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Münchener Lichtblicke

München

TSV 1860 München – 1. FC Magdeburg, 25. Spieltag, 1:1 (1:0)

Na das war doch mal ein recht unterhaltsames Fußballspiel – in der zweiten Hälfte jedenfalls, die erste war ja wieder einmal eher auf Geisterbahnniveau. Aber hey: Dann gab es das zweite Elfmetertor hintereinander für den FCM, einen Elfmeterpfiff zugunsten der Hausherren, der wieder zurückgenommen wurde und einen Club, der aus dem Spiel heraus (!) zu Torchancen (!!) – Mehrzahl (!!!) – kam, ohne freilich auch nur eine davon zu nutzen. Ersteres ist quasi eine ganz neue Dimension unter Claus-Dieter Wollitz und letzteres, nun ja, ist halt der FCM in dieser Spielzeit. Man füge dann noch eine Schlussphase hinzu, in der beide Mannschaften mit offenem Visier spielten und zack! bekommt man ein unerwartet packendes Duell gegen den TSV 1860 München, an dessen Ende eine wohl nicht ungerechte Punkteteilung steht.

Bevor es sportlich losgehen konnte, gab es allerdings erst einmal einen ziemlich beschämenden Moment: Die angekündigte Schweigeminute für die Opfer von Hanau und gegen Rassimus und Homophobie war keine zwei Sekunden alt, als irgendein Idiot sie mit einem dämlichen Zwischenruf störte. Aus welchem Block die Störung kam und was genau gerufen wurde, kann ich nicht sicher sagen. Deutlich zu hören war aber die Reaktion des Stadions, die auf die Situation mit einem lauten „Nazis raus!“ antwortete. Und wer machte nicht mit? Genau, die Gästekurve. Sehr, sehr unangenehm, das, peinlich noch dazu und gleichzeitig aber auch eine ganz merkwürdige Situation irgendwie: Als hätten 1.500 Leute nicht gewusst, was zu tun ist und als hätte sich niemand – ich schließe mich da ausdrücklich mit ein – getraut, einfach mal laut und energisch mit einzustimmen. Kann man so machen und ja, ich schäme mich da ordentlich für, aber dann braucht sich halt auch niemand zu wundern, wenn es hinterher wieder heißt: „Typisch Osten – alles Leute mit fragwürdiger politischer Gesinnung“ … Unschön, um es vorsichtig auszudrücken.

Ebenso schnell, wie er kam, war der Moment dann allerdings auch wieder vorbei und irgendwann ging dann auch dieser Fußball los – oder das, was man beim 1. FC Magdeburg dieser Tage dafür hält.

„Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen“

Wie angekündigt, hatte Claus-Dieter Wollitz einige Änderungen vorgenommen und schickte seine Mannschaft nicht nur im 3-5-2, sondern auch mit folgenden Spielern auf den Platz: Morten Behrens hütete das Tor, davor gaben Brian Koglin, Jürgen Gjasula und Tobias Müller die Dreierkette. Im zentralen Mittelfeld begannen Thore Jacobsen und Björn Rother, auf den Außenbahnen Marcel Costly und Tarek Chahed, in der Zentrale Rico Preißinger. Das Offensivduo bildeten diesmal Sören Bertram und Anthony Roczen, der Christian Beck ersetze – und in den ersten 45 Minuten ebenso wenig Land sah wie der Rest der Mannschaft.

Möchte man es wohlwollend ausdrücken, könnte man sagen, dass der FCM den Münchner „Löwen“ das Spiel überließ und seinerseits auf Konter lauerte. Realistisch gesprochen überließ der Club den Hausherren die Partie tatsächlich, lauerte aber auf überhaupt nichts und bekam bei eigenem Ballbesitz kaum mal einen Fuß auf den Boden. Das war einmal mehr ziemlich schwere Kost, aber als Clubfan gewöhnt man sich offenbar an alles (schlimm genug!), sodass die fußballerischen Versuche der Größten der Welt im Gästeblock überwiegend von Galgenhumor begleitet wurden. Viel mehr ließ sich aus der Partie, zumindest von Block P aus betrachtet, auch kaum herausholen.

Die Geschichte des ersten Durchgangs ist damit eigentlich schon erzählt. Nicht unerwähnt bleiben sollen aber die drei Toraktionen des FCM, an die ich mich erinnern kann: In der 16. Minute haute Jürgen Gjasula einen Freistoß in die Mauer, in der 40. lief der Ball mal über rechts, allerdings bekam Sören Bertram ihn dann aus schwierigem Winkel im Strafraum weder aufs Tor noch zum Mitspieler und in der Nachspielzeit zirkelte ebenfalls Bertram einen Freistoß zwar mal über die Mauer (hurra!), aber auch über das Tor. Das war‘s.

Fairerweise muss man aber sagen, dass auch 1860 München jetzt nicht unbedingt mit Offensiv-Esprit wucherte und es einer Standardsituation nach 33 Minuten bedurfte, um die derzeit übliche Führung gegen den 1. FC Magdeburg zu erzielen: Es gibt einen Eckball von rechts, den Dennis Erdmann in der Mitte auf den aus Münchner Sicht rechten Pfosten weiterleitete. Dort stand dann Aaron Berzel, der nur noch einnicken musste. „Same old, same old“ dachte sicher nicht nur ich mir im Gästeblock, zuckte mit den Schultern und machte dann einfach weiter. Half ja nix.

Chancenwucher und offenes Visier

Mit dem Rückstand ging es in die Pause, die für Anthony Roczen und Björn Rother gleichzeitig „Feierabend“ bedeutete. Für sie kamen Christian Beck und Sirlord Conteh. Das hatte einiges an Re-Organisation auf dem Feld zur Folge: Preißinger rutschte nach hinten auf die Rother-Position, Bertram rückte auf die 10, Conteh wiederum nahm Bertrams Platz in der Spitze ein.

Der erste Abschluss nach Wiederanpfiff gehörte allerdings den Gastgebern: Über rechts hatte sich die Mannschaft von Trainer Michael Köllner schön durchkombinieren können, am Ende verhinderte Morten Behrens den Einschlag. Der FCM brauchte derweil ein bisschen, um auf Touren zu kommen – ein Gjasula-Freistoß nach 51 Minuten landete mal wieder in der Mauer, der folgende Eckball im Endeffekt beim Gegner. Eine Minute später gewann der insgesamt gefällige Conteh den Ball rustikal auf der rechten Seite und startete in Richtung Strafraum, übersah dabei aber den freien Bertram und passte lieber auf Marcel Costly links, der das Zuspiel dann allerdings nicht verwertet bekam. Also eigentlich alles wie immer beim Club.

Dann aber begann so etwas wie eine halbe Druckphase des FCM, und zwar so um die 56. Minute herum. Dafür, dass die nicht gleich wieder beendet war, sorgte der Linienrichter, der einem Treffer von Sascha Mölders nach einem Bilderbuchkonter abseitsbedingt die Anerkennung verweigerte; vorausgegangen war eine gute Flanke von Sören Bertram auf Sirlord Conteh und/oder Christian Beck, in deren Folge München schnell umschaltete und eben zum Abschluss kam.

Trotzdem übernahm nun Stück für Stück Blau-Weiß die Initiative und kam nach einer guten Stunde auch zum Ausgleich: Brian Koglin überbrückt das komplette Mittelfeld mit einem langen Pass auf Bertram, der vor Torhüter Marco Hiller am Ball ist und selbigen mit der Fußspitze noch über den herauseilenden Keeper lupfen kann. Hiller und Bertram rauschen dann zusammen, Schiedsrichter Fritsch aus Mainz entscheidet auf Strafstoß für die Gäste. Aus Torhüter-Sicht war das sicher unglücklich, weil sich Hiller ja nun nicht in Luft auflösen konnte, vertretbar war die Entscheidung aber allemal. Jürgen Gjasula schnappte sich die Kugel und vollendete zum zweiten Mal hintereinander sicher zum 1:1. Sehr schön war das. Und nicht mal unverdient.

Bis zur 67. Minute passierte dann erstmal nicht mehr so wahnsinnig viel, dafür ging es ab da aber Schlag auf Schlag. In eben jener Spielminute erkämpfte Preißinger den Ball stark im defensiven Mittelfeld und leitete auf Christian Beck weiter. Der doppelpasste mit Conteh, fand sich plötzlich völlig frei auf dem Weg zum Tor wieder, hob den Ball über Marco Hiller – und wenige Zentimeter rechts am Kasten vorbei. Wahnsinnsszene, in der eigentlich zwingend das 1:2 fallen muss.

Ein intensives Spiel wurde das jetzt, mit dem nächsten Aufreger nur zwei Minuten später. Jürgen Gjasula pflückt einen langen Münchner Ball in den Strafraum herunter, Schiedsrichter Fritsch pfeift – und da weit und breit kein Spieler der Gastgeber zu sehen war, konnte das an sich nur „Handspiel“ und „Elfmeter“ bedeuten. Vom Gästeblock aus war natürlich nicht zu sehen, was passiert war, die Fernsehbilder belegen allerdings, dass Gjasula den Ball lediglich mit dem Knie spielte. Auf dem Feld wurde nun fleißig diskutiert, nach Konsultation mit dem Linienrichter, der erst recht nichts gesehen haben konnte, weil er auf der anderen Seite des Platzes stand, entschied sich der Unparteiische dann für Schiedsrichterball. Hui. Durchatmen. Es hätte ja absolut ins Saison-Bild gepasst, durch einen unberechtigten Elfmeter erneut in Rückstand zu geraten.

Dann wieder zweimal München Blau: In der 73. Minute läuft der Ball erneut gut durch die eigenen Reihen, der Abschluss von Bekiroglu aus sehr guter Position wird im letzten Moment zur Ecke abgefälscht. Eine Viertelstunde vor Schluss verliert Koglin den Ball im Spielaufbau, den folgenden Konter von 1860 klärt schließlich Müller in höchster Not.

Und der Club? Kam nach 77 Minuten wieder zu einer Abschlussgelegenheit. Tarek Chahed mit einer guten Flanke von rechts auf den langen Pfosten, wo dann aber Marcel Costly den Kopfball verpasste. Vorausgegangen waren gute Aktionen von Conteh und Jacobsen, die den Ball jeweils gut behaupteten und diesen Angriff damit überhaupt erst ermöglichten.

Apropos Conteh: Der hatte in der Schlussphase der Partie gleich zweimal die Gelegenheit, das Spiel zugunsten der Größten der Welt zu entscheiden. Erst rutscht ein Abschlag von Behrens nach 83 Minuten durch, den der junge Mann mit der Nummer 17 nicht am Torwart vorspitzeln kann, dann erreicht ihn ein „einfach mal lang nach vorne“-Ball von Jacobsen völlig frei vor dem Tor, woraufhin Conteh Marco Hiller abschießt, statt den Treffer zu erzielen. Es war zum Haare raufen – wesentlich bessere Chance kann man eigentlich nicht bekommen. Aber! Immerhin gab es welche, was eben auch an der Geschwindigkeit eines Sirlord Conteh lag, die das Team von Claus-Dieter Wollitz immer mal wieder zu nutzen versuchte. Dieser Wechsel (und auch der von Beck für Roczen) hatte also gefruchtet.

Hinten raus blieb es dann einigermaßen wild, weil auch 1860 München noch die eine oder andere Abschlusschance bekam; ein weiterer Treffer sollte aber nicht mehr fallen. Es dauerte nach dem Abpfiff trotzdem eine Weile, bis der Spieltags-Ruhepuls die entspannte 100 wieder erreichte.

Fazit:

Gemessen an den Torgelegenheiten und in Anbetracht der Tabellensituation ist dieses Unentschieden in München zu wenig, keine Frage. Trotzdem bin ich nicht unzufrieden wieder nach Hause gefahren. Das Spiel ging nicht verloren, die Mannschaft zeigte sich im zweiten Durchgang deutlich verbessert und es gab eben Chancen, nur muss man die halt auch irgendwann mal nutzen, wenn man Fußballspiele gewinnen will. Die nächste Gelegenheit dazu gibt es am Samstag gegen Jena, den Tabellenletzten, und bei einem Heimspiel in dieser Konstellation kann die Marschroute eigentlich nur „Alles für den Heimsieg“ lauten. Vollständig dominieren wird dieser 1. FC Magdeburg in der Saison 19/20 keine Mannschaft mehr, auf die zweite Hälfte gegen München lässt sich aber aufbauen, da war viel Gutes dabei. Daraus jetzt positive Energie zu schöpfen (und bitte, bitte bis zum Erbrechen Standardsituationen zu üben) sollte nun die Aufgabe für die kommende Trainingswoche sein. Dann ein Erfolg gegen Jena und die blau-weiße Welt sieht womöglich schon wieder ein ganzes Stück weit freundlicher aus. Auf geht’s! Weiter, immer weiter!

 

Kurzer Hinweis in eigener Sache: Beim nächsten Heimspiel kann ich nicht im Stadion sein, sodass es hier voraussichtlich auch keinen Spielbericht geben wird. Weiter geht es an dieser Stelle mit dem Text zur Partie in Duisburg.

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