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Verpasste Euphorie-Chancen

Euphorie

Ein Gastbeitrag von Torsten Kleinau

Als gebürtiger Machdeburger und Clubfan seit 1978 wohne ich seit neun Jahren in Schleswig-Holstein, ca. 20 km südlich von Kiel. Bei mir auf Arbeit laufen daher die verschiedensten Fangruppen aus unserer Gegend zusammen, Holstein, St. Pauli, HSV etc. Während der letzten Drittligasaison mit dem nahenden Aufstieg und dem erfolgreichen Abstieg des HSV hab‘ ich mich innerlich schon auf mindestens drei coole Auswärtsspiele in der näheren Umgebung gefreut und das auch lautstark mit meinen Kollegen kommuniziert. Leider kam alles ganz anders, aber dazu etwas später.

Selbstverständlich haben sämtliche Kollegen vor Saisonbeginn schon verbal jeweils die sechs Punkte gegen uns einkassiert, was am Ende St. Pauli leider gelungen ist.

Als verwöhnter Fernseh-Live-Zuschauer (man ist halt keine 30, 40, 45 mehr) der dritten Programme tat sich da nun erstmal ein Loch auf und nach langem Überlegen entschloss ich mich am Ende doch dazu, ein Abo für den Bezahlsender, der so wie ein ortsansässiger Supermarkt heisst, zu erwerben. Noch dazu gab es sehr, sehr wenige Heimspiele vom Club an einem Samstag und Freitags-, Sonntags- sowie Montagsspiele waren logistisch einfach nicht zu stemmen. In der dritten Liga kann ich sicherlich wieder mehr Heimspiele besuchen, ein ganz, ganz, ganz kleiner Trost.

Wie zu erwarten, waren die Größten der Welt beim Bezahlsender von Anfang an leider immer nur eine Randnotiz, inklusive schlecht vorbereiteter Moderatoren. Negativer Höhepunkt die Moderation beim Auswärtsspiel in Köln:

  • Torpedo kam zu Saisonbeginn aus Lotte zu uns (hääää?).
  • Da haben sich die Anhänger aus Maaagdeburg wohl ein wenig vom rheinschen Karneval anstecken lassen, die sind ja ganz schön ausgelassen.

Oh mein Gott, wie peinlich. Das änderte sich irgendwie schlagartig nach dem Auftritt und dem hochverdienten Sieg beim HSV.

Zurück zur Chronologie, das erste Heimspiel begann sehr vielversprechend mit dem 1:0 durch Beckus, auch der Auftritt insgesamt war trotz Niederlage positiv, weil man eben überhaupt nicht hoffnungslos unterlegen war. Der erste Knackpunkt aus meiner Sicht war das verpfiffene Heimspiel gegen die Ingos aus Audiland. Tore aberkannt, die durchaus woanders gegeben werden und der Ausgleich war in doppelter Hinsicht ein Witz. Zwei Spieler rennen sich beim Laufduell mit Blick auf den Ball gegenseitig um und der pfeift Freistoß für den Angreifer. Da gibt’s Einwurf und weiter geht’s, aber niemals Freistoß, für beide nicht. Und dann sind zwei Spieler im Abseits, behindern offensichtlich den Torwart und das geht dann so durch. Ich rege mich immer noch gerne und fürchterlich über dieses Spiel auf, weil ich der festen Überzeugung bin, mit einem Sieg wäre die Saison erfolgreicher gelaufen. Sei’s drum, man kann es nicht wissen.

Was mich auch von Anfang an geärgert hat, war auf jeder Pressekonferenz die Aussage: „Hier in Liga 2 wird jeder Fehler gnadenlos bestraft“. Ich kann nicht in die Köpfe der Spieler gucken und bin auch kein Psychologe, aber ich denke, das setzt sich doch in dem einen oder anderen Hinterkopf fest. Angst, Fehler zu machen. Hat man, denke ich, des Öfteren gesehen, vor allem bei den häufigen Gegentoren in letzter Sekunde.

Das erste zu besuchende Auswärtsspiel in Kiel musste natürlich an einem Montag stattfinden, es war auch sehr schwer, Karten zu bekommen. Was für ein Wunder bei der geringen Kapazität. Also erstmal kein Live-Auswärtsspiel.

Negativ aufgefallen ist auch, dass man die Euphorie nach den ersten Teilerfolgen nicht bzw. viel zu selten mit in die nächsten Spiele nehmen konnte. Nach dem atemberaubenden 4:4 in Paderborn z.B. war das folgende Heimspiel gegen Duisburg eigentlich schon gewonnen, Ihr wisst ja selber …

Nach dem ersten Saisonsieg in Sandhausen gab es immerhin noch diese geile 2. Halbzeit gegen Schwarz-Gelb, mein erstes 2. Liga-Live-Spiel mit völligem Ausrasten nach dem Ausgleich in der Nachspielzeit. Was folgte? Fünf Niederlagen in Serie (Heidenheim, HSV, Darmstadt, Regensburg, Fürth) inkl. Trainerwechsel, anstatt die Euphorie mitzunehmen.

Ach ja, meine HSV-Fan-Kollegen haben allesamt gefragt: „Was wollt Ihr denn mit dem?“ (gemeint war Michael Oenning). Da hab ich denen mal vorgezählt, wie viele Trainer noch auf der Gehaltsliste vom HSV stehen, plötzlich waren die ganz still…

Das nächste Auswärtsspiel bei St. Pauli musste ich leider auch sausen lassen. War zwar mal samstags, aber eben auch schon Weihnachtsurlaub.

Zur Winterpause wurden dann mit den Kollegen ausführlich die Neuzugänge diskutiert und siehe da, der eine Kollege, der ausnahmsweise Fan von Bayern München ist, konnte sich tatsächlich an Jan Kirchhoff erinnern.

Bis Ende Februar sah es dann wieder richtig gut aus für die Größten der Welt, aber eben nur bis Ende Februar. Auch hier bin ich der Meinung, mit einem gesunden Christian Beck wäre das Spiel in Duisburg zumindest nicht verloren worden. Der 1. März war dann wohl sowas wie der Anfang vom Ende, vor allem die lustlose Vorstellung gegen Sandhausen. Den Abstand auf 2 Mitkonkurrenten jeweils auf 8 Punkte ausbauen, es wäre so schön gewesen.

Daran hat dann auch das absolute Highlight dieser Saison im Volksparkstadion nichts mehr ändern können. Was bin ich abends gegen halb elf lauthals brüllend und jubeld durch die Wohnung gehüpft. Da war sie wieder, wenn auch nur sehr kurz, eine ähnliche Euphorie im Kopf wie zu Zeiten von Offenbach. Hab ich mich hinterher geärgert, dass ich nicht hin gefahren bin, aber für meine Leute war ein Montagsspiel leider die gesamte Saison nicht zu stemmen, so dass auch das dritte erhoffte Auswärtsspiel nur auf der Couch verfolgt wurde.

Da war doch was mit Euphorie mitnehmen? Ich dachte mir so, gegen Darmstadt, samstags, nach so nem geilen Auswärtsspiel … Naja, das war dann mein 2. Heimspiel im HKS diese Saison und dann so eins.

Den Rest der Saison habe ich mehr oder weniger emotionslos am Fernseher verfolgt, selbst die Geschenke von Fürth konnten da nur wenig Freude geben.

Fazit: Ob du gewinnst oder nicht, wir sind die Größten der Welt und das bleibt auch so.
Einen Spruch vom sicherlich allseits bekannten Uli Potofski möchte ich gerne noch mitgeben: „Ich hoffe, dass Maaagdeburg die Klasse hält, damit ich in der nächsten Saison mal ein Heimspiel in der MDCC-Arena kommentieren darf“. Fand ich cool.

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Wie habt Ihr die Zweitligasaison erlebt? Was waren Eure Highlights, besonderen Begebenheiten, skurrilen Geschichten, Erfolgserlebnisse, größten Enttäuschungen etc.? Wenn Ihr Lust auf und Zeit für einen Gastbeitrag hier im Blog habt, dann schickt mir gern Euren persönlichen Zweitliga-Rückblick bis zum 2.6. am besten per E-Mail an alex[at]nurderfcm.de.

Also, haut in die Tasten, ich freue mich sehr drauf, von Euch zu lesen!

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