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Ein Spiel, zwei Perspektiven: SC Verl (A)

Spruchband für Achim Streich gegen Verl in Paderborn

Natürlich überschattete der Tod von DDR-Fußball- und FCM-Legende Achim Streich den Auswärtsauftritt des Clubs gegen Verl in Paderborn; es war schwierig, sich angesichts dieser traurigen Nachricht auf Fußball zu konzentrieren. Trotzdem entwickelte sich in den reichlichen 90 Minuten ein unglaublich tempo- und torreiches Spiel mit größtem Unterhaltungswert, das Blau-Weiß am Ende mit 5:4 für sich entscheiden konnte. So gibt es nun am kommenden Sonntag den ersten Aufstiegs-Matchball gegen den FSV Zwickau. Die Begegnung am 34. Spieltag haben wir so erlebt:

Meine Erwartungen vor der Partie:

Nicole:

Den ersten Schritt in die richtige Richtung machen. Das war meine Erwartung an das Team und an das Spiel. Es passte alles. Die Sonne strahlte vom Himmel, es waren knapp 2.000 Clubfans vor Ort und wieso sollten wir nicht zurück in die Erfolgsspur finden?
Daher hieß es für mich heute einfach nur „3 Punkte“. Meine Hoffnung war, dass sich Verl nicht hinten reinstellte, da sie selbst auch Punkte gegen den Abstieg brauchen. Doch mit der Schiedsrichteransetzung hatte ich bereits ein Kartenfestival vor Augen. Der Unparteiische vergab gern Karten, das könnte noch ein spannender Aspekt werden.

Alex:

Ich hatte die Woche über umzugsbedingt überhaupt keinen Kopf für Fußball, dann kam die Nachricht von Achim Streichs Tod noch dazu; kurzum: Ich hatte mich bis ungefähr drei Minuten vor Anpfiff überhaupt nicht mit Verl und dem anstehenden Spiel auseinandergesetzt. Mitbekommen hatte ich aber natürlich, dass wir uns in dieser Partie einen Matchball gegen Zwickau erspielen konnten. Angesichts der Tatsache, dass ich kommenden Sonntag wieder live im Stadion dabei sein kann, fand‘ ich das natürlich trotzdem äußerst reizvoll und wünschte mir dementsprechend den Auswärtssieg.

So habe ich das Spiel verfolgt:

Nicole:

In der Benteler-Arena in Paderborn. Hier haben wir schon die skurilsten Partien erlebt. Viele Tore, ein Offensivfeuerwerk und auch Niederlagen. Aber wir schauten optimistisch auf den Rasen und auch auf den Fanblock, denn wir wussten, dass es hier ein Heimspiel werden würde. Die Stimmung war auch von der ersten Minute an grandios. Die Schweigeminute und das Spiel mit Trauerflor trug sogar der Gegner mit und ließ ein paar schöne Worte über Joachim Streich verlauten.

Die Partie selbst begann für uns nicht so gut. Völlig konfus empfand ich unser Spiel, die Verler Gegenspieler machten zum Teil, was sie wollten und zeigten das, indem sie uns hinten völlig überrannten und den Führungstreffer markierten.

Meine Befürchtungen, dass sie sich nun hinten reinstellen, bewahrheiteten sich allerdings nicht. Sie spielten weiterhin mutig auf, was mir sehr imponierte, doch auch wir kamen immer besser in die Partie. Der Ausgleich und auch die Führung zur Halbzeit ließen uns etwas durchatmen, doch was dann noch kommen sollte, das konnte keiner so richtig erahnen. Zuerst das 3:1 von Conde und damit atmeten wir wahrscheinlich einmal zu dolle durch. Was dann innerhalb von 2 Minuten geschah, konnte, glaube ich, keiner so richtig begreifen. Zuerst vertändelt Reimann selbst den Ball und es folgt das 3:2. Als sich Reimann noch so richtig dolle über sich selbst ärgerte, schlug der nächste Fernschuss im Netz ein. Ausgleich, und wir schauten uns nur ungläubig an. Hinter mir kamen nun die Stimmen, mit welcher unheimlichen Arroganz wir Magdeburger hier auftraten. Das weckte meinen Ehrgeiz und ich hoffte sehnlichst auf einen Sieg.

Die zweite Halbzeit hatte es wirklich in sich. Nach 6 Toren sollte es aber noch nicht zu Ende sein. Wir erspielten uns wirklich unheimlich viele Torchancen, vergaben aber auch viele leichtfertig. Doch Obermair traf zur erneuten Führung und keine drei Minuten später wieder der Nackenschlag. Wir sackten förmlich in unseren Sitzen zusammen, aber beide Teams hörten nicht auf zu spielen. Das war so unglaublich, in welchem Tempo beide Mannschaften das ganze Spiel durchzogen. Die Kirsche auf die Torte setzte dann der frisch eingewechselte Ito in der 89. Minute. Nach dem 5:4 streikte der Server wegen Überlastung. Ich konnte mir vorstellen, wie alle den Abpfiff ersehnten. Mir trieb es jedoch noch mehr Schweißperlen auf die Stirn. Doch dann waren fünf lange Minuten der Nachspielzeit um und alle lagen sich vor Freude in den Armen. Sieg und drei Punkte. Mehr wollten wir eigentlich nicht.

Alex:

Ich hatte rechtzeitig den Router zum Laufen bekommen und die allermeisten Wohnzimmer-Kisten ausgepackt, saß also gemütlich auf der Couch im neuen Heim und schaute das Spiel auf MagentaSport. Wie oben schon geschrieben, war ich null vorbereitet, was aber vielleicht auch mal gar nicht so schlecht war. Ich ließ mich also überraschen, was es wohl so zu sehen geben würden.

Erst einmal gab es aber etwas zu hören, die – wie ich finde – sehr gelungene Ansprache des Stadionsprechers nämlich, gefolgt von einem Moment des Innehaltens und anschließendem Applaus aus dem proppevollen Gästeblock, in dem ich auch schon einige Male gestanden hatte. Das fand‘ ich insgesamt würdevoll und sehr angemessen, genau wie natürlich das entsprechende Spruchband von Block U.

Über die erste Viertelstunde des Spiels lege ich an dieser Stelle mal ganz entspannt den Mantel des Schweigens – das war überhaupt gar nichts und defensiv katastrophal, folgerichtig dann auch der Führungstreffer für tapferer Verler, deren Spielanlage mir einmal mehr wirklich gut gefiel. Naja, und dann kam der Club endlich ins Laufen und machte halt das, was den weit überwiegenden Teil dieser Saison zu so einer großen Freude hatte werden lassen: Der Ball lief, Ausgleich und Führungstreffer fielen und eigentlich hätte die Partie nach 45 Minuten dreimal entschieden sein müssen. Allein, es haperte mal wieder an der Chancenverwertung und/oder der letzten Konsequenz, sodass es „nur“ mit einem 2:1 in die Pause ging.

Als dann das 3:1 fiel, war ich mir eigentlich sicher, dass der Käse gegessen ist, allerdings hatte ich die Rechnung da ohne den SC Verl gemacht, der eindrucksvoll und unter tatkräftiger Mithilfe von Dominik Reimann nicht nur zurückkam, sondern die Partie sogar ausgleichen konnte. Diese Spanne zwischen der 51. und der 64. Minute war schon wirklich irre und ein wahrhaftiges Spektakel; wo sonst sieht man in weniger als 15 Minuten auf diesem Niveau schon fünf Tore?

Und ganz ehrlich? Nach dem 4:4 hätte die Begegnung in jede Richtung kippen können, das fetzte schon, da zuzuschauen und mitzufiebern. Nun ist es so, dass ich seit Wochen zwar weiterhin angemessen grundangespannt bin, wenn der Club spielt, richtige, wirkliche Bedenken, am Ende der Spielzeit 2021/2022 die Liga nicht nach oben zu verlassen, kommen bei mir aber nicht mehr auf. So war es auch an diesem Sonntagnachmittag. Ich genoss das Geschehen, so gut es ging, und eskalierte natürlich ordentlich, als Ito die Kugel zum 5:4 in die Maschen rollerte. Was! für! ein! Spiel! – und vielleicht unser Wiesbaden der diesjährigen Aufstiegssaison. Ein großer Dank an der Stelle an beide Teams, wenngleich die jeweiligen Trainer das Geschehen, insbesondere in der Defensive, sicherlich völlig anders bewerten.

Der auffälligste Spieler:

Nicole:

Heute eine sehr schwierige Frage. Ich entscheide mich für den Joker Tatsuya Ito. In der 86. Minute eingewechselt, in der 88. Minute das entscheidende 5:4 markiert, zum Jubeln extra zum Trainer gerannt, danach noch eine hochkarätige Chance gehabt und somit dem Club drei Punkte gerettet. Mehr Effektivität geht nicht.

Alex:

Allein schon wegen seines in dieser Partie erspielten Drittliga-Scorer-Rekords entscheide ich mich diesmal wieder für Baris Atik. Allerdings hätte auch Andi Müller für sein unfassbares Anspiel hinter die Abwehrkette auf eben jenen Atik in der ersten Halbzeit die Nominierung verdient.

Die Partie in maximal fünf Worten:

Nicole:

Ein turbulentes Spiel für Achim.

Alex:

Irrer Kick vor traurigem Hintergrund.

Das bleibt in Erinnerung:

Nicole:

Diese Schwermut vor dem Spiel aufgrund des Todes von Achim Streich. Dennoch wollte man für ihn diese Partie gewinnen. Schön, dass hier auch ihm kondoliert, eine Schweigeminute vor Anpfiff durchgeführt und tolle Worte für seine Leistung gefunden wurde(n). Erinnern werde ich mich auch an unseren Fanblock, der über 95 Minuten eine tolle Stimmung verbreitete und an dieses irre Spiel sowieso. Neun Tore, drei Punkte für uns und das Gefühl, kurz vor dem Aufstieg zu sein. Viele, viel zu viele Emotionen bleiben in Erinnerung.

Alex:

Die stabile Auswärtskurve, deren Gesänge ich mir vor lauter Vorfreude auf kommenden Sonntag in guter Lautstärke über meine Kopfhörer gab. Das wird großartig gegen Zwickau, wenngleich – oder vielleicht gerade weil – jetzt natürlich ordentlich Druck auf dem Kessel ist, das Ding dann aber auch zu ziehen. Und selbst wenn das nicht klappt und wir auf den Aufstieg noch einen oder zwei Spieltage warten müssen – wenn wir das vorletzte Heimspiel des Jahres nicht zu einem absoluten Abriss machen, dann machen wir irgendwie alle was falsch. In diesem Sinne: Am Sonntag alle ab ins HKS – die Mannschaft hat jeglichen Support mehr als verdient. Sport frei, FCM!

Das Foto des Spieltags:

Spruchband für Achim Streich gegen Verl in Paderborn

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