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Bleibt alles anders

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Nun denn, es ist an der Zeit, hier mal den Staub von der Tastatur zu pusten und sich irgendwie zu verhalten zur neuen Saison, zum 1. FC Magdeburg in seiner derzeitigen Erscheinungsform und zu dem einen oder anderen Gedanken, der in den letzten Wochen und Monaten rund um den Blog und den Podcast kreiste. Schließlich trudelte die vergangene Spielzeit hier irgendwie nur so aus, was ich ziemlich unbefriedigend fand, was gleichzeitig aber auch gute Gründe hatte. Naja, und wenn ich ehrlich bin, fühlt sich der bevorstehende Punktspielstart jetzt völlig anders an als die Jahre zuvor.

Neugierde auf die neu zusammengestellte Mannschaft ist durchaus vorhanden, gar keine Frage, und ich bin wirklich gespannt, inwiefern wir eine Fortsetzung oder möglicherweise sogar Weiterentwicklung der zuletzt gezeigten Spielidee sehen werden. Die große Euphorie allerdings, dieses Kribbeln im Bauch, das will sich diesmal nicht so richtig einstellen und eine gewisse emotionale Distanz zum aktuellen Geschehen ist nicht von der Hand zu weisen. Um die Frage zu beantworten, warum das so ist und wie es in der Konsequenz hier weitergeht, ist zunächst mal ein Blick zurück erforderlich, um dann nach vorn schauen zu können. Also, schauen wir doch mal:

Ich habe es an verschiedenen Stellen ja schon geschrieben und auch oft genug gesagt: Die Zeit seit dem Zweitligaabstieg bis zur sportlichen Rettung in der letzten Saison hat Körner gekostet und mich ehrlicherweise an vielen Stellen ziemlich frustriert und desillusioniert zurückgelassen. Die schlimme sportliche Entwicklung war dabei das eine, die katastrophale und zum Teil auch einfach unehrliche Krisenkommunikation des Clubs das andere und vielleicht sogar das größere Übel. Ich mag da altmodisch sein, aber ich gebe halt noch etwas auf Werte wie Ehrlichkeit und Verbindlichkeit, ich mag Transparenz und, naja, bin damit möglicherweise im knallharten Profifußball nicht gut anschlussfähig, kann durchaus sein. Trotzdem hat mich die Außendarstellung des Clubs und einzelner Verantwortlicher während der sportlich schwierigen Zeit oft geärgert, verwiesen sei hier beispielhaft nur auf das inzwischen ja nun oft genug besprochene Interview mit Mario Kallnik auf dem vereinseigenen YouTube-Kanal im Januar 2021.

(Okay, Hand aufs Herz: Wie viele von Euch haben mindestens mal beim letzten Teilsatz gerade mit den Augen gerollt? Ich kanns’s verstehen, mich nervt es auch, aber in manchen Dingen bin ich halt Elefant. Machste nix.)

Insgesamt ist es für mich einfach deutlich schwieriger geworden, mich mit vielem, was vom FCM so zu vernehmen ist, noch voll zu identifizieren. Ohnehin steht ja für mich schon länger die Frage im Raum: Was für ein Klub will der FCM eigentlich überhaupt sein? Im Moment sieht mir das alles sehr nach Profifußballeinheitsbrei aus, nach Getriebensein, nach dem Wunsch, unbedingt dazugehören zu wollen und mit den großen Jungs spielen zu dürfen. Ich persönlich glaube ja, dass wir diese Art der systemischen Anbiederung mit all ihren nervigen Begleiterscheinungen nicht nötig haben, dass wir stolz und mit breiter Brust durchaus auch anders sein könnten. Aber gut, wie willst Du auch eine vernünftige Identität entwickeln, wenn du drölf Trainer in zwei Spielzeiten verschleißt, Identifikationsfiguren mehr oder weniger kaltstellst und überhaupt jede Saison gefühlt den ganzen Kader umkrempelst? Und ja, ich weiß, dass das vielleicht nicht ganz fair und reichlich polemisch ist, aber ich nehme mir jetzt hier einfach mal das Recht, ein bisschen rumzupampen. Außerdem fühlt es sich gerade auch ganz gut an, all das, was sich in der letzten Zeit so aufgestaut hat, hier mal mehr oder weniger strukturiert runterzuschreiben.

Das Ding ist: Dieses ganze oberflächliche Geblubbere, dieser Marketingkram von „Was uns zusammenschweißt“ bis zur viel beschworenen „FCM-Familie“, um die es bei näherem Hinsehen vielleicht gar nicht so gut bestellt ist, wie man glauben mag – das funktioniert ja. Am Ende sind wahrscheinlich eher meine Einstellung und ich das Problem und weniger eine Fußballfirma, die das tut, was gewinnorientierte Unternehmen in einem emotionalen Markt eben tun. Und vermutlich ist es einfach so, dass den allermeisten Leuten diese netten Marketingdinge, gepaart mit erfolgreichem und dann vielleicht sogar noch ansprechendem Fußball tatsächlich reichen. Was ja auch völlig okay ist. Ich meine, und das meine ich wirklich ernst und ein Stück weit auch bewundernd, diese Erfolgsamnesie, die alles vergessen lässt, sobald es mal läuft, ist ja auch was Feines, ich stelle mir das wirklich unheimlich entlastend vor.

Leider fehlt mir diese Fähigkeit, Stichwort „Elefant“ und mir persönlich reichen nur guter Fußball, nur gut inszenierte Vertragsunterzeichnungs- und -verlängerungsverkündungen und nur Kuschelwuschelwohlfühlcontent einfach nicht, wenn ich gleichzeitig sehe, dass sich an bestimmten Themen, Herangehensweisen und Haltungen nichts Grundlegendes ändert. Um da ein bisschen Bewegung reinzubringen und zumindest endlich mal wieder in einen kritisch-konstruktiven Austausch mit dem zu treten, was ich gern als „Ufo FCM“ bezeichne, gab es im Januar ja die Initiative zur Außerordentlichen Mitgliederversammlung, die ich nach wie vor sehr unterstütze und für wirklich wichtig halte – weil sich die Themen, um die es da geht, eben nicht dadurch einfach erledigen, dass der Club plötzlich ansehnlichen und erfolgreichen Fußball spielt und Baris Atik seinen Vertrag verlängert. Ich hoffe wirklich sehr, dass die Veranstaltung Ende August, Anfang September dann endlich stattfindet. Könnte wirklich heilsam sein – so man die AoMV denn als Chance betrachtet.

Was dazukommt, und ich glaube, dass das wesentlich ist, ist das fehlende Stadionerlebnis. Seit dem 6. März 2020 ist das Element, das vielleicht den größten Kitt darstellt, das höchste Maß an Emotionalität bietet und lange, lange Zeit regelrecht identitätsstiftend war, Geschichte. Klar, es gab zwischendurch mal Spiele vor Zuschauern, aber zumindest das eine, bei dem ich selbst vor Ort war, hatte mit dem Kurvenleben, wie ich es kennen- und lieben gelernt habe, nichts mehr zu tun. Schon krass, was da insgesamt alles weggebrochen ist, wenn ich so drüber nachdenke. Gemeinsame Touren, die Nähe und Tuchfühlung zum Club, Kontakte, Emotionen, Ausdrucksformen … naja, regelmäßige Stadiongänger*innen wissen schon, was ich meine. Natürlich kann man dann eine Weile versuchen, die Illusion aufrecht zu erhalten, dass sich die gleichen Gefühle, dass sich die gleichen Bindungen auch vor dem Fernseher kreieren lassen, aber eigentlich ist das Quatsch und wenn überhaupt, dann allenfalls mal ein paar Spiele durchzuhalten, aber, wie ich feststellen musste, nicht eine komplette Saison lang.

Schließlich wäre dann da noch das ganze Thema Diskurskultur, und dann bin ich auch (fast) fertig mit dem kleinen Seelenstriptease hier. Wenn ich noch mal sehr plakativ und polemisch werden darf, habe ich manchmal den Eindruck, dass sich die Fanszene momentan grob in drei Lager teilt. Es gibt die glücklichen Clubfans, die einfach gern konsumieren (nicht böse gemeint, ich finde nur gerade kein besseres Wort) und alles abfeiern, was an Entertainmentcontent vom Club kommt (was im Profifußball vermutlich die Zielgruppe ist, die man als Unternehmen am liebsten hat), es gibt die anstrengenden Querulant*innen, die nicht müde werden, auf Schieflagen hinzuweisen und sie gern verändern wollen und es gibt die Hardcore-Loyalist*innen, die jegliche Form des Hinterfragens mit einem inbrünstigen „Du hast Jehova gesagt!“ kontern. Wenn es höflich bleibt. Zwischen diesen drei Lagern gibt es Gräben mit Stacheldraht, Selbstschussanlagen und Alligatoren, der Austausch miteinander erfolgt entweder gar nicht oder eben latent aggressiv, so von Festung zu Festung, gefletschte Zähne, geballte Fäuste und „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“-Habitus inklusive. Wahnsinn eigentlich, wie oft und wie schnell es bei Diskussionen mittlerweile persönlich wird und die Sache, um die es eigentlich geht, dabei völlig aus dem Blick gerät. Vielleicht ist es das Alter, vielleicht wirklich die Stadionabstinenz, vielleicht aber auch einfach nur ein persönliches Problem mit Diskussionen, die letztlich nur dazu dienen, der anderen Seite klar zu machen, wie doof sie doch ist, aber: Ich merke einfach, wie mir schlichtweg Lust und Energie fehlen, da mitzumachen. Und ja, ich ertappe mich natürlich immer mal wieder dabei, es trotzdem zu tun, ärgere mich aber jedes Mal drüber und lasse die Twitter-App dann lieber mal ein paar Tage ungeöffnet. Das tut tatsächlich erschreckend gut, führt aber natürlich auch dazu, das die emotionale Distanz zu diesem ganzen Kram nicht eben kleiner wird.

Fassen wir also zusammen: Das sind schon alles ziemlich ungute Entwicklungen, die ich da für mich und bei mir beobachte und ich hoffe wirklich, wirklich sehr, dass eine Rückkehr zu so etwas wie einem normalen Stadionalltag viele der Sachen, die jetzt so aufgebrochen sind oder sich eingeschliffen haben, zumindest wieder etwas heilen lässt.

Und es steht mit Blick auf Blog und Podcast nach jeder Menge Text immer noch die Frage im Raum, wie es hier nun eigentlich weitergeht.

Nun, es mag nach den ganzen Ausführungen bis hierher reichlich paradox klingen, aber aus sportlicher Sicht bin ich, wie oben schon geschrieben, tatsächlich gespannt auf die neue Spielzeit und habe nach wie vor große Lust, sie auch in Blog und Podcast zu begleiten. Wie das genau aussehen wird, weiß ich jetzt allerdings noch nicht so richtig, bin mir aber ziemlich sicher, dass das Ganze wohl ein Stück weniger emotional, dafür aber analytischer werden wird. In dem Zusammenhang darf ich schon mal verkünden, dass sich unsere Podcast-Hörer*innen in der Spielzeit 21/22 auf zwei Kaderanalyse-Folgen mit den Kollegen von CREATEFOOTBALL freuen dürfen, und zwar jeweils nach dem Ende der Transferperiode im Sommer und Winter. In der kommenden Woche wird es außerdem hier einen Text zu Daten im Fußball geben, der ebenfalls aus der Kooperation mit CREATEFOOTBALL hervorgeht.

Apropos Kooperation und Datenanalysen und so: Dass der Kollege Jeremy, besser bekannt als „Virtualfootball Magdeburg“, großartige Dinge macht, wisst Ihr natürlich längst. Im Podcast werdet Ihr ihn sicher in der neuen Saison wieder hören und inzwischen gibt es für den Mann, der gerade testweise zusätzlich zu seinen ganzen anderen Inhalten eine Presseschau zum Club anbietet, auch eine Unterstützungsmöglichkeit. Schaut da also auf jeden Fall mal vorbei!

Hier im Blog wird es derweil (abgesehen von der „Ein Spiel, zwei Perspektiven“-Reihe) insgesamt ruhiger werden als zu Vor-Corona-Zeiten, was schlichtweg daran liegt, dass die Stadionbesuche für mich mindestens mal in der kommenden Saison eher die Ausnahme als die Regel sein werden, und das hat ganz einfach mit meiner (inzwischen ja nicht mehr ganz so neuen) Rolle als Familienvater zu tun. Wenn Du 370 km von der Festungsstadt entfernst wohnst und die Supportstrukturen durch Familie und Freunde hier vor Ort sehr, sehr überschaubar sind, ist es einfach nicht mehr so ohne weiteres möglich, jedes Wochenende in irgendeinem Stadion rumzuspringen. Das ist schade, aber inzwischen irgendwie auch okay, vielleicht hat eben alles seine Zeit.

Klar ist derweil: Zu den Spielen, die ich besuche, wird es definitiv auch Texte hier im Blog geben und wenn es das erste Mal wieder organisierten Support im Heinz-Krügel-Stadion gibt, fällt mir jetzt erstmal nichts ein, was mich davon abhalten könnte, am Start zu sein. Gut, die Geburt unserer Tochter vielleicht, aber das ist erst im Oktober und bis dahin werden wir ja wohl hoffentlich schon mal gemeinsam eingeklatscht und ein donnerndes „Fussballclub Magdeburg!“ durchs Stadionrund geschickt haben. Allein bei dem Gedanken daran bekomme ich Gänsehaut.

Was übrigens ein ganz gutes Zeichen ist, so ganz nüchtern kann ich meinen 1. FC Magdeburg dann eben doch nicht betrachten. Der FCM bleibt Schicksal, der FCM bleibt Stolz, und irgendwie summt hier schon die ganze Zeit jemand Grönemeyer:

„Es gibt viel zu verlieren / Du kannst nur gewinnen / genug ist zu wenig / oder es wird so, wie es war / Stillstand ist der Tod / geh voran, bleibt alles anders / der erste Stein fehlt in der Mauer / der Durchbruch ist nah.“

In diesem Sinne: Auf ein Neues, Clubfans!

 

Beitragsbild: „Elefant“ von Mario Storch via Flickr | Lizenz: CC BY 2.0

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