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„…und dann gehen wir in eine bessere Zeit!“

30. Spieltag

SSV Jahn Regensburg – 1. FC Magdeburg, 30. Spieltag, 1:0 (1:0)

Wie die Zeiten sich doch ändern. Am 21.04.2018 war die blau-weiße Welt in bester Ordnung, mit dem Heimsieg gegen Fortuna Köln machte die Mannschaft den Aufstieg in die 2. Liga klar. Menschen stürmten den Rasen, lagen sich in den Armen und machten am Hasselbachplatz die Nacht zum Tag. 12 Monate und die 13. Niederlage im 30. Zweitligaspiel später ist von der damaligen Partystimmung nicht mehr allzu viel geblieben. Das 0:1 in Regensburg ist nun schon das vierte der Rückrunde, der direkte Klassenerhalt immer weniger eine Option und der Abstand zum ersten direkten Abstiegsplatz auf ein mageres Pünktchen geschrumpft. Schlimmer aber noch: Die Abwehrleistung zumindest in der ersten Hälfte (Alexander Brunst im Tor explizit ausgenommen) war nicht zweitligareif, die Offensivbemühungen blieben sehr überschaubar. Im zweiten Durchgang wurde es dann zwar etwas besser, nur: Wenn man auch klarste Torchancen liegen lässt, wird man in dieser Liga eben keine Punkte holen. Und das ist dann unter dem Strich doch einigermaßen ernüchternd. In 12 Monaten einmal die komplette Gefühlsklaviatur durchspielen kann vermutlich auch nur der 1. FC Magdeburg.

Wie FIFA im Einsteigermodus

Durch die Verletzung von Philip Türpitz und die Gelbsperre von Dennis Erdmann war Trainer Michael Oenning zum Umbauen seiner Startformation gezwungen, beim Aufwärmen musste zu allem Überfluss auch noch Jan Kirchhoff mit muskulären Problemen passen. Optimal. Dir bricht eine komplette Stammspieler-Achse weg, Du brauchst jeden Punkt und dann wird das Spiel auch noch von Thorben Siewer geleitetet, der Dich in der Hinrunde gegen Ingolstadt nach allen Regeln der dunklen Schiedsrichter-Kunst mal sowas von komplett verpfiffen hat. Was sollte da noch groß schiefgehen? Die Mannschaft, die letzten Endes begann, stellte sich jedenfalls mehr oder weniger selbst auf: Alexander Brunst hütete das Tor, Timo Perthel, Tobias Müller, Steffen Schäfer und Björn Rother bildeten die Abwehrkette, für Kirchhoff spielte Hammann auf der Sechs. Davor dann Charles Elie Laprevotte und Rico Preißinger, in der Offensive Bülter, Beck und Lohkemper. Und klar, hinterher kann man natürlich trefflich darüber philosophieren, ob das die beste aller möglichen Anfangsaufstellungen war (Warum kein 4-4-2? Warum nicht Ignjovski auf die Sechs?), aber so ging es nun einmal ins Spiel.

Die erste Halbzeit hielt in etwa das, was man angesichts der eben geschilderten Begleitumstände fast befürchten musste. Der FCM kam immer mal vor das Tor, ja, aber die deutlich gefälligere, zielstrebigerer, plan- und druckvollere Mannschaft, was das Offensivspiel betraf, trug in den ersten 45 Minuten die rot-weiße Kluft. Bereits in der 3. Minute war Regensburgs Marco Grüttner rechts an der Strafraumkante und der Grenze zum Abseits angespielt worden, sah seinen Schuss dann aber noch von einem Magdeburger Abwehrbein geblockt. Später waren es neben Grüttner vor allem Adamyan und Al Ghaddioui, die die blau-weiße Abwehrkette immer wieder vor große Probleme stellen konnten. Dazu kam Jann George, der eigentlich zu keinem Zeitpunkt zu kontrollieren war.

Das Muster war dabei immer ähnlich: Regensburg machte irgendwo auf dem Platz das Spiel schnell, kam relativ problemlos hinter die Abwehr und konnte von dort scharf in die Mitte spielen, wo mehrere Abnehmer auf die Bälle warteten. Das sah phasenweise so aus, als würde man FIFA im Einsteigermodus zocken.

Die Angriffsaktionen der Größten der Welt waren derweil deutlich überschaubarer. In der vierten Minute probierte es Bülter mal aus der zweiten Reihe, setzte seinen Schuss aber ein gutes Stück zu hoch an. Kurz darauf mal eine längere Ballbesitzphase in der Regensburger Hälfte, die mit einem Eckball von links begann, mit mehreren Versuchen, die Lücke zu finden, weiterging und schließlich mit einem weiteren klugen, aber unpräzisen Fernschuss links am Tor vorbei endete. Dann gab es noch einen Kopfball von Christian Beck nach einem langen Perthel-Freistoß in der 22. Minute, den André Weis im Regensburger Tor problemlos halten konnte und einen Abschluss von Charles Elie Laprevotte in Spielminute 33, bei dem ebenfalls Weis den Einschlag in die untere linke Ecke verhinderte. Das war es dann im Großen und Ganzen aber schon.

Dafür hatte (man soll ja immer die positiven Dinge sehen) Alexander Brunst gleich mehrere Gelegenheiten, sich auszuzeichnen, die er allesamt auch nutze. Nach einem Missverständnis seiner Vorderleute in der 9. Minute war er mit einer starken Parade im Eins gegen Eins mit Al Ghaddioui zur Stelle, nach 16 Minuten und einem unschönen Zusammenprall mit Marco Grüttner bewies er Nehmerqualitäten und konnte nach einer kurzen Behandlungspause weiterspielen. Dass nichts weiter passiert war, bewies unsere Nummer 30 dann direkt in der 18. Minute, als er sich einen gefährlichen Ball von Adamyan im Nachfassen packte, den dieser über links kommend auf den kurzen Pfosten gezogen hatte.

Machtlos war dann allerdings auch Alexander Brunst nach 20 Minuten, als Regensburg zur längst verdienten Führung traf und dabei von reichlich Konfusion in der blau-weißen Hintermannschaft profitierte. Erneut lief es für die Hausherren über links; Adamyan hatte in der Mitte gleich mehrere Anspielstationen und letzten Endes war es dann Grüttner, der den Ball blitzeblank über die Linie drückte. Was soll man dazu noch groß sagen? Das ging für den Club alles viel, viel zu schnell. Und für Regensburg irgendwie zu einfach, was vermutlich die andere Seite der gleichen Medaille ist.

Den nächsten Riesen ließen die Hausherren dann nach 34 Minuten liegen: Der überragende Jann George war es diesmal, der mit Tempo zur Grundlinie kam; seine flache Hereingabe konnten gleich zwei Kollegen nicht verwerten. Unerklärlich eigentlich. Ganz am Ende der Szene war es dann Brunst, der noch einmal stark parierte. Vorher (in der 27. Minute) war es Regensburg sogar möglich, den Ball von der Grundlinie aus komplett durch den Strafraum zu spielen. Der anschließende Schlenzer von Benedikt Saller rauschte dann knapp über die lange Ecke. Hätte der Club hier 0:3 hinten gelegen, hätte sich niemand beschweren können, so klar muss man das sagen. Auch wenn es natürlich bitter ist.

Kurz vor dem Pausentee kam dann der Club noch mal so ein bisschen, fand aber gegen kompakte Regensburger, die in der Regel außerdem 10 Leute hinter dem Ball hatten, keine Mittel. Und während ich die Anzeigetafel hypnotisierte und auf die Pause hoffte, machte sich unten Aleksandar Ignjovski warm.

The show must go on

Der kam dann auch und ersetzte Björn Rother hinten rechts in der Kette, allerdings stellte sich mit Wiederanpfiff zunächst das gewohnte Bild ein: Adamyan wird aus der Zentrale auf die Reise geschickt, taucht frei vor Brunst auf und scheitert erneut im direkten Duell. Wichtig, ganz wichtig, dass der Loria-Vertreter einen absoluten Sahnetag erwischt hatte.
In der 51. Minute dann eine Szene, die für das Magdeburger Spiel an diesem Nachmittag fast schon Symbolcharakter hatte: Christian Beck legt vor dem Strafraum per Kopf auf Marius Bülter ab, der noch zwei Schritte zur Grundlinie macht und dann von links flankt. In der Mitte stehen genau zwei potentielle Abnehmer, dafür aber jede Menge Regensburger, die Flanke segelt aber ohnehin an Freund und Feind vorbei ins Niemandsland. Es war alles sehr schwierig.

Dafür drehte die Kurve jetzt noch mal ein bisschen auf, es half ja alles nichts. Wenn man schon mal da war, wollte man wenigstens vom Gästeblock aus nichts unversucht lassen und stimmte erstmal ein reichlich trotziges „Für mich bist Du alles auf der ganzen, weiten Welt!“ an. Vielleicht übertrug sich das ja auf den Rasen, vielleicht machte sich auch einfach nur der Wechsel bezahlt oder eventuell beschlossen die Regensburger, dem Club das Spiel zu überlassen (was gegen uns, wenn man selbst in Führung liegt, ja eine ziemlich gute Idee ist). Jedenfalls wurde der FCM nun etwas druckvoller und kam sogar zu sehr ordentlichen Abschlussmöglichkeiten.

Die erste nennenswerte hatte Nico Hammann, der den Ball nach einer Ecke in der 61. Minute einfach mal direkt aufs Tor brachte, mit seinem Versuch aber hängen blieb. Die zweite hatte Felix Lohkemper, der nach 65 Minuten im Strafraum zum Abschluss kam und Weis zu einer Parade zwang. Gleich darauf wurde er auf Höhe des Elfmeterpunktes perfekt freigespielt, brachte den Ball aber nicht schnell genug aufs Tor. Die Ausgleichsgelegenheiten Nummer 3 und 4 hatte der Kapitän auf dem Fuß. In der 77. Minute setzte sich Lohkemper auf der linken Seite stark gegen zwei Gegenspieler durch und fand Beck zentral und frei im Sechzehner. Statt des inzwischen eigentlich fälligen 1:1 gibt es aber nur Ecke, weil Marcel Correia mit dem Knie rettet. Schließlich in der 81. Minute ein Lupferversuch, der aber auf dem Tornetz landet. Es war zum Verzweifeln.

Nicht unerwähnt bleiben soll an der Stelle, dass auch die Gastgeber im zweiten Durchgang Möglichkeiten hatten, die Entscheidung herbeizuführen. So fand ein hoher Ball aus dem Mittelfeld in der 64. Minute Al Ghaddioui, der die Kugel dann aus kurzer Distanz an den Außenpfosten nagelte. In der 86. Minute brachte schließlich Steffen Schäfer mit einem gefährlichen Fehlpass Jann George ins Spiel, der allen auf und davon läuft, den Querpass auf den freien Mitspieler vor dem Tor dann glücklicherweise nicht anbringen kann, trotzdem aber noch stark zum Abschluss kommt und den Ball schließlich links neben das Tor setzt.

Inzwischen war Steven Lewerenz für Rico Preißinger im Spiel (60.), später kam dann noch Tarek Chahed für Marius Bülter (78.). Zu weiteren echten Torchancen reichte es insgesamt aber nicht mehr. Zwar kam Alexander Brunst für den allerletzten Freistoß der Partie noch mal mit nach vorn, da sein Kopfball aber deutlich rechts am Tor vorbeiflog, blieb es am Ende beim 0:1 und dem unter dem Strich doch verdienten Regensburger Heimsieg.

Fazit:

Puh. Es ist schwierig, nach dem Gesehenen noch (Zweck-)Optimismus zu verbreiten, auch wenn zumindest tabellarisch noch gar nichts entschieden ist. Klar, in der zweiten Hälfte konnte man der Mannschaft Kampf und Wille nicht absprechen, was nach der Partie am Zaun auch noch mal entsprechend honoriert wurde. Torchancen, klare sogar, gab es auch und das ist auch alles super, nur hilft das alles nichts, wenn der Ball dann nicht im Tor landet. Seit dem Sieg in Bielefeld am 22. Spieltag hat die Mannschaft in acht Spielen nur vier Treffer erzielt und sechs Punkte eingefahren. Man muss jetzt kein Zahlengenie sein, um zu erkennen, dass das zu wenig ist, wenn der FCM die Klasse halten soll. Dazu kommen die eingangs angesprochenen Verletzungen und Ausfälle, die die Mannschaft offenbar in der Breite nicht kompensieren kann, wie zumindest die erste Hälfte gegen Regensburg gezeigt hat. Naja, und dann wird es hinten raus eben sehr, sehr schwer…

„Die Jahre ziehen ins Land, Erfolge sind so weit…“ stimmten die Vorsänger irgendwann zum Ende der Partie an und zumindest zwei Drittel des Liedes passen irgendwie ganz gut zur aktuellen Situation. Ins Land gezogen ist nämlich eigentlich nur ein Jahr, von der besten FCM-Zeit träumen wir aber wohl derzeit alle. Und wenn der Club nach uns ruft, stehen wir natürlich bereit, um dann gemeinsam in eine hoffentlich bessere Zeit zu gehen. So, wie wir das immer gemacht haben. Fraglich ist so ein bisschen, wann diese Zeit beginnt und ob es der Mannschaft gelingt, in den verbleibenden vier Punktspielen noch vier Mal über die eigene Leistungsgrenze zu gehen. Nur so wird es gehen. Vielleicht. Und das ist dann wahrscheinlich auch die Hoffnung, die zuletzt stirbt.

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