1. FC Magdeburg – 1. FC Köln, 34. Spieltag, 1:1 (0:1)
Nun ist sie also Geschichte, die bisher einzige Spielzeit des 1. FC Magdeburg in der 2. Fußball-Bundesliga. Schon krass, wie schnell am Ende doch die Zeit vergeht. War es nicht erst gestern, dass wir uns alle auf den Saisonauftakt gegen den FC St. Pauli gefreut haben? Am letzten Spieltag gegen den Zweitligameister aus Köln jedenfalls war das Sportliche allenfalls ein Nebenschauplatz. Es galt, die Spielzeit ordentlich zu Ende zu bringen, all diejenigen Nasen im Block noch einmal zu sehen, auf die man die nächsten paar Wochen wird verzichten müssen, die eine oder andere Bratwurst und ein, zwei Kaltgetränke beim Soli-Grillen zu konsumieren und natürlich nach der Partie die Spieler zu verabschieden, deren Wechsel zum jetzigen Zeitpunkt schon feststehen. Und weil auch das Wetter mitspielte, war das alles in allem doch ein recht gelungener Saisonabschluss, von der finalen Platzierung in der Tabelle und einigem Blödsinn am Gästeblock einmal abgesehen.
Fahnenmeer
In einer Begegnung, in der es für beide Mannschaften um gar nichts mehr ging, war es erst einmal verwunderlich, dass der Club mit nur vier Ersatz-Feldspielern und Keeper Alexander Brunst auf der Bank begann. Christopher Handke, der immerhin sechs Jahre im Verein war und in 158 Spielen die Knochen für die Größten der Welt hingehalten hatte, suchte man in der Aufstellung vergebens, auch dem einen oder anderen Nachwuchsspieler mit Perspektive auf einen Kaderplatz bei den Profis in der neuen Saison hätte man das Erlebnis 2. Liga sicher mal gönnen können. Aber gut, ohne Hintergrundwissen ist es natürlich müßig, über die Gründe für die Namen (oder das Fehlen selbiger) auf dem Spielberichtsbogen zu spekulieren.
Die erste Elf für das Spiel gegen Köln bestand dann aus Giorgi Loria im Tor sowie Timo Perthel, Tobias Müller, Dennis Erdmann und Marcel Costly in der Viererkette davor. Nico Hammann begann zusammen mit Björn Rother im zentralen Mittelfeld, Rico Preißinger sortierte sich ebenfalls im Mittelfeld, aber ein Stück weiter vorn ein. Die offensive Dreierkette bestand diesmal aus Felix Lohkemper, Christian Beck und Tarek Chahed.
Da das Geschehen auf dem Rasen nur so halb interessant war, ist es vielleicht ganz spannend, sich dem Spiel eher über die Gesänge in der Kurve zu nähern. Die waren nämlich gleich zu Beginn ordentlich laut, als beim Einlaufen der Mannschaften ein „Olé, FCM!“ angestimmt wurde und zahlreiche Winkelemente das Heinz-Krügel-Stadion in ein Fahnenmeer verwandelten. Drüben im Gästeblock hatte man noch Pyro-Restbestände gefunden, die unbedingt verbraucht werden mussten, und entsorgte die ersten Bengalos gleich mal in der eigenen Kurve.
Bereits in der 3. Minute geschah unten auf dem Rasen das Erwartbare: Die Gäste aus Köln gingen durch ein Kopfballtor von Simon Terodde in Führung. Vorausgegangen war eine tiefenentspannte Flanke von links, die Kölns Topstürmer unbedrängt und unhaltbar für Giorgi Loria ins Tor befördern konnte. Tja nun, das kann doch einen Clubfan nicht erschüttern. Soweit das zwischen den kleinen und großen Schwenkern auf der Südtribüne erkennbar war, störte sich der Club allerdings ohnehin nicht groß am Rückstand und kam sowohl in der 5. (Abschluss von links) als auch der 11. Minute (Kopfball nach einer Ecke) zumindest in die Nähe des Ausgleichs.
Im Gästeblock verlegte man sich derweil auf langweiligen Bundesliga-Singsang, während die Südtribüne ein paar schöne Spitzen in die Ecke schickte. Von „In Europa kennt Euch keine Sau!“ über „Für Mönchengladbach seid Ihr ganz schön laut!“ und „Auch im Heimspiel wart Ihr ganz schön laut!“ waren da schon ein paar schöne Dinger dabei. Köln versuchte sich auch kurz an einer Antwort, gab dann aber schnell auf und säuselte sich vorerst wieder in die Besinnungslosigkeit.
Unten auf dem Rasen knallte in der 18. Minute ein blau-weißer Abschluss an die Latte, in der 20. Minute hätte es außerdem gut und gerne 1:1 stehen können: Christian Beck gewinnt den Ball im linken Mittelfeld und steckt durch auf Rico Preißinger, der von dort in den Strafraum flankt. Der Ball erreicht Tarek Chahed, der ihn an sich nur noch aufs Tor dreschen muss, sich aber für die erneute Ablage auf den nicht gänzlich frei stehenden Felix Lohkemper entscheidet. Aus dem potentiellen Torschuss wird ein Ballverlust, was generell natürlich ärgerlich ist, in diesem Spiel aber irgendwie zu verschmerzen war.
Auf der Anzeigetafel leuchtete inzwischen die 22. Minute und nun war es Zeit, für einen der vielen Gänsehautmomente an diesem Nachmittag zu sorgen, indem die scheidenden Nils Butzen und Christopher Handke mit Sprechchören bedacht wurden. Ein großartiger Augenblick, der zumindest mir die eine oder andere Szene mit beiden Spielern in den Kopf zauberte. Fußball ist bekanntermaßen ja ein Drecksgeschäft, in einem halben Jahr reden wir nämlich alle schon wieder über ganz andere Spieler. Fehlen werden beide trotzdem – sie haben, das kann man wohl so sagen, eine Ära geprägt.
Auf dem Rasen ereignete sich in der Zwischenzeit wenig Spektakuläres. Einzig ein Freistoß aus eigentlich perfekter Position, 17 Meter zentral vor dem Tor, ist noch in Erinnerung. Bereit standen Timo Perthel und Nico Hammann; letzterer war es schließlich, der den Ball doch deutlich über den Kasten zimmerte. Zwischen „Früher ging es gegen die Sachsen…“ (32.) und „FCM, Du wunderschöne…“ (45.) passten dann noch ein FCM-Konter über Chahed, Preißinger und Lohkemper, an dessen Ende es dann Chahed ist, der Kölns Thomas Kessler im Gästetor prüft und eine Freistoßvariante über Rother im rechten Halbfeld, der völlig frei in die Mitte auf Dennis Erdmann flanken konnte. Der wiederum bekam den Ball dann aber nicht aufs Tor gedrückt, sodass es vorerst beim Ein-Tore-Rückstand blieb. Mit dem anschließenden „In Scharen ziehen wir durch’s Land…“ wurde die Mannschaft schließlich in die Halbzeitpause verabschiedet.
„Wenn wir wollen, hüpfen wir Euch tot!“
Vier Minuten nach Wiederanpfiff dann der nächste Gänsehautmoment: Marcel Costly verließ den Platz, für ihn kam ein allerletztes Mal Nils Butzen. Vorher (47.) hatte sich Nico Hammann an einem Fernschuss versucht, den Thomas Kessler aber ohne Probleme halten konnte. Und weil es dann am Gästeblock zu einiger Aufregung kam, ging das 1:1 durch Felix Lohkemper fast ein wenig unter. Rico Preißinger hatte in der 53. Minute einen schicken Vertikalpass gespielt, den Lohkemper in vollem Lauf perfekt mitnehmen konnte, um den Ball dann am Keeper vorbei ins lange Eck zu schieben. Ausgleich gegen den Zweitliga-Meister. Schön. Und irgendwie so emotional wie ein Stück Brot.
Was in der Zwischenzeit am und im Gästeblock los war, wurde ja in den sozialen Medien inzwischen schon recht ausgiebig diskutiert. Von meinem Standort aus nahm ich nur einzelne Menschen war, die sich, mit blau-weißen Sturmhauben bekleidet, anschickten, den Kölnerinnen und Kölnern nebenan einen kleinen Besuch abzustatten, sich dann aber mit einer Position auf dem Trennzaun begnügten. Im Gegenzug flog die eine oder andere Leuchtspur aus der Gästekurve in unsere Reihen. Keine Ahnung, was da der Auslöser war; wenn man sich diese ganze Aktion gespart hätte, wäre der Nachmittag aber mit Sicherheit kein schlechterer gewesen. Das Spiel wurde unterbrochen, nach ein paar Minuten konnte es aber weitergehen.
Köln positionierte sich irgendwann um die 66. Minute herum in Handball-Manier um den Magdeburger Strafraum und bewerkstelligte auch einen passablen Torschuss, der im Nachfassen aber bei Giorgi Loria landete. Ein paar Minuten später fand eine Butzen-Flanke von rechts den Weg in den Strafraum, nachdem unsere Nummer 16 seinen Gegenspieler zum Tanz gebeten hatte. In der Mitte verpasste Christian Beck, allerdings konnte der FC den Ball nicht klären, sodass Felix Lohkemper noch einmal zum Abschluss kam. Sein Schuss ging aber deutlich über das Tor.
In der 74. Minute kam Richard Weil für Björn Rother, während das Spiel mehr und mehr zum Sommerkick wurde. Wirklich weh tun wollte sich hier keiner mehr; verdenken konnte man es den Akteuren aber auch irgendwie nicht. Warum noch große Risiken eingehen, wenn doch der Urlaub vor der Tür steht? Verletzungsbedingt gewechselt werden musste trotzdem noch einmal: Nach einer längere Behandlungspause verließ Loria ein letztes Mal als Spieler des FCM den Rasen des Heinz-Krügel-Stadions, für ihn kam Alexander Brunst. Gute Besserung an der Stelle an den georgischen Nationalkeeper!
Der Rest des Nachmittags gehörte dann den Rängen und denjenigen Spielern, die in der kommenden Saison nicht wieder für das blau-weiße Emblem auflaufen werden. Vom Vorsängerpodest aus wurde so um die 87. Minute herum ein herrlich selbstironisches „Nie mehr 2. Liga!“ angestimmt, kurz danach wurde dem eigenen Selbstverständnis mit einem knackigen „Die Nummer Eins der Welt sind wir!“ und „Ganz Deutschland steht in Deinem Schatten, FCM!“ Ausdruck verliehen. Naja, und dann, als eh alles irgendwie egal war, kam die Ansage: „Alle einhaken!“
Ganz ehrlich: Das war schon ein richtig geiles Gefühl, als die gesamte Südtribüne (also jedenfalls der Teil in den richtigen Farben) zu „Einmal blau-weiß, immer blau-weiß!“ zu hüpfen begann. Da merkte man erst einmal, wie sehr das zuhause doch fehlt. Ein bisschen Feuer gab es auch, dazu später noch eine „Fußballclub Magdeburg“-Hüpfeinlage – hätte man es nicht besser gewusst, wäre man wohl davon ausgegangen, dass die Größten der Welt hier heute irgendwas gewonnen hatten. Sehr, sehr schön. Der Boden unter meinen Füßen schwingt immer noch.
Mit reichlich Nachspielzeit durch die Unterbrechung und die verhältnismäßig lange Behandlungspause von Giorgi Loria ging die Partie dann zu Ende, gegen 17:25 Uhr beendete Schiedsrichter Sven Waschitzki für den 1. FC Magdeburg vorerst das Kapitel „2. Liga“.
Wie vorher angekündigt, ging es nun an die Verabschiedung der Spieler und ich weiß nicht, ob es nur mir so geht, aber eine etwas koordiniertere Vorgehensweise hätte ich mir da schon gewünscht. Das wirkte alles wenig abgesprochen und dadurch reichlich improvisiert, was den Akteuren, die den Verein verlassen, irgendwie nur halb gerecht wurde. Besser machten es da die Vertreter von Block U, die Nils Butzen und Christopher Handke noch einmal extra würdigten und beiden Spielern vom Vorsängerpodest aus gute Worte mit auf den weiteren Weg gaben. Und als Butzen dann vor die Kurve kam, sein Trikot auszog und es hoch zum Vorsängerpodest warf, war ich schon ganz froh, dass ich in dem Moment eine Sonnenbrille trug… Danke für alles, macht es gut und, um mit den Worten von Nico auf dem Podest zu sprechen: „Man sieht sich immer zweimal im Leben“!
Auch allen anderen Spielern und dem Trainer gebührt natürlich ein Dank für die Zeit bei uns an der Elbe, auch wenn es am Ende keine erfolgreiche Saison geworden ist. Momente wie den Sieg in Hamburg, den ersten Heimsieg gegen Aue, den ersten Dreier in Liga 2 überhaupt, damals in Sandhausen und viele weitere, positive Momente werde ich gern in guter Erinnerung behalten. Dankeschön, Michael Oenning, Giorgi Loria, Mario Seidel, Jan Kirchhoff, Felix Lohkemper, Dennis Erdmann, Richard Weil, Aleksandar Ignjovski, Steven Lewerenz, Romain Brégerie und Michel Niemeyer!
Fazit:
Tja, nun ist sie, wie gesagt, rum, diese Zweitligasaison, für die wir uns sicher alle mehr erhofft haben als die direkte Rückkehr in die 3. Liga. Es ist Sommerpause und ich bin mir noch gar nicht richtig sicher, ob ich da überhaupt schon Bock drauf habe. Sicherlich wird es gut tun, mal ein wenig durchzuatmen und den Fußball Fußball sein zu lassen, auf der anderen Seite werden der Abstieg und seine Folgen uns alle aber vermutlich ohnehin den ganzen Sommer über begleiten. Spieler wollen verpflichtet, ein neuer Trainer vorgestellt werden, irgendwann kommen die Dauerkartenpreise und der Spielplan und, ach ja, am 19. Juli könnte es ja potentiell schon weitergehen. Viel Zeit, um Abstand zu gewinnen, bleibt also nicht. Auch hier im Blog ist mit diesem Beitrag noch nicht Schluss, zu viel geistert zur Spielzeit 2018/2019 noch im Kopf herum, das eigentlich mal systematisiert und aufgearbeitet werden müsste.
Schauen wir also mal, wo es uns noch so hintreibt. Sicher ist auf jeden Fall eins: langweilig dürfte es mit dem 1. FC Magdeburg in den nächsten Wochen nicht werden.
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