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„Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist …“

Dirk Breitung

Ein Gastbeitrag von Dirk Breitung

Bereits einige Tage sind nach dem Aufruf, einen Saisonrückblicks-Gastbeitrag zu verfassen, vergangen und immer wieder schießen Gedanken wie Bilder an meinem geistigen Auge vorbei, doch irgendwie fehlt mir der Anfang, ein roter Faden, der Berg verworfener Skripte wächst und wächst. Wie gesagt, es ist Sonntag, ich stehe unter der Dusche und das Wasser plätschert an meinen Ohren vorbei (wer jetzt hofft, ich biege gleich in ein anderes Genre ab, den werde ich hier enttäuscht zurücklassen müssen, es geht ja schließlich um den 1.FC Magdeburg) und da blitzt es plötzlich auf…

Die Vorbereitung auf die 2. Liga begann für mich bereits in der Woche nach unserem euphorisch gefeierten Sieg gegen Fortuna Köln. Meine damalige Ausgangslage: Jungfan ohne festen Stammplatz und von den 57 Drittligaheimspielen fast alle im HKS live erlebt. An dieser Stelle hole ich mal kurz etwas weiter aus. Auch wenn sich mein erster Kontakt mit dem Club bereits am 18.08.1984 auf eindrucksvolle Weise in meine Erinnerungen einbrannte, sollten weitere 30 Jahre vergehen, um diesem Club in Gänze zu verfallen.

Damals, als junger Mann und wohnhaft in Brandenburg a.d. Havel, unterstützte ich mit „Stahl Feuer“-Rufen die BSG Stahl Brandenburg. An besagtem Tage hinterließen die brachialen Schlachtrufe aus mehr als 5.000 Magdeburger Kehlen durchaus Wirkung. Genau diese Brachialität küsste mich erneut am 27.05.2015, beim Relegationsspiel gegen Offenbach, und obwohl ich seit 2000 die Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts meine Heimat nenne, war das mein erster Aufenthalt im HKS. Als dann kurz vor Anpfiff Kinder, Frauen, Männer unterschiedlichsten Alters völlig selbstverständlich und mit dieser unbändigen Kraft ein Kinderlied in den Abendhimmel brüllten, wandte ich mich, mit ’nem feuchten Auge, einer Gänsehaut sowie den Worten „Leonie, jetzt haben se mich“ meiner Tochter zu. Was das 3 Jahre später für den Club und mich bedeuten würde, konnte ja keiner ahnen.

Da war sie nun, die Gewissheit, mindestens 2018/2019 zählen wir zu den Top 36 Mannschaften Deutschlands und das Faninteresse würde mit hoher Wahrscheinlichkeit noch einmal anwachsen. Keine Ahnung, ob da schon tatsächlich feststand, dass es keine neuen Dauerkarten (Block1 stand da auf unserer Favoritenliste) geben wird, das ist aus meiner Erinnerung bereits gelöscht. Somit blieb die einzige Chance, mit einer hohen Wahrscheinlichkeit an Eintrittskarten zu gelangen, die Mitgliedschaft (… Ich kann Euch alle hören … 😉 ). Was soll ich sagen, bis auf den Vorverkauf für das Spiel bei Union klappte es hervorragend.

Wieder zurück zur Vorfreude auf diese neue Unbekannte und zu dem Gefühl, so eine lange Sommerpause gab es für uns noch nie. Das ist wahrscheinlich das Los, wenn du den Aufstieg einen Monat vor dem regulären Saisonabschluss in der Tasche hast und sogar einen weiteren Grund bekommst, ein zweites Mal zu feiern, eine kleine Erinnerung an unser Fest in Lotte, im Übrigen mein erstes Auswärtsspiel.

Mit der Euphorie des Drittligameisters erfuhren wir auf der Rückfahrt, dass sich neben dem 1.FC Köln nun auch mit dem „Dino“ zwei Schwergewichte des deutschen Fußballs ein Stelldichein in der 2.Bundesliga geben. Gesteigert wurde die gute Stimmung, als wir bei der Nahrungsaufnahme an einer Raststätte auf eine Gruppe „Effzeh“-Fans trafen, die gerade das letzte Spiel ihres Vereins in Wolfsburg begleitet hatten. Zuhause angekommen und von den Emotionen übermannt, versprach ich dann auch gleich meiner Tochter: „Die Spiele in Köln und beim HSV, außer an einem Montag, besuchen wir gemeinsam“, ohne zu beachten, dass ein Dritter hier noch ein starkes Wörtchen mitreden könnte.

Selbst die Fußball-WM, als erhoffter Zeitvertreib, schaffte keine Abhilfe und ließ mich noch während des ersten Spiels der deutschen Nationalmannschaft folgende Aussage treffen: „Fußballbegeisterung in Magdeburg beginnt erst wieder im August“. Dann kam er endlich, dieser 05.08.2018 und hinzu eine bis dato ungewöhnliche Anstoßzeit. Trotz eines Termins im Vorfeld schaffte ich es gerade noch rechtzeitig zum verabredeten Treffpunkt. Schnell noch ein Bier am „Zolleck“ , um dann an der Brücke den Fanmarsch zu erwarten und mit einem fetten „Fußballclub Magdeburg“ in die neue Saison zu starten.

Und sie fing so gut an … Christian Beck im Anschluss auf sein erstes Zweitligator angesprochen, „Ein, zwei Meter mehr und der Abwehrspieler kommt da noch ran“, blieb da positiv bei mir hängen. Mit Blick auf die gesamte Spielzeit ein Mittel, was leider zu selten genutzt wurde, einfach mal mit dem ersten Kontakt der Schuss auf’s Tor. Mein subjektives Gefühl wurde eines Tages bestätigt, als ich Trainingssequenzen verfolgen durfte. Hier wurde der Ball nach einem gespielten Pass erst angenommen, vorgelegt und erst dann der Abschluss gesucht, abgelaufene Sekunden, in der jeder Gegner einen Fuß dazwischen stellen kann. Zu oft wurde uns das auf dem Platz zum Verhängnis.

Sportlich fehlt mir jegliche Kompetenz, das weiter zu analysieren, zumal hierzu schon oft Finger in offene Wunden gelegt wurden. Doch noch kurz: Was alle drei Spiele gegen Darmstadt gezeigt haben, sind fehlende schauspielerische Fähigkeiten, als selbst 70/30-Situationen für die Guten zu Gunsten des Gegners entschieden wurden. Ich bin kein Freund von derlei Kunst und ziehe jeder Theatralik die mir in Erinnerung gebliebene Reaktion von „Torpedo“ vor, der selbst nach einem rüden Foul sofort wieder aufgestanden ist und versucht hat, das Spiel schnell zu machen.

So rann der Sand durch die Uhr und die Punkte wanderten zu den Konkurrenten, doch nie hatte ich das Gefühl, wir wurden zerlegt oder an die Wand gespielt. Für die Einen zu früh, für die Anderen zu spät kam dann der November und die Entscheidung gegen eine Person. Für mich durchaus zwei Wochen der Lähmung, des Stillstandes, zu groß die Ehrfurcht vor dem Erreichten …, gleichzeitig, und so perfekt auf der Mitgliederversammlung kommentiert, eine Entscheidung für den Club, das große Ganze.

Ja, meine Entscheidung für die Mitgliedschaft im April war vielleicht niederen Gründen geschuldet, jedoch eine gelebte. Somit stand der Abend des 22.11.2019 in den Farben Blau und Weiß und auch in meinem Kalender. Gerne möchte ich bei allen Kontroversen den Ton im Umgang miteinander positiv hervorheben. Auch wenn ich für den Verbleib der Presse gestimmt habe, feierte ich dann doch das Ergebnis des Ausschlusses von dieser Mitgliederversammlung. Auch im weiteren Verlauf, den man vielleicht etwas hätte einkürzen können, fühlte ich mich dann eins und von Euch aufgenommen, danke! Wie an anderer Stelle ausführlich herausgestellt: Läuft die Saison anders, hätten wir die wiedererlangte Freude am Spiel, die mannschaftliche Geschlossenheit und das Vertrauen auf die eigene Leistungsfähigkeit einen Abend später in 3 Punkte umgewandelt.

So führte es uns weiter zu verpassten 10 Minuten und dem oben bereits erwähnten „Dritten“ sowie der Erkenntnis: „Das „F“ in Montag steht für Fußball“.

Dank der Funktionäre von DFB und der DFL inzwischen der Lieblingsspruch meiner Tochter (diesen kann man tatsächlich auf viele Lebensumstände umwandeln…. 😉 ) und ein leider gebrochenes Versprechen. Auf ein an dieser Stelle sehr gut passendes „…….. DFB“ verzichte ich hier, werfe aber mal einen Blick auf ein paar Ansetzungen der beiden ehemaligen Erstligisten:

HSV – Köln, HSV – Union, HSV – Dresden, HSV – 1. FC Magdeburg sowie
Köln – Union, Köln – 1. FC Magdeburg,  Köln- HSV, unschwer zu erraten, alles Spiele an einem Montag. „Ein Schelm, wer Böses dabei denkt“.

Von der aufkommenden Euphorie im Jahr 2019 angesteckt, dann meine erste Auswärtsfahrt der laufenden Spielserie. An dieser Stelle mal ein fettes Lob an alle Verantwortlichen von organisierten Auswärtsfahrten sowie natürlich auch an jeden Einzelnen, der den Club in der Ferne unterstützt.

In Bielefeld angekommen und aus dem Bus gestiegen, erhob sich vor uns, im Strahle der Sonne und trotzdem leicht diesig, mystisch die „Bielefelder Alm“. Wenn man sich dann irgendwann auf Tour begibt, achtet man doch etwas genauer auf die Außentöne, als man es im und am HKS „betriebsblind“ handhabt.

Je näher wir zum Stadion kamen, desto so leiser wurden genau diese Töne, alles entspannt. Von kriegsähnlichen Zuständen keine Spur. Wenn mein Eindruck hier zählt, ein sehr gut durchdachter Einlassbereich für uns Gäste. Ein bisschen eigenwillig dann der Blick aus dem Stehblock, soweit über die Seitenlinie hinaus.

Was für eine Gänsehaut, wenn du live das erlebst, was man sonst am Bildschirm anerkennend bewundert. Mit dem 3:1 war die Rückfahrt sehr feuchtfröhlich und in den kommenden Tagen die Hoffnung immens groß.

Der Bruch kam dann mit dem Spiel in Duisburg. Christian Beck (solltest Du das hier lesen), verzeihe mir bitte dieses Wortspiel … In der Hoffnung auf Deine vollständige und Deine weiter fortschreitende Genesung ziehe ich hier meinen Hut vor Deinem Willen, dem 1. FCM auf dem Platz helfen zu wollen und vor Deiner schnellen Rückkehr zur Mannschaft. Denn mit dem Spiel beim HSV hast Du bewiesen, wie wichtig Du mit Deiner Präsenz warst und hoffentlich in Zukunft auch sein wirst. Philip Türpitz kommt nur frei zum Schuss, weil Du mal wieder 2 Abwehrspieler beim Kopfballversuch bindest.

Doch zwischendurch noch der Trip elbaufwärts. Mann, hatte ich einen Respekt vor dieser Reise, was können wir noch, nach den beiden Spielen gegen den jeweils Letzten, sportlich leisten und aus Fansicht, wiederholen sich die gemachten Erfahrungen Einiger aus vergangenen Zeiten?

In beiden Fällen völlig unbegründet. Eine angenehme Anreise, entspannte Situation mit dem abseits gelegenen Gästeparkplatz, zum Plausch und Lachen aufgelegte Polizisten, durch den Bustransfer ein gut fließender Strom beim Einlass, mächtige Stimmung im Block ohne großer Gegenwehr sowie einem Spiel, was wir leider nach dem aberkannten, aber regulären 2:0 leichtfertig in ein Unentschieden gemünzt haben.

Hoffnung, immer noch Hoffnung, bestärkt durch den Auftritt beim selbsternannten Aufstiegskandidaten. Allen, die dabei sein konnten oder durften, gönne ich dieses Erlebnis, erst recht denen, die seit Jahren zum Club stehen. Wir (meine Tochter und ich) wären gerne dabei gewesen.

Die Atmosphäre in einem annähernd so großen Stadion durfte ich 1987 beim Halbfinale Lok Leipzig – Girondins de Bordeaux , als einer von 93.000 Zuschauern, im Leipziger Zentralstadion verfolgen und zehre auch heute noch hiervon.

So blieb es nur bei beim ekstatischem Ausrasten im „Lion“ und einer breiten Brust im Abstiegskampf. Im Auf und Ab der folgenden Wochen trieb es mich dann noch nach Regensburg und in ein Stadion, dem man sofort seine Herkunft anmerkt. Direkt an der Autobahn gelegen, auf dem Reißbrett wahrscheinlich schön anzusehen, mit einem gut durchdachtem Gästebereich, jedoch für meinen Geschmack zu sterilem Gesamteindruck.

An diesem Ostersonntag hatte ich das Gefühl, mit Hilfe einer Zeitmaschine in die Zukunft zu reisen. Animation auf dem Vorplatz, (einmal falsch abgebogen bei der Suche des Presseparkplatzes, danke, Eroll, für das gesparte Parkticket 😉 ) Animation hier, Sekt da und als Höhepunkt ein Bierfassschießen in der Halbzeitpause …

… Hilfe, wenn so das Fußballerlebnis der Zukunft aussieht. Zu allem Überdruss eines vermeintlich perfekt geplantem Gesamtkonstruktes Stauchaos bei der Abreise.
Mir ist durchaus bewusst, dass es uns mit dem HKS in Punkto Bauweise ähnlich geht, jedoch ist der Standort historisch und ehrwürdig und bietet bei der An- und Abreise gewachsene Strukturen. Besonders, wenn man regelmäßig im „Silkes Zolleck“ einkehrt und sich die Chance ergibt, mit neutral gekleideten Gästefans, die ebenfalls selbiges für sich entdeckt haben, ins Gespräch zu kommen.

So kann eben Fußball auch sein, ein Austausch u.a. mit einem HSV-Fan, einem Pärchen, deren Herz für St. Pauli schlägt sowie jüngst einem Paar aus Fürth. Auch hierfür kann man mal „danke“ sagen.

Die Spiele gegen Fürth und Bochum waren am Ende wie der sprichwörtliche Tod auf Raten und mündeten auf der Zielgeraden mit den Spielen gegen Union und den 1.FC Köln.

Ich hatte mich gedanklich schon im „Fan“ platziert um dort das Spiel gegen Berlin zu verfolgen, als mich am Freitag ein Geschäftspartner anrief. „Hier sitzt eine junge Dame und fragt, ob ich jemanden kenne, der Interesse an Auswärtskarten für den kommenden Sonntag hat“. Aufgeregt rief ich ihm zu: „Halte sie fest, ich bin in ein paar Minuten im Büro“. Sorry, Diana (Sektion Twitter), dass Du dann doch etwas länger warten musstest.

Mit dem FlixBus nach Berlin und 2 Runden im Schritttempo um das Messegelände (Sperrung des ZOB wegen einer Laufveranstaltung) ließen meinen Puls ein wenig steigen, der sich jedoch mit einem „Dirk, keine Sorge, es ist noch genügend Zeit auf der Uhr“ aus dem Unterbewusstsein wieder beruhigen ließ. Nach über einer Stunde Verspätung endlich der Halt irgendwo in Charlottenburg, wie sich zum Glück schnell herausstellte Nähe S-Bahnhof Charlottenburg, und ein paar Zeigerumdrehungen später der ausgemachte Treffpunkt „Alex“.

Nach einer Stärkung ging es mit dem Sonderzug Richtung Köpenick. Vom Bahnhof zum Stadion überall Polizei und die Frage, was jetzt anders ist als noch eine Woche vorher, Entspannung auf beiden Seiten. Sogar für ein Schmunzeln ist die Berliner Polizei zu haben.

Ich greife mal eine Situation nach Spielschluss auf, da es hier besser passt. Beim Warten auf die gesamte Rückreisegruppe wurde ein unauffällig gekleideter Magdeburger mit dem Hinweis einer strikten Fantrennung gehindert, eine Abkürzung zu nutzen, als in unmittelbare Nähe (3-4 Meter) besagter Beamter und hunderten FCM-Fans eine Gruppe Rot-Weißer auftauchte …

Wir sind jetzt wieder vor dem Spiel.

Im Block angekommen, mein Blick von links nach rechts und zurück, cooles Stadion … Schnell durften wir uns mit dem endgültigem Abstieg anfreunden und nach ein paar Runden stimmte ich ebenfalls zum „Dritte Liga tut schon weh, …….egal, Blau-Weiß, olé“ ein. In dieser Situation hatte es etwas Befreiendes. Ja, auch ich möchte lieber Spiele des Clubs oberhalb dieser Dritten Liga sehen und stimmungsvoll begleiten. Eines durfte ich im Leben aber auch lernen:

„Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist …“.

… und so brüllte ich mir den Frust von der Seele … Dann war Schluss und Ruhe im Block. So blöd es klingt, stillschweigend mit dem gestrecktem Schal über dem Kopf, den Moment, als die Jungs zur Kurve schritten, würde ich jetzt mal „einen Schlussstrich ziehen“ nennen. Denn was sieben Tage später im HKS passierte, war wieder geprägt von Zuversicht, bedingungsloser Unterstützung und Geschlossenheit in Erwartung der neuen Herausforderungen.

Gehen wir sie an und halten uns hoffentlich an den Satz eines Trainers, der nach einem gewonnenem 5:4, auf die 4 Gegentore angesprochen, folgendes sagte:

„Immer ein Tor mehr geschossen als der Gegner ist gewonnen …“

Danke für diese Erfahrung, doch zu gerne möchte ich erneut bei „liga3-online“ lesen: „Macht’s gut, 1.FCM, Ihr seid zu groß für die Dritte Liga“

und wünsche mir dann den Zusatz

„ … auf nimmer Wiedersehen!“

Eine schöne, kurzweilige Sommerpause!

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