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Im Gespräch mit: Adolphus Ofodile

Adolphus Ofodile

Teil 2: “Magdeburg kann ich nicht vergessen”

AS: Aber! Es gibt ein dunkles Kapitel in Deiner Karriere… Du warst in Halle! Warum?

AO: Ja (lacht), alle fragen mich das. Magdeburger fragen das immer: “Warum?” Halle/Saale… ich weiß auch nicht. In Hamburg hatte mich jemand aus Halle angerufen und ich habe den Leuten gesagt: “Wisst Ihr, ich kann nicht nach Halle. Das ist zu klein, ich kann nicht.” Meine Tochter war aber noch klein, ich wollte aus Deutschland nicht mehr weg und habe dann überlegt. Ich hätte auch in St. Pauli bleiben können, aber die sind abgestiegen in die 3. Liga. Weißt Du, diese ganzen Entscheidungen allein zu treffen, war wirklich schwer für mich. Ich hatte auch vergessen, dass das Verhältnis zwischen Magdeburg und Halle ein bisschen schwierig ist. Letztlich bin ich dann doch gewechselt und habe in Halle trotzdem für die Leute wieder alles gegeben, habe mich dann allerdings verletzt. Ich hatte dort auch keine so gute Zeit, weil dort alles so klein war und das ja schon eine Amateurmannschaft war. Ich war nicht mehr so glücklich; auch, wenn ich mal ein Tor gemacht habe, habe ich den Ball einfach geholt und in die Mitte gebracht, wollte aber nicht mehr zeigen. Du denkst so: “Diese Mannschaft ist zu klein für Dich.” Das war schwierig für meinen Kopf, so als Profifußballer, Bundesliga… und dann kommst Du in eine kleine Mannschaft. Dann ist auch noch die Knieverletzung dazu gekommen, von da an war es irgendwie vorbei. Meine Schnelligkeit war weg und dann mochte ich automatisch keinen Fußball mehr; das war einfach nicht mehr der Ofodile, den ich kannte. Als mein Tempo nicht mehr da war mit dem Ball, habe ich gesagt: “Hoch die Hände!”, das war’s.

AS: Aber Halle hat Dich doch dann noch nach Piesteritz abgegeben, ein noch kleinerer Verein.

AO: Ja, das ist ein kleiner Club, wie hier in Herford. Ich hab’ das gemacht, weil ich meine Fitness behalten wollte. Langsam trainieren und einfach in Form bleiben.

AS: Gerade gab es im Fernsehen beim MDR eine lange FCM-Nacht, und dort hat man das Bayern-Spiel komplett gezeigt und auch das Europapokalfinale 1974. Immer, wenn es bei uns um Pokalspiele geht, ist natürlich diese Partie gegen Bayern ein großes Thema und selbstverständlich dann immer auch Dein 1:0 von damals. Wie war das denn für Dich so als Spieler?

AO: Also für mich bleibt dieses Spiel natürlich immer etwas besonderes, klar. Aber ich hatte auch das Gefühl, dass ich diese Mannschaft in der Hand habe, dass ich mit dieser Mannschaft mithalten und etwas von mir zeigen kann. Dass die sehen können: “Ja, der kann schon was!” Die Sache ist, wenn Du gegen Bayern spielst, ist das natürlich viel einfacher als in der Liga. Die sind nicht so aggressiv, sondern spielen mit Köpfchen. Wenn Du gegen die spielst, hast Du immer ein bisschen mehr Platz. Und wenn Du Dir das Spiel anschaust, siehst Du nicht nur, dass wir gewonnen haben, sondern wir waren auch besser. Wir waren immer da. Wenn wir den Ball verloren haben, haben wir direkt geschaut, wo unsere Leute sind. Eberhard Vogel hat das auch richtig gut gemacht. Er sagte immer: “Wenn Du den Ball verlierst – egal, geh’ sofort zurück. Wir haben nichts zu verlieren. 1:0 vielleicht, aber nicht mehr als 2:0.”

AS: Also war das quasi das Ziel, nicht mit mehr als 2:0 zu verlieren?

AO: Ja, genau. Und dann waren auf einmal zehn Minuten vorbei und Bayern war nicht mehr da. Da haben wir gedacht: “Ey, Jungs, jetzt können wir hier was zeigen.” Das lief dann, die Mannschaft war komplett fit und alle haben einfach Fußball gespielt. Wir hatten ja auch tolle Fußballer, Armando Zani zum Beispiel, und Bodo Schmidt hat das alles zusammengehalten. Das war wirklich ein Charakter. Der Trainer hatte alles gesagt und uns eingestellt, aber auf dem Platz war es am Ende eine Sache der Spieler. Nach diesem Bayern-Spiel habe ich bestimmt zwei Tage geschlafen, weil ich alles gegeben hatte. Das war richtig schön und wenn Du etwas willst, kannst Du das immer haben. Das kann ich auch allen jungen Spielern sagen. Was Du willst, kannst Du immer erreichen, aber willst Du auch etwas geben? Das ist die Frage! Willst Du etwas besonderes sein oder willst Du normal sein? Oliver Kahn war in dem Spiel übrigens sauer auf mich.

AS: Auf Dich? Sauer? Wieso?

AO: Meine Bewegungen und alles, da hatte er Schwierigkeiten. Mit meiner Ballbehandlung, mit dem Tempo, ne? Aber am Ende hat er gesagt: “Junge, das hast Du gut gemacht!”. Ich war nach dem Spiel dort in der Kabine, die Brasilianer hatten mich eingeladen. Giovanne Elber sagte: “Du kannst kommen und Dir mein Trikot holen.” Und dann bin ich da hin und ja, er hat mir gesagt: “Bleib, wie Du bist, stark!” Er wusste zwar nicht viel von mir, aber ich habe gemerkt, dass er mich als guten Fußball sieht. Und dann kam auch der Kapitän aus der Dusche und sagte zu mir “Ja, das hast Du gut gemacht!”, Auf dem Platz war er sauer auf mich, da hieß es: “Geh weg hier, Du…”, dieses Wort (lacht), aber am Ende bekam ich sogar noch Tipps von ihm. Auch der Trainer meinte: “Wenn Du möchtest, kannst Du hierher wechseln. Aber weißt Du, Elber ist da, Du kannst von der Bank kommen oder so. Deine Schnelligkeit, Du bist gut!” Oh, ich war so glücklich. Und dann komme ich nach hause, lese Zeitung, mehr als 6 Mannschaften hatten Angebote gemacht, mein Berater war da und sagte: “Ofo, welche Mannschaft willst Du jetzt?” Ich hatte alle Optionen, das war einfach gut und besonders. Ich war aber auch glücklich für Magdeburg, dass wir diesen Erfolg hatten. Das war wirklich schön. Ich würde für diesen Verein auch wirklich gern was machen. Ich weiß noch nicht, was, aber vielleicht sage ich einfach meinem Sohn: “Du musst in dieser Mannschaft spielen!”

AS: Klar, warum nicht! (beide lachen)

AO: Wenn ich dann dort auf der Tribüne sitze, können die Leute sagen: “Ah, der Kleine von Ofodile!” Ja, das wäre schön, aber nach Magdeburg ist es schon auch ein langer Weg. Ich habe schon oft überlegt, mal wieder zurückzukommen, aber es ist einfach weit. Mit der Arbeit und so, das hat dann nicht so geklappt, wie ich das wollte. Aber was soll ich machen? Die Wahrheit ist, dass mein Herz dort ist. Deswegen bin ich auch so glücklich, Dich jetzt zu treffen. Das hat mir auch geholfen und ich bin jetzt richtig erleichtert, weil ich manchmal nicht wusste, ob die Leute denken, dass ich sie vergessen habe. Magdeburg kann ich nicht vergessen. Ich wollte, dass die das wissen. Ich wollte, dass die Leute lesen und sehen können: “Ah, Ofodile ist immer noch da für uns.” Egal, welche Mannschaft, Halle/Saale oder so, das ist gar nichts. Wenn Du liebst, weißt Du nicht, warum, aber Magdeburg ist meine Lieblingsmannschaft.

AS: Also eine Sache ist ganz sicher: Mit diesem Tor gegen die Bayern bist Du auf jeden Fall in die Geschichte eingegangen. Und, ich meine, wir sind zwar alle Fans, aber wir sind ja auch nicht so naiv…. Fußball ist auch ein Geschäft, natürlich, Spieler wechseln.

AO: Ja, das ist so. Damals habe ich das nicht erklärt. Was Du heute von mir gehört hast, ist vielleicht eine Überraschung, weil das nicht so bekannt war. Es ist einfach schön, ich bin sehr erleichtert. Jetzt, wo ich das alles erzählt habe, ist das weg. Wenn das alles so in einem drin ist, quält einen das immer ein bisschen und man ist nicht frei.

AS: Also ich kann Dich sehr beruhigen, wenn wir in Magdeburg von Adolphus Ofodile sprechen, sprechen wir definitiv nicht schlecht von Dir. Ich habe Dich ja schon fast eine Stunde in Anspruch genommen. Was möchtest Du noch loswerden? Irgendwelche letzten Worte?

AO: Ja, also, an die Fans von Magdeburg: Ich wollte Euch sagen, dass das, was Ihr für mich gemacht habt, die Kraft, die Ihr mir gegeben habt und die Unterstützung, das habe ich alles in meinem Kopf gespeichert. Ihr habt immer hinter mir gestanden und ich möchte Euch diese Liebe zurückgeben. Das ist das letzte, was ich sagen kann. Magdeburg ist einfach die beste Mannschaft, in der ich gespielt habe.

AS: Das ist doch ein schönes Schlusswort. Vielen, vielen Dank!

2 Kommentare

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