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Sprengstoff

Am 24.02. kam sie dann endlich, die Pressemitteilung des 1. FC Magdeburg, in der man verlauten ließ, man hätte eine „gemeinsame Lösung zum Gästekartenkontingent“ für das Spiel gegen den F.C. Hansa Rostock gefunden. „Endlich!“, „Geht doch!“, „Warum nicht gleich so?“ und „Damit dürfte das Thema ja dann erledigt sein“ waren nur einige der Reaktionen, die man im Anschluss in den Weiten der sozialen Netzwerke vernehmen konnte. Tenor: Die beteiligten Fanszenen haben ja nun bekommen, was sie wollten, damit dürfte einem stimmungsvollen Duell im Heinz-Krügel-Stadion eigentlich nichts mehr im Wege stehen. Für Außenstehende umso erstaunlicher dann die Reaktion von Block U, die die ganze Angelegenheit nun in die Verlängerung schickt.

O-Ton: „Wir sind es leid von unserem eigenen Verein für dumm verkauft zu werden.“ und „Wir fordern eine Richtigstellung seitens der involvierten Vereinsverantwortlichen bezüglich der Diskrepanz zwischen intern getätigten Absprachen und öffentlichen Verlautbarungen!“ Puh. Die Frage, was passiert war, lässt sich wohl am ehesten mit einem eindeutigen „nichts Genaues weiß man nicht“ beantworten; Licht ins Dunkel bringen wird wohl erst die von Block U an alle interessierten Clubfans ausgesprochene Einladung ins Fanprojekt (28.02., ab 10 Uhr), wo Vertreter der aktiven Fanszene ihre Sicht der Dinge darlegen und Fragen zur aktuellen Lage beantworten wollen.

Während bis dahin also weiter kräftig spekuliert und gemutmaßt werden wird, kann der Grund des durch Block U deutlich artikulierten Unmutes ja eigentlich nur in der veröffentlichten Pressemeldung liegen. Dort heißt es unter anderem:

„Im Ergebnis [der Beratungen] wurde sich darauf geeinigt, das Spiel unter das Motto „Vertrauen“ und somit Wahrung der Grundrechte von Fans zu stellen. Der FC Hansa Rostock erhält auf Wunsch 2.000 Karten explizit für dieses Spiel. Die Fanvertreter beider Vereine haben darüber hinaus bei diesem Treffen bekräftigt, ihre Mannschaften emotional und friedlich zu unterstützen.“

und:

„Mario Kallnik (Stadion- und Sportmarketing GmbH): „Wir freuen uns gemeinsam eine einvernehmliche Lösung gefunden zu haben. Nun haben beide Fanlager die Möglichkeit der breiten Öffentlichkeit zu zeigen, dass sie emotional ihre Mannschaften unterstützen und respektvoll miteinander umgehen können.“ (Pressemitteilung 1. FC Magdeburg vom 24.02.2016)

Auf den ersten Blick lässt sich in den zitierten Passagen zunächst einmal nichts Verwerfliches finden. Beide Fanszenen erhalten von offizieller Seite so etwas wie einen Vertrauensvorschuss, den es nun zu rechtfertigen gilt. Die Verantwortung für ein zwar stimmungsvolles, aber eben auch friedliches Fußballspiel wird in die Hände der aktiven Fans gelegt; es ist nun an ihnen, zu zeigen, dass sie damit auch umgehen können. Bei genauerem Hinsehen versteckt sich aber genau in diesem Umstand jede Menge Sprengstoff und wird hier eine Drucksituation aufgebaut, die sowohl von Seiten der Rostocker Fanszene als auch der Magdeburger Anhängerschaft eigentlich kaum gesteuert werden kann.

Eine Antwort auf die Frage, ob es die in der Pressemitteilung kommunizierte Bekräftigung des emotionalen, aber friedlichen Supports wirklich gegeben hat und ob die jetzt gefundene Lösung wirklich eine einvernehmliche ist, werden letztlich nur diejenigen geben können, die in der Beratung und den vorgelagerten Gesprächen zwischen Verein und Fanszene anwesend waren. So ist wohl auch das Angebot von Block U zu verstehen, der interessierten Öffentlichkeit im Fanprojekt die eigene Sicht der Dinge zu erläutern. Allein der Umstand, dass man sich offenbar gezwungen sieht, sich öffentlich zu erklären, zeigt aber schon, dass der Graben, der sich in dieser Angelegenheit zwischen Verein und Fanszene aufgetan hat, ein ziemlich tiefer sein muss. Ob die nun zwangsläufig entstehende, eher unproduktive „Die haben gesagt…!  – Nein, die haben gesagt…!“-Situation gut geeignet ist, diesen Graben zu überwinden, bleibt abzuwarten.

Völlig unabhängig davon lässt sich aber auch, so man denn in die Richtung denken wollte, das verkündete Motto „Vertrauen“, unter dem die Begegnung nun stehen soll, leicht als ziemlich perfider Schachzug von offizieller Seite interpretieren. Jegliche Idee davon, „die Fans“ in die Verantwortung zu nehmen, unterstellt immer, dass „das Fanlager“ eine homogene Gruppe darstellt, die mit einer Stimme spricht und die gleichen Interessen verfolgt. Jeder, der sich ein wenig mit Fankultur beschäftigt, wird wissen, dass dem nicht so ist. Nur, weil Block U bei den Gesprächen mit am Tisch sitzt, einen Vertreter im Aufsichtsrat hat und im Stadion die größte, sichtbarste und stimmgewaltigste Gruppe stellt, heißt das noch lange nicht, dass sich hinter der selbst proklamierten „blau-weißen Einheitsfront“ alle Menschen wiederfinden, die von sich sagen, Clubfans zu sein. Soll heißen: Sobald beim Spiel gegen den F.C. Hansa irgendwas passiert, fällt das mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Block U zurück und zwar auch dann, wenn Block U damit möglicherweise gar nichts zu tun hat. Diesen Mangel an oder gar die schlichte Verweigerung von Differenzierung zugunsten der Wahrung eigener Interessen kennt man leider nur zu gut; Presse, Polizei und DFB lassen grüßen.

Vor dem Hintergrund ist es dann auch nur recht schwer vorstellbar, dass Vertreter der Ultrás einen friedlichen Fußball-Tag zusichern, weil sie das schlicht und ergreifend gar nicht zusichern können. Und das liegt nicht notwendigerweise daran, dass man die eigenen Leute nicht im Griff hätte, sondern eventuell ja auch an Gruppen außerhalb der Ultrá-Szene, die womöglich ihre ganz eigene Agenda verfolgen. Egal, was passiert, man würde die Schuld in jedem Fall bei Block U suchen, zumal nach einem öffentlichen Statement wie dem oben zitierten. Etwaige Sanktionen würden, weiter gedacht, natürlich dann auch erst einmal diejenige Gruppe treffen, zu der man unmittelbaren Zugang hätte, und das ist? Richtig, Block U. Kurzum: In die Richtung gelesen, wirkt die jetzt veröffentlichte Pressemeldung so, als würde man die aktive Fanszene mit brennender Zigarette auf ein Pulverfass setzen, um dann von weitem dabei zuzuschauen, wie möglicherweise irgendjemand anderes ein Streichholz wirft.

Nun kann man natürlich darüber streiten, ob die Ultrás sich jetzt nicht möglicherweise den Geistern gegenübersehen, die sie selber riefen. Genauso lässt sich die Frage stellen, welchen Plan die Vereinsführung eigentlich verfolgt und welchen Stellenwert kritische, engagierte Fans darin einnehmen. Insofern erscheint das von Block U in ihrem Statement ebenfalls formulierte Bestreben, eine außerordentliche Mitgliederversammlung einzuberufen, als kluger und richtiger Schritt, wäre doch eine solche Veranstaltung das einzig sinnvolle Format, um unter Einbezug (potentiell ) aller Vereinsmitglieder nicht über- sondern miteinander zu sprechen. Spätestens dann wird sich auch herausstellen, ob die Idee der blau-weißen Einheitsfront auch trägt oder ob nicht möglicherweise doch Einzelne, seien es Personen oder Gruppen, ihre eigenen Interessen über die des 1. FC Magdeburg stellen.

Beitragsbild: TNT (geändert) von Alex Holyoake, Lizenz: CC BY 2.0

3 Kommentare

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