen Zweifel hegen kann: “Die Nummer Eins der Welt sind wir!”
Nächster Halt: Großaspach!
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