1. FC Magdeburg – SV Sandhausen, 25. Spieltag, 0:1 (0:0)
Es ist schon krass, wie sich Vorzeichen innerhalb von nur 10 Tagen komplett drehen können. Da spielt die Mannschaft zu Jahresbeginn einen richtig guten Ball, gewinnt in Ingolstadt und gegen Aue, man wähnt sich zumindest mal auf einem vielversprechenden Weg – und dann verliert der 1. FC Magdeburg innerhalb der besagten 10 Tage zweimal hintereinander gegen den jeweiligen Tabellenletzten. Und das, zumindest was das Heimspiel (!) gegen Sandhausen betrifft, alles andere als unverdient. Ein bisschen fühlt es sich so an, als würde einem der Boden unter den Füßen weggezogen. Wenn man dann noch bedenkt, dass mit Christian Beck die zentrale Figur in unserem Spiel länger ausfällt und wenn man die Partie gegen Sandhausen, in der der Club offensiv kaum mal Lösungen fand, in voller Länge gesehen hat, fällt es gerade wirklich schwer, den Silberstreif am Horizont zu sehen. So schnell kann‘s gehen.
Möglich natürlich, dass diese Zeilen hier noch zu stark unter dem Eindruck es am 25. Spieltag Gesehenen stehen und der Text vielleicht einen anderen Duktus bekäme, wenn er mit ein paar Tagen Abstand geschrieben worden wäre. Möglich aber auch, dass sich das eher ungute Gefühl bei entspannterer Betrachtung noch verstärkt – wer weiß das schon. Fangen wir daher lieber mit einer richtig gelungenen Aktion an. Oder mit der gelungenen Aktion, so wahnsinnig viele weitere gab es nämlich nicht.
Mit der Partie gegen den SV Sandhausen ging im Heinz-Krügel-Stadion bekanntermaßen eine Ära zu Ende. Die Nordtribüne, wie wir sie kennen und lieben gelernt haben, werden wir in der jetzigen Form nicht wiedersehen; bereits zum nächsten Heimspiel gegen den 1. FC Heidenheim steht umbaubedingt der Umzug auf die gegenüberliegende Stadionseite an. Block U nahm das zum Anlass, sich mit einer letzten, großartigen Choreographie vom Herz des Stadions zu verabschieden. Eine große Blockfahne wurde hochgezogen und von blau-weißen Schwenkern gerahmt, hinter dem Tor stand „Heute ist nicht aller Tage – wir kommen wieder, keine Frage!“ in großen Lettern geschrieben. Ein angemessener Abschied für einen Ort, der trotz seiner nur knapp zwölfundeinbisschenjährigen Existenz schon jede Menge Geschichte geatmet hat. Aber dazu ein andermal.
Spiel ohne Beck
Kommen wir, auch wenn es weh tut, zum Sportlichen. Trainer Michael Oenning musste aufgrund der Verletzung von Christian Beck sowie der kurzfristigen Ausfälle von Jan Kirchhoff und Felix Lohkemper deutlich stärker umbauen, als ihm lieb gewesen sein dürfte, und entschied sich in einer 4-3-3-Grundordnung zum Start der Partie für die folgenden Akteure: Giorgi Loria hütete das Tor, vor ihm in der Viererkette spielten, wie zuletzt, Timo Perthel, Tobias Müller, Dennis Erdmann und Marius Bülter. Nico Hammann ersetzte Jan Kirchhoff auf der 6, davor agierten Rico Preißinger und Charles Elie Laprevotte. Die offensive Dreierreihe bildeten diesmal Michel Niemeyer, Steven Lewerenz und Philip Türpitz.
Eigentlich begann die Partie ja recht verheißungsvoll: Bereits in der 1. Minute konnte Michel Niemeyer von der linken Seite flach in den Strafraum spielen, wo Laprevotte eingelaufen kam und freie Schussbahn hatte. Ein Sandhäuser Verteidiger konnte den Ball aber im letzten Moment noch aus der Gefahrenzone befördern. Schade, aber das sah schon ganz gut aus – so durfte es gern weitergehen!
Ging es aber nicht. Stattdessen startete erstmal die oben angesprochene Choreo und als die Fahnen den Blick auf das Spielfeld wieder freigaben, sah man zumindest von der Nordtribüne aus erst einmal die Gäste Fußball spielen. In der achten Minute landete ein Anspiel zentral im Strafraum bei Andrew Wooten, dessen Schuss allerdings geblockt werden konnte. Im weiteren Verlauf hatte Sandhausen mehr vom Spiel, fand aber zunächst nicht noch einmal den Weg in den Sechzehner.
Nach einer knappen Viertelstunde tauchte dann auch der FCM wieder im offensiven Drittel auf, indem Philip Türpitz auf der rechten Seite bedient wurde und eine Flanke versuchte, die allerdings erst an einem Verteidigerbein hängen blieb und danach von Marcel Schuhen im Sandhäuser Tor problemlos heruntergepflückt werden konnte. Auch wenn die Aktion letztlich ohne Ertrag blieb, gelang es dem FCM in den nächsten Minuten immerhin, den Ball etwas länger in den eigenen Reihen zu halten. Allerdings sah das, was der Club mit dem Spielgerät anzufangen versuchte, doch reichlich dünn aus. Klar, mit Beck fehlte vorne der Stürmer, der die Lücken reißt, Bälle festmacht, weiterverteilt oder im Zweifelsfall selbst in Richtung Tor donnert. Warum man dann aber trotzdem versuchte, mit hohen Anspielen zum Erfolg zu kommen, dürfte sich wohl nur Eingeweihten erschlossen haben. Gegen eine Defensivreihe, die gefühlt drei Köpfe größer war als Niemeyer, Türpitz und Lewerenz, sahen die Genannten in der Luft jedenfalls keinen Stich.
In einer Halbzeit ohne wirkliche Höhepunkte kam Sandhausen in Person von Philipp Förster in der 24. Minute noch mal zu einem Abschluss, den Loria aber sicher fangen konnte. In der 43. Minute erreichte eine Halbfeldflanke Fabian Schleusener im Sandhäuser Trikot; in allerhöchster Not kam aber Tobias Müller herangerauscht und grätschte den Ball ganz stark ab, bevor er in Richtung Tor unterwegs war.
Beim Club tat sich offensiv, zumal für ein Heimspiel, erschreckend wenig. Einzig in der 36. Minute gab es noch mal einen Hauch von Torgefahr, als ein Eckball zu einem Einwurf führte, Sandhausen den Ball nicht aus der Gefahrenzone bekam und Philip Türpitz von links einfach mal abzog. Der abgefälschte Schuss führte zu einer weiteren Ecke, nach einer zu kurzen Sandhäuser Abwehr versuchte es Michel Niemeyer aus dem Rückraum direkt. Der Schuss ging deutlich rechts am Tor vorbei.
Zwei Ecken für Sandhausen in Folge und die besagte Aktion von Schleusener und Müller später war Halbzeit und hatte der Club in den ersten 45 Minuten nicht einen Ball wirklich auf den Kasten des Gegners gebracht. Dass es mit dem Toreschießen so natürlich schwierig wird, ist jetzt keine Atomphysik.
Nicht vergnügungssteuerpflichtig
Auch der zweite Durchgang startete aus blau-weißer Perspektive eigentlich ganz okay, auf jeden Fall aber etwas druckvoller. In der 51. Minute konnte Rico Preißinger mal auf Michel Niemeyer durchstecken, allerdings geriet der Vertikalpass ein Stückchen zu lang, sodass Sandhausens Keeper letztlich ohne Probleme zupacken konnte. Das war es dann aber offensiv auch schon wieder, der nächste Abschlussversuch – und gleichzeitig der erste (!) richtig gefährliche Ball für Schuhen – war dann erst in Spielminute 73 zu verzeichnen.
In der Zeit dazwischen passierte wenig Aufregendes. Nach 58 Minuten stellte Giorgi Loria seine Sprint-Qualitäten unter Beweis, als er einen abgefälschten Gästefreistoß mit einem beherzten Schlussspurt noch ins Seitenaus befördern konnte und so eine Ecke verhinderte. In der 62. Minute kam Nils Butzen für den glücklosen Steven Lewerenz ins Spiel und rückte hinten rechts in die Kette, während Marius Bülter nun den Mittelstürmer gab. 67 Minuten waren gespielt, als die Gäste mal schnell umschalteten und Giorgi Loria von Schleusener getestet wurde, den Schuss aber fangen konnte.
So, und in der 73. Minute nahm das Unheil dann seinen Lauf, paradoxerweise auch noch ausgehend von der besten FCM-Gelegenheit im Spiel: Es gibt eine Ecke von links, die Niemeyer gut vor das Tor bringt und dort den Kopf von Dennis Erdmann findet. Der Kopfball geht in die linke Ecke, Schuhen taucht – und kann den Ball ganz stark parieren. Im direkten Gegenzug fällt dann das 0:1: Nach einer kleinen Kopfballstafette gewinnt der kurz vorher eingewechselte Kevin Behrens im Mittelfeld das entscheidende Luftduell gegen Timo Perthel und kann den Ball auf den mutterseelenallein laufenden Andrew Wooten nicken. Der bleibt vor Loria völlig cool und vollendet zum 0:1 aus Magdeburger Sicht. Wenn man es dem Gegner so einfach macht, muss man sich halt nicht wundern, dass es dann auch klingelt.
Insgesamt war das schon ein gewaltiger Schlag in die Magengrube. Wie, bitteschön, sollte man jetzt hier zwei Tore zum so wichtigen Sieg erzielen, wenn es kaum mal gelang, in die Nähe eines einzigen zu kommen? Was man der Mannschaft definitiv zu keinem Zeitpunkt vorwerfen konnte, war, es nicht wenigstens zu probieren. So flankte Bülter in der 75. Minute sehenswert von links auf den langen Pfosten und zwang Schuhen zum Eingreifen. Der Ball rutscht ihm über den Handschuh, ärgerlicherweise stand dann aber niemand im dahinter liegenden Raum, sodass die Situation daher ungefährlich blieb.
Nachdem Dennis Diekmeier in der 82. Minute für eine schicke Flugeinlage von Loria gesorgt hatte, stand fünf Minuten vor dem Ende erneut Schuhen im Blickpunkt. Einen Freistoß von links klärte er nämlich vor die Füße von Erdmann, der noch einen kleinen Schritt zur Seite macht und erstmal einen Sandhäuser Abwehrspieler im Strafraum abschießt. Die nachfolgende Ecke verpuffte dann ergebnislos.
Naja, und der Rest der Partie ist schnell erzählt: Tarek Chahed ersetzte nach 86 Minuten Nico Hammann, der Club versuchte noch mal viel, blieb aber viel zu harmlos. Nach 90+3 Minuten beendete Schiedsrichter Willenborg dann die Partie und bescherte dem SV Sandhausen einen unter dem Strich nicht unverdienten Auswärtssieg.
Fazit:
Was ist nur passiert? Nimmt man die Spiele in Duisburg und jetzt gegen Sandhausen zusammen, darf trotz der ganzen Ausfälle schon die Frage erlaubt sein, was mit der Mannschaft eigentlich geschehen ist. Wo ist der erfrischende Offensivgeist hin? Was ist mit dem Selbstvertrauen und -bewußtsein passiert, das sich das Team mit den Siegen gegen Aue und in Ingolstadt mühsam erarbeitet hat? Wo ist das Selbstverständnis (vor allem auch zuhause), mit breiter Brust aufzutreten und einfach sein Ding zu machen? Das kann doch eigentlich nicht alles weg sein, zumal der Club doch inzwischen gezeigt hat, dass man es besser kann. Vielleicht, nur eventuell, ist das ja dann aber doch der kleine Silberstreif, der die Stimmung etwas heben kann: Die Mannschaft kann erfolgreich Fußball spielen. Nur sollte sie es zeitnah auch mal wieder unter Beweis stellen.
Was also bleibt von diesem 25. Spieltag? Unter dem Strich wohl vor allem eine ganze Menge Missmut, der sich gern sehr schnell in positive Energie, vielleicht auch gemischt mit einer satten Portion Trotz, verwandeln darf. Und natürlich, vollkommen unabhängig vom sportlichen Geschehen, der Abschied von einem geliebten Platz, der immerhin ein paar Jahre lang so etwas wie ein Zuhause war. Mach‘s gut, Nordtribüne, Du olle Hulle! War schön mit Dir; ich freue mich auf ein Wiedersehen. Ach ja, und bevor das hier noch untergeht:
Scheiss Dynamo!
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