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Unbesiegbar

Chemnitzer FC – 1. FC Magdeburg, 24. Spieltag, 0-0 (0-0)

„Unser Club ist unbesiegbar! Niemand kann uns aufhalten! Die ganze Welt kennt Deinen Namen – mein großer 1. FCM!“

…und irgendwann hatten wir das Stadion dann ganz für uns alleine.

Während die Chemnitzer Südkurve, genau wie alle anderen Stadionbesucher, die es nicht mit den Größten der Welt hielten, längst auf dem Heimweg waren, besang der Gästeblock an der Gellertstraße immer noch sein Team und lief das oben zitierte Lied auf Endlosschleife. Und das, obwohl die 8.278 Zuschauer im neuen Chemnitzer Stadion in dieser 24. Punkterunde den spielerisch möglicherweise schwächsten Saisonauftritt des 1. FC Magdeburg zu sehen bekommen hatten. Gute 45 Minuten (!) nach Abpfiff kam auch die Mannschaft noch einmal auf den Rasen und bedankte sich ein zweites Mal für die Unterstützung und den Liebesbeweis, die und den es in dieser Form wohl auch nur bei uns geben kann. 

Vor der Begegnung waren die Voraussetzungen eigentlich klar: Ost-Duell, natürlich, aber auch das Spiel eines selbstbewussten Aufsteigers gegen einen verunsicherten Gastgeber, der nach der Auftaktpleite in Kiel erwartungsgemäß Wiedergutmachung bei den eigenen Anhängern würde betreiben wollen. Umso erstaunlicher, dass Blau-Weiß sich vom engagierten und mutigen Auftreten der Chemnitzer im Prinzip die ganze Partie über einigermaßen beeindruckt zeigte und große Schwierigkeiten hatte, Ruhe und Kontrolle ins eigene Spiel zu bekommen. Auffällig besonders in Halbzeit eins, dass sich den Himmelblauen im (offensiven) Mittelfeld und in Strafraumnähe erstaunlich viele Räume boten, aus denen Chemnitz zu unserem großen Glück aber kein Kapital schlagen konnte. Eine spielerisch gefestigtere Mannschaft kreiert da vielleicht 2, 3 Hochkaräter draus und wer weiß, wie dieser Text hier aussehen würde, wenn man an der Gellertstraße in Rückstand geraten wäre.

Stattdessen waren die vielversprechenden Torabschlüsse in der ersten Halbzeit – wenn auch ein wenig glücklich – tatsächlich aufseiten der Gäste zu verzeichnen und beide Mal stand der sichtlich unsichere Chemnitzer Keeper Gersbeck im Mittelpunkt: In der 25. Minute verrutscht Steffen Puttkammer eine Flanke, die immer länger wird und vor der Chemnitzer Kurve an den Pfosten klatscht, zwei Minuten später kann Gersbeck einen strammen Schuss von Christian Beck nicht festhalten und hat Glück, dass sein Abpraller in die Strafraummitte keinen blau-weißen Abnehmer findet. Ansonsten blieb in unseren Offensivbemühungen vieles Stückwerk, gingen die Bälle im Spielaufbau und aus der Abwehr heraus phasenweise entweder viel zu schnell verloren oder direkt in die Beine des Gegners und fehlte an vielen Stellen das Feintuning, was das eigene Passspiel betraf.

Was die Begegnung spielerisch schuldig blieb, wurde allerdings beidseitig durch Kampf und Leidenschaft wettgemacht. Etliche Nicklichkeiten führten zu einigen Spielunterbrechungen und in der 42. Minute dann auch zu der Szene, die der Begegnung möglicherweise die entscheidende Wendung gab, allerdings paradoxerweise eher zugunsten der Gastgeber: Nach einem rustikalen (und korrekterweise mit Gelb geahndeten) Foul von Sebastian Ernst an der Außenlinie in der Chemnitzer Hälfte gibt es eine zünftige Rudelbildung – und plötzlich ist Chemnitz nach einer glatt roten Karte für Daniel Frahn nur noch zu zehnt. Große Ratlosigkeit hüben wie drüben, die Auflösung brachten später die Fernsehbilder: Frahn mit der Hand am Hals von Niklas Brandt, damit mit einer Tätlichkeit und eben dem Platzverweis. Harte, aber nachvollziehbare Entscheidung. Oder um es mit den Worten von Gunnar vom Stehblog zu sagen:

Wer nun dachte, dass der Club die Begegnung in der zweiten Hälfte und mit einem Mann mehr locker nach hause bringen (oder wenigstens mit mächtig Druck loslegen) würde, sah sich im weiteren Spielverlauf eines Besseren belehrt. „Jetzt erst recht!“ muss es zur Halbzeit wohl in der Kabine der Gastgeber geheißen haben, eine Mannschaft in Unterzahl war in den zweiten 45 Minuten jedenfalls nicht zu erkennen. An der Stelle muss man dem Team des Chemnitzer FC dann auch einfach mal Respekt zollen: Wer nach dem Punktspielauftakt und dann noch in Unterzahl gegen eine Magdeburger Mannschaft, die sicher nicht ganz zu Unrecht mit da oben steht, so eine Halbzeit abliefert, der hat sich den einen Punkt dann auch mehr als verdient.

Aus blau-weißer Sicht waren Highlights an diesem Tag tatsächlich rar, wenngleich sich die aktive Fanszene mit einer schicken Mützen-Choreo und einem soliden Auftritt wieder einmal mächtig ins Zeug legte…

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…und in Halbzeit 2 dann auch direkt mal für den Schmunzler des Tages sorgte, als in Reaktion auf eine doch recht gut aufgelegte Heimseite erst einmal ein ordentliches „Für Wismut Aue seid Ihr ganz schön laut!“ angestimmt wurde. Herrlich.

Ebenfalls in Halbzeit 2 kam auch Nico Hammann zu seinem Saisondebüt für die Größten der Welt und hinterließ in einer Mannschaft, die an diesem 05.02.2016 sicherlich nicht ihren besten Tag hat, einen sehr guten Eindruck. Im Vergleich zu Michel Niemeyer, der ihm in der 55. Minute Platz machen musste, wirkte er den Ticken robuster, abgeklärter, ruhiger am Ball – und verzeichnete kurz nach seiner Einwechslung gleich einen viel versprechenden Torschuss, der allerdings von einem Chemnitzer Abwehrspieler geblockt werden konnte. Ich lehne mich an der Stelle mal weit aus dem Fenster und behaupte, dass wir Nico Hammann in unserer nächsten Begegnung gegen Fortuna Köln von Anfang an sehen werden.

Seinen ersten Punktspieleinsatz für Blau-Weiß in 2016 verzeichnete außerdem Lars Fuchs, der in der 73. Minute Sebastian Ernst ersetzte, allerdings im Spiel nach vorn an diesem Tag auch nicht die erhofften Akzente setzen konnte – zumal der Wechsel positionsgetreu erfolgte und keine erkennbaren taktischen Änderungen nach sich zog, Fuchs also auf links spielte und Marius Sowislo im Zentrum hinter Christian Beck als einziger echter Spitze blieb. Wöllte man an dieser Stelle das beliebte „Was wäre gewesen, wenn…“-Spiel spielen, wäre die genau umgekehrte Konstellation mit Fuchs zentral und Sowislo dann außen auf jeden Fall das eine oder andere Gedankenexperiment wert…

Sei es aber drum. Natürlich kann man sich unter dem Strich darüber ärgern, dass es dem Club nicht gelang, aus der guten Ausgangsposition mit einem verunsicherten und dann auch noch in Unterzahl spielenden Gegner mehr Kapital zu schlagen. Nun ist es allerdings ja auch so, dass beim Fußball immer auch noch eine andere Mannschaft mitspielt, und die hat es den Größten der Welt nunmal beileibe nicht leicht gemacht – im Gegenteil. Manchmal kann Fußball so einfach sein und sich aus Chemnitzer Sicht insbesondere in der zweiten Hälfte auf eine ganz einfache Formel herunterbrechen lassen: „Solange wir den Ball haben, kann der Gegner wenigstens kein Tor schießen.“ Chapeau, CFC.

So bleibt am Ende zwar nur ein Punkt, aber eben auch ein weiterer Zähler auf dem Weg zum Klassenerhalt. Und auch wenn der Nimbus der Unbesiegbarkeit, der noch sehr lange nach Abpfiff kräftig besungen wurde, sicherlich irgendwann auch mal wieder Risse kriegt, haben Mannschaft und Fanszene in Chemnitz eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass man diese Einheit erst einmal schlagen muss. In diesem Sinne: „Immer vorwärts, FCM!“

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