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Die Revolution frisst ihre Kinder

Riesenschritt in Richtung Klassenerhalt

1.FC Magdeburg – Stuttgarter Kickers, 27. Spieltag, 2-1 (2-0)

Wenn das mal nicht ein Riesenschritt in Richtung Klassenerhalt war! Mit 2-1 schlägt der 1. FC Magdeburg die mutigen und spielerisch gefälligen Stuttgarter Kickers; bei nunmehr 41 Punkten und immerhin schon 14 Zählern Vorsprung auf den Tabellen-18. aus Cottbus sieht das doch alles sehr gut aus und müsste schon unheimlich viel Negatives zusammenkommen, um noch einmal ernsthaft da unten reinzurutschen. Dabei gewann an diesem 27. Spieltag abermals nicht unbedingt das fußballerisch bessere, aber das effektivere und vielleicht am Ende auch glücklichere Team. Für die Kickers bedeutet die Niederlage natürlich einen Rückschlag im Kampf um den Klassenerhalt; mit der im Heinz-Krügel-Stadion gezeigten Leistung ist es aber ohnehin eher verwunderlich, dass die Schwaben so weit im Tabellenkeller stehen. Ein weiteres Indiz dafür, wie schnell es in dieser Liga gehen kann und dass schon ein paar negative Ergebnisse in Folge für Platzierungen sorgen können, die man nun so gar nicht gebrauchen kann. 

Abgesehen vom sportlichen Geschehen, das an sich schon jede Menge Spannung, Spaß und Nervenkitzel bereithielt, war natürlich die große Frage, inwiefern es vonseiten der aktiven Fanszene noch einmal ein Statement zu den Ereignissen der letzten Tage und Wochen geben würde. Diese Frage war im Prinzip schon mit dem Kauf des „Planet MD“ beantwortet, bevor es überhaupt in den Block ging:

Riesenschritt in Richtung Klassenerhalt

Zum Cover-Foto der aktuellen Ausgabe gehörte noch ein Spruchband, das im Verlauf der ersten Halbzeit über der “1. FC Magdeburg”-Blockfahne drapiert war, auf dem “Wir sind keine Marionetten” zu lesen stand und in dem die Buchstabenfolge “Mario” BFC-weinrot eingefärbt war. Ein klarer persönlicher Angriff damit auf Präsidiumsmitglied und SSG-Geschäftsführer Mario Kallnik, der wohl, wenn man sich so umhörte, nicht nur mir eine ganze Spur zu weit ging. Ja, die Vereinsvertreter (und damit auch Mario Kallnik) haben in der ganzen Hansa-Angelegenheit Fehler gemacht. Ja, der Verein hat öffentlich und anhand der vorliegenden Statements der letzten Zeit relativ einfach nachweisbar die Unwahrheit gesagt und ja, bisher war öffentlich (!) noch nicht ein selbstkritisches Wort aus der Führungsriege des 1. FC Magdeburg zu vernehmen (bei der Gelegenheit: Was macht eigentlich Präsident Peter Fechner gerade so?). Ob aber eine dergestalt geäußerte Kritik an einer Einzelperson zur Versachlichung der ganzen Angelegenheit beiträgt, darf doch einigermaßen bezweifelt werden. Zumal, und auch das sei an dieser Stelle noch einmal explizit angemerkt, eine einzelne Person in einem Fußballclub allein gar nicht so viel verbocken kann, wie da insgesamt schiefgelaufen ist.

Natürlich machen die großen Verdienste um den Verein, die Mario Kallnik ja auch immer noch vorzuweisen hat und die in der ganzen Debatte immer mal wieder als Totschlagargumente ins Feld geführt werden, auch nicht immun gegen Kritik und/oder schützen vor Fehlern. Damit, die ganze Sache jetzt aber so zu drehen und Kallnik allein derart öffentlich an den Pranger zu stellen, macht man es sich aus meiner ganz persönlichen Sicht aber deutlich zu einfach. Und das heißt explizit nicht, dass die Sache, für die Block U sich einsetzt und um die es ja die ganze Zeit eigentlich geht, nicht unterstützenswert wäre – natürlich ist sie das.

Positiv ist definitiv anzumerken, dass Block U um Transparenz bemüht ist und den Dialog mit der Fanszene sucht, was durch die Infoveranstaltung im Fanprojekt im Vorfeld der Partie, aber auch in der Ansprache an die Kurve direkt vor Spielbeginn noch einmal deutlich wurde. Zunächst von Pfiffen der umliegenden Tribünen begleitet (bevor man sich dann allenthalben auf das Spielgeschehen konzentrierte), wurde die Haltung der aktiven Fanszene noch einmal erläutert, das Angebot gemacht, bei Fragen, Unklarheiten oder nochmaligem Erklärungsbedarf gern jederzeit zum Vorsängerpodest kommen zu können und außerdem dargelegt, warum man in den ersten 45 Minuten die Mannschaft nicht wie gewohnt lautstark unterstützen werde. Man muss die vorgebrachten Argumente und die Idee, den eigenen Standpunkt mit Nicht-Unterstützung der Mannschaft, die für all das gar nichts kann, untermauern zu wollen, nicht teilen. Den Ansatz aber, eben nicht einfach nur “sein Ultrá-Ding” zu machen, sondern Erläuterungen anzubieten, sollte man in jedem Fall anerkennen – und das Angebot auch nutzen, bevor man meckert.

Während Block U sich noch erklärte, wurde unten auf dem grünen Rasen bereits Fußball gespielt, und mitten rein in die Ansagen vom Vorsängerpodest fiel auch gleich das erste Tor der Begegnung: Nach einer unübersichtlichen Situation im Strafraum der Stuttgarter am anderen Ende des Stadions war es Sebastian Ernst, der die Kugel aus Nahdistanz über die Linie beförderte. Ein Auftakt nach Maß natürlich, der die Arena noch mehr in Fahrt brachte. “Hier regiert der FCM!” und “Olé, FCM, Du bist mein Verein!” schallte es (auch vorher schon) unisono bzw. in einem merkwürdigen Kanon von Haupttribüne und Gegengerade, während es auf der Nordtribüne (vom obligatorischen Jubel mal abgesehen) ungewöhnlich ruhig blieb. Stimmungsvoll ging es trotzdem weiter und wurden vor allem von der Gegentribüne diejenigen Texte angestimmt, die sonst immer nur von der Block U-Hintertortribüne aus auf das ganze Stadion überschwappen – inklusive “Steht auf, wenn Ihr Clubfans seid!” und “FCM”-Wechselgesängen. Man konnte sich auch auf der Nord einen Schmunzler nicht verkneifen: Da hat Block U die ganze Saison über viel dafür getan, dass die umliegenden Tribünen mitziehen, und dann boykottiert das Stadion quasi den Stimmungsboykott und stimmt die Gesänge, getreu dem Motto “Entdecke den Ultrá in Dir”, einfach selbst an. Letzten Endes eine deutliche Reaktion der ‘normalen’ Fans, die auch Block U sehr ernst nehmen sollte – blau-weiße Einheitsfront und so.

Von der Grundordnung her agierte der Club erwartungsgemäß mit Michel Niemeyer hinten links, Nico Hammann rechts, Kinsombi und Handke wie gewohnt in der Innenverteidigung und Jan Löhmannsröben auf der Brandt-Position. Neben ihm Marius Sowislo, davor Manuel Farrona Pulido links, Tarek Chahed rechts und Sebastian Ernst hinter Christian Beck als einziger Spitze. Und diese Elf sah sich einer Stuttgarter Gästemannschaft gegenüber, die sich vom Gegentor wenig beeindruckt zeigte und sofort den Vorwärtsgang einschaltete. Einem Pfostentreffer in Minute Fünf folgten in der ersten Viertelstunde eine ganze Reihe gefährlicher Standardsituationen, die unsere Abwehr gut beschäftigten und bei denen die Größten der Welt einige Mühe hatten, sich spielerisch zu befreien. Trotzdem versuchte man natürlich, auch selbst Akzente zu setzen und so entwickelte sich ein ansehnlicher Kick, der sich mit dem viel zitierten “intensiven Spiel” wohl am besten beschreiben lässt. In der 36. Minute war es erneut dem 1. FC Magdeburg vorbehalten, den zweiten Treffer des Tages zu markieren. Von Manuel Farrona-Pulido von der Grundlinie aus schön in Szene gesetzt, taucht Tarek Chahed vor Kickers-Keeper Sattelmaier auf und vollendet eiskalt durch dessen Hosenträger zum nicht unverdienten 2-0.

Die Szene der ersten Halbzeit und eine, die für die an diesem Tag überragende Leistung von Manuel Farrona-Pulido stellvertretend ist, ereignete sich dann etwa in der 36. Spielminute: Mit einer Drehung und Täuschung nach der anderen lässt er auf engstem Raum nacheinander drei Gegenspieler aussteigen, wird schließlich von Nummer Vier gefoult und holt so in aussichtsreicher Position einen Freistoß raus. Hammann-Distanz. Der tritt auch prompt an, packt den Hammer aus und platziert seinen Schuss nur knapp links neben das Tor ans Außennetz. Viel passierte dann nicht mehr, sodass es mit der 2-0-Führung in die Pause ging.

Was im Stadion fehlt, wenn Block U nicht mitmacht, wurde dann zu Beginn der zweiten Hälfte überdeutlich: Zwar gab es erneut Pfiffe gegen die Erklärungen und Ansagen des Capos zu Beginn der Halbzeit, dann fegte aber ein ordentlich lauter Orkan durchs Heinz-Krügel-Stadion und wurde zunächst erst einmal alles rausgelassen, was in der ersten Halbzeit in den Lungen geblieben war. Auf das Geschehen auf dem Platz wirkte sich das paradoxerweise aber zunächst erst einmal dergestalt aus, dass die Kickers drückten und Jan Glinker u.a. in der 50. Minute nach einem Freistoß zu einer großartigen Parade zwangen. Nach weiteren Minuten, in denen der Club um Spielkontrolle bemüht war, Stuttgart aber sehr offensiv agierte und dementsprechend auch zu Chancen kam, war es schließlich eine weitere Standardsituation in Minute 66, die den Gästen den Anschluss brachte: Erst gab es ewige Diskussionen vor der Ausführung, dann landet ein abgefälschter Abruscia-Freistoß unhaltbar für Jan Glinker im Netz.

Jetzt war zittern angesagt, zumal Stuttgart weiter gefährlich blieb und im Abschluss einfach das Glück fehlte. Gleiches galt übrigens erneut für Christian Beck, der dafür unheimlich viel ackerte und bei zwei guten Gelegenheiten in Rouven Sattelmaier seinen Meister fand. Dementsprechend gab es nach dem Spiel dann auch Sonderlob aus der Kurve, verbunden mit der mitgeteilten Überzeugung, dass die Tore auch irgendwann wieder fallen werden. Und Beck? Freute sich sichtbar über den Zuspruch, der ihm sicher gut getan haben wird.  Die Kickers hingegen konnten sich in der Schlussphase bei ihrem Keeper bedanken, dass der inzwischen eingewechselte Burak Altiparmak nach Vorarbeit von Sowislo und Waseem Razeek nicht den Deckel auf die Begegnung machte. Letzterer hatte sich auf der linken Seite gut durchgesetzt, passt dann aber eigentlich zu ungenau auf den Kapitän, der immerhin noch auf den schussbereiten Altiparmak rüberlegen kann. Der Abschluss dann aber kein Problem für Sattelmaier. So blieb es beim zum Schluss erkämpften, aber nicht unverdienten und verdammt wichtigen 2-1-Heimsieg, der doch nun recht optimistisch in die Zukunft blicken lässt.

Noch ein Stück entscheidender als das Ergebnis und der damit verbundene Riesenschritt zum Klassenerhalt dürfte aber der Umstand sein, dass in Sachen Hansa-Posse und seine Folgen inzwischen wohl hoffentlich alle öffentlichen Standpunkte geäußert wurden und es jetzt mit den Stellungnahmen, dem Fingerzeigen, den Eitelkeiten und den Provokationen auch gern mal gut sein darf. Der Verein hat seine Sicht der Dinge mittlerweile mehrfach dargelegt und seine Vorgehensweise und Haltung wohl ungewollt, aber eben auch unübersehbar selbst entlarvt. Wer sich die Mühe macht, noch mal alle Pressemitteilungen der letzten Wochen nebeneinander zu legen, dürfte gleich sehen, was gemeint ist. Die Vertreter von Block U haben überdeutlich kommuniziert, wie es ihnen damit geht und vom Rest des Stadions in der ersten Halbzeit für die Art und Weise, ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen, die Quittung bekommen. Jetzt wäre es mal an der Zeit, den Dampf aus der ganzen Angelegenheit zu nehmen, das Thema wieder zu versachlichen und sich gemeinsam und auf Augenhöhe an einen Tisch zu setzen, um im Sinne des 1. FC Magdeburg darüber zu diskutieren, wie man es in Zukunft besser machen kann. Vielleicht ja wirklich, auch wenn ich mich da langsam wiederhole, auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung.

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