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Im Gespräch mit: Markus Wuckel

Markus Wuckel

Teil 2: “Es musste ja weitergehen!”

AS: Ah ja, krass, dann gab es also auch zu der Zeit schon Bestrebungen anderer Vereine, Spieler abzuwerben. Später passierte das ja dann tatsächlich auch häufiger, dass Spieler ganz regulär gewechselt sind, so typisch war das ja aber nicht. Also hat Jena ganz schön gebaggert.

MW: Ja, einige waren auch unzufrieden dann, da waren Detlef Schößler, Damian Halata… Schößler ging, glaube ich, nach Dresden, Halata nach Leipzig und da bröckelte das schon so ein bisschen.

AS: Unzufrieden jetzt sportlich, oder?

MW: Ja, naja, bei uns war es ja immer so, dass eigentlich die Trainer alle aus dem eigenen Stall kamen. Das waren Spieler, das war ja Mewes dann auch oder Streich, und dann gab es mal ‘ne Zeit, da waren einige dann ein bisschen unzufrieden. Obwohl ich das nicht schlecht finde, man ist ja verbunden mit der Sache, wenn man auch Spieler war, dann lebt man das ja immer auch als Trainer. Aber da gab es dann schon mal so eine Zeit… ich weiß, die Abwerbung da von Jena da bei mir, das war schon sehr ungewöhnlich. Entweder Du wurdest delegiert zu Dynamo… aber so ein Wechsel oder sowas, es gab ja keine Börse oder so, das gab’s ja nicht. Aber die haben es dann mit aller Macht versucht. Die hatten auch gute Chancen, der Fußballverband hat das ja bestimmt auch unterstützt, weil die zu der Zeit immer im UEFA-Cup waren und wir eben nicht. Und deswegen gab’s auch Möglichkeiten. Aber Magdeburg hat dann dagegen gehalten für ihre Verhältnisse und dann war das halt so, dass ich gesagt habe: “Nee, ich fühle mich hier wohl, fertig, aus.” Obwohl das verlockend war, ne, das war ja… was die da aufgerufen haben… das war für mich überhaupt nicht nachvollziehbar zu dem Zeitpunkt. Das war ja Wahnsinn.

AS: Und dann hast Du ja in Magdeburg auch konstant getroffen, eigentlich auch mit einer sauguten Quote. Was mich ja brennend interessiert, weil das auch tatsächlich relativ schlecht beleuchtet ist, ist diese ganze Wendezeit. Du hast das ja dann eigentlich in der Blüte Deines Fußballerdaseins miterlebt und es gibt ja da diese Legenden von westdeutschen Managern, die wohl mit Geldkoffern am Spielfeldrand standen und versucht haben, die Leute direkt zu verpflichten. Wie hast Du denn diese Zeit erlebt? So diese 89/90er Saison oder auch eine später, wo es dann darum ging, die Bundesliga-Qualifikation zu schaffen? Ich meine, Du warst Stammspieler, Du hast konstant getroffen, da muss es ja Vereine gegeben haben, die gesagt haben: “Hier, der Wuckel, der wär’ einer!” Wie war das?

MW: Das war noch zu DDR-Zeiten, da gab es mal eine Kontaktaufnahme vom FC Bari. Ich sollte flüchten, das war das erste Mal. Ich weiß gar nicht, beim Intertoto-Cup in St. Gallen, da sollte ich abhauen. Das war das erste Mal, dass ich hätte gehen können. Aber ich war auch liiert und ja… ich hab’ das ja damals live mitbekommen, wie sie den Reinhard Rother aus ‘nem Café heraus weggeholt haben. Mit dem war ich ja total eng befreundet und den haben sie dann abgeholt, auf einmal war er weg. Und ich hab das ja auch selber bei mir in der Wohnung erlebt. Ich hatte aus dem Ausland so einen Rolli, wo Du Kinder reinsetzt und dann machen die los. Das gab es ja bei uns eigentlich nicht. Wir haben dann immer unseren Wohnungsschlüssel abgegeben, wenn wir zwei Wochen im Sommer frei hatten und dann hast Du gesagt: “Ich möchte die Raufaser”, Raufaser war ja damals was, “und die Tapete so”, und dann hast Du den Schlüssel abgegeben, bist wiedergekommen und hattest alles so, wie Du es haben wolltest. Das waren eben die Handwerker, Malermeister, haben das halt gemacht. Und dann weiß ich noch, mein Sohn ist dann da in diesem langen Flur lang, auf einmal war dessen Finger in der Wand. Ich hab’ gedacht, ich gucke nicht richtig, auf einmal war der Finger weg. Ich geguckt, ich meine Frau damals geholt, ich sach – “hier, guck mal!” Da haben die Wanzen eingebaut. Und alle halbe Jahre wurde das gewechselt. Und dann ist das rausgekommen mit dem Reinhard Rother. Wir haben uns ja unterhalten, ich hab’ später auch meine Stasi-Akte angefordert und so und wir waren im Café und dann hat er gesagt: “Ja, ich bin am Überlegen, wegzugehen” und so… meine Frau war viel mit seiner Freundin zusammen immer und das stand dann auch alles in der Akte, dass ich dann auch natürlich immer abgehört wurde und sowas… Ich hab’ dann nachher auch nicht mehr drin gesprochen, nichts mehr machen lassen und so, nur noch draussen gesprochen, das war richtig schlimm.

Ja, und dann war das so die Zeit, in der dann immer mehr bei uns weggingen. Das hast Du dann gemerkt, Dirk Schuster ist nach Braunschweig gegangen, die Kabine wurde immer leerer. Eigentlich hatten wir alle erst gesagt: “Okay, wir bleiben hier” und dann war es nachher so: “Rette sich, wer kann!” und man hat irgendwie versucht, unterzukommen. Du musstest ja auch irgendwie Geld verdienen und es musste ja weitergehen. Die Bundesliga-Qualifikation, die wurde dann ja eigentlich das wichtigste, die haben wir nicht geschafft, so, und dann…. Maxe Steinbach ist dann nach Oldenburg gegangen, glaube ich, Heyne ist nach Gladbach gegangen, Stahmann ist, glaube ich, geblieben, hat dann aufgehört und ist in ein Autohaus gegangen, ja. Und dann hatte jeder versucht, selber irgendwo durchzukommen. Es war ja auch so, wir wussten ja selber auch nicht, wie es in Magdeburg weiterging. Wir hatten in einem Jahr 3 Präsidenten, glaube ich, oder was man da so nennen kann… Und gerade in dem Jahr… ich glaube, Rostock hat es dann geschafft und Dresden…

AS: Ja, und obskurer Weise hat dann, glaube ich, auch der Hallesche FC mal ein Jahr zweite Liga gespielt, aber darüber reden wir nicht (*lacht*). Ich stell’ mir das ja wirklich so vor, dass dann da so Leute in langen Mänteln und Schlapphüten auftauchen und sagen: “Hier, pass auf, hier ist Dein Vertrag, kannst sofort anfangen”. Oder ist das Blödsinn?

MW: Na der Reiner Calmund ist schon rumgefahren mit ‘nem Koffer, aber ich selber hab’ das jetzt auch nicht so mitbekommen in Magdeburg. Jeder hat für sich dann auch versucht, da klarzukommen.

AS: Und dann warst Du lange verletzt, Du hattest nen Unfall, ne?

MW: Ja, nen Autounfall. Und dann war es natürlich schwierig, sich da wieder ranzukämpfen. Ich hab’s dann geschafft und dann war ich in Göttingen und da hab’ ich mal einen Beruf angefangen, denn den hatten wir ja nicht, wir hatten ja gar nichts. Ich hab’ dann überlegt: “Wie soll das mal weitergehen?” Ja, dann hat aber Rudi Assauer angerufen, ob wir uns treffen können. Oldenburg war damals 2. Liga, da bin ich dann nach Oldenburg. Um ein Tor hätten wir da fast den Aufstieg in die Bundesliga geschafft. Dann war es das mit der Ausbildung erstmal, in Oldenburg gespielt, Bielefeld, richtig geile Zeit, hier aufgestiegen mit der Arminia, dann bei Rot-Weiß Essen aufgestiegen, Traditionsverein ohne Ende. Ich glaube, ich brauchte das immer, weißt Du, so, wo ein bisschen mehr Herzblut drin ist und nicht irgendwie so nachgemachte Sachen.

AS: In Oldenburg hast Du ja dann, glaube ich, Maxe Steinbach wiedergetroffen…

MW: Ja! Der war ja auch schon in Magdeburg mein genialer Passgeber. Der hat mir ja aus dem Mittelfeld die Bälle aufgelegt im Strafraum, der hat ja echt was draufgehabt. Und ja, dann haben wir in Oldenburg gespielt.

AS: Okay, wir sind ja sozusagen jetzt im “Jetzt” angekommen, mehr oder weniger, und Du bist ja jetzt Trainer der Bielefelder Frauen… Was für ein Trainer ist denn Markus Wuckel? Was für ein Fußball spielt denn Deine Mannschaft so als ehemaliger Mittelstürmer?

MW: Boah! Also, wir sind die fitteste Mannschaft schon seit, was weiß ich, Jahren. Ich mache das jetzt schon 14 Jahre hier und wir leben viel auch von der Power. Dann spielen wir hohes Pressing, also wir haben in der Westfalenliga, ich weiß nicht, 130 Tore geschossen, dann ein Jahr später sind wir aufgestiegen und dann haben wir in der 3. Liga 125 Tore geschossen und so, ja… Am liebsten mit 11 Stürmern, kein Torwart und kein Abwehrspieler oder so, die sind sowieso überflüssig. Aber jetzt müssen wir so ein bisschen gucken, wir sind jetzt das erste Mal in der 2. Bundesliga und belegen dort derzeit Platz 5. Super Spiele gemacht, aber sich selber einzuschätzen, das ist natürlich dann immer ein bisschen schwierig. Ich hab’ ja auch noch ‘ne Fußballschule, seit 17 Jahren schon. Ich arbeite also mit Kindern und mit Frauen. Ich bin bodenständig und nicht irgendwie so, dass ich da von einem Verein zum anderen springe. Sehr emotional, sagt man mir nach. Eben Stürmer, ne? Nicht irgendwie so eine Trantüte.

AS: Hast Du noch einen Draht zum Club? Ich hab gesehen, in Lotte warst Du ja vor Ort, aber sonst so, insgesamt?

MW: Naja, wir haben 6 Mal die Woche Training, dann hab’ ich meine Fußball-Camps noch, dann hab’ ich Fußball-Tage vom DFB aus, wo wir Kinder auch in den Schulen ranholen, die jetzt nicht in Vereinen sind, ob Mädchen oder Jungs, das mache ich dann vormittags. So, dann ist am Samstag morgens Training und dann fährst Du ins Hotel, dann ist Sonntag Spiel, dann schon Montag. Es ist ganz, ganz wenig von der Zeit her, die man dann auch hat. Lotte war durch Zufall, ne? Ich hab’ dann mal geguckt, wo sie wann spielen, dann denke ich: “Mensch!”, da haben wir morgens trainiert, “dann schaffst Du es ja!” und dann bin ich da hingefahren. Hab ganz viele Leute getroffen und “Hey, Markus! Wucki!” und so und die haben sich riesig gefreut und Bilder gemacht… da konnte ich mir die Mannschaft dann auch mal live angucken und nicht nur im Fernsehen. Aber das ist so, die Mannschaft, die da jetzt ist, auch von den Typen her, der Beck und alle, das sind welche, die viel Herzblut in den Verein reinlegen und viel vom Zusammenhalt leben, ja? So ähnlich, wie viele FCM-Mannschaften zu meiner Zeit schon waren. Viel Robustheit, körperlich auch, groß, kopfballstark, zweikampfstark, das hattest Du damals mit uns und solchen Leuten wie Stahmann und so auch. Ja, das ist schon gut. Für mich ist auch ausschlaggebend, dass Magdeburg ja nie ein richtiges Auswärtsspiel hat, egal, wo sie sind. Und das ist der große Vorteil dann auch im Aufstiegskampf, nachher, wenn es drauf ankommt. Die sind niemals alleine, so, wie es das Lied auch sagt, und so ist das auch wirklich. Das ist ein großer Pfand. Und zuhause ist sowieso die Bude immer voll, für Drittliga-Verhältnisse übermäßig…

AS: Hast Du noch zu ehemaligen Mitspielern noch Kontakt? Ist ja eigentlich auch ewig her…

MW: Sind natürlich alle verstreut… ab und zu trifft man immer mal wieder ein paar Leute, irgendwo auf irgendwelchen Fußballplätzen, aber so, dass ich sagen kann, gezielt oder so, das hab’ ich jetzt nicht. Ist ja auch keiner hier… Heiko Bonan ist noch um die Ecke, mit dem sprech’ ich öfter, aber viele sind auch ganz woanders. Wittke hab’ ich noch mal gesprochen, man telefoniert oder man schreibt sich mal. Leider hab’ ich es auch nicht noch mal nach Magdeburg geschafft, das hat sich noch nicht so ergeben, aber ich tue mein Bestes, dass ich da mal hinkomme.

AS: Na auf jeden Fall! Vielleicht lässt es sich ja auch mal verbinden, wenn Ihr zum Beispiel mal bei Union spielt oder so…

MW: Ich hoffe, dass die Magdeburger Frauen aufsteigen, ne? Dann müsste ich ja sowieso hinfahren und das wäre super. Das wär’ dann FFC Magdeburg, die können ja hochgehen, die sind Erster, glaube ich, und dann würden wir zusammen in der 2. Liga spielen. Das wär’ schon cool, wenn ich mit meiner Mannschaft da hinkomme dann. Ja, aber ansonsten, ich werde das schon mal schaffen, ich habe es mir jedenfalls fest vorgenommen, ne? Es gab ja auch Zeiten, da muss man auch ganz ehrlich sagen, da hat’s einen jetzt nicht unbedingt nach Magdeburg getrieben, das war wirklich schwer. Deswegen freut es mich auch umso mehr, dass es jetzt so aufwärts geht.

AS: Ja, wer weiß, wir sitzen ja jetzt hier im Stadion, da haben wir ja grad vorhin schon drüber gesprochen, vielleicht gibt es ja die Möglichkeit…

MW: Ich hoff’, dass der Club aufsteigt! Dresden war jetzt schon hier oder Rostock, aber leider Magdeburg noch nicht. Entweder wir waren in der 2. Liga und die dann weiter unten oder so, aber, ja. Aber das wär’ schon cool, wenn wir uns hier dann noch mal wiedersehen.

AS: Wir arbeiten auf jeden Fall dran (MW: Ja!). Okay, meine Frageliste ist jetzt tatsächlich leer. Hast Du noch was, was Du fragen möchtest, was Dich irgendwie interessiert oder irgendwas, was Du abschließend noch loswerden willst?

MW: Nee. Ich drücke natürlich den so leidensfähigen FCM-Fans die Daumen, dass sie das schaffen, denn wenn es nicht geplant ist, aber dann wirklich passiert, das wär schon cool. Das ist ja auch finanziell viel besser, mit den Fernsehgeldern in der 2. Liga und so weiter, aber, ja.

*überlegt*

Ansonsten: Einmal – immer!

AS: Schönes Schlusswort! Vielen Dank für das Gespräch!

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