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Zwischen Tiefschlaf und Kraftakt

4. Spieltag

VfL Osnabrück – 1. FC Magdeburg, 4. Spieltag, 3:2 (0:0)

Es gibt ja so Niederlagen, die man relativ schnell abhaken kann, zum Beispiel dann, wenn der Gegner schlicht und ergreifend besser war oder die eigene Mannschaft einen rundum gebrauchten Tag erwischt hatte. Der Auftakt in die Drittligasaison 2016/2017 gegen den SC Fortuna Köln war so ein Spiel. Man hätte vermutlich noch ewig weiterspielen können, ein Sieg wäre an jenem Tag mit einiger Sicherheit nicht gelungen. Dann wiederum gibt es Niederlagen, die einen länger beschäftigen, weil sie so unnötig sind wie der Hallesche FC. In genau diese Kategorie gehört das 2:3 der Blau-Weißen am 4. Spieltag gegen den VfL Osnabrück, eine Partie, die man im Leben nicht verlieren muss und schon gar nicht durch einen schlecht verteidigten Eckball in der 87. Minute, nachdem man sich gerade erst von einem selbst verschuldeten 0:2-Rückstand wieder in die Partie gebissen hatte. 

Dass nach der Begegnung die “Kopf hoch!”- und “Beim nächsten Mal geht’s anders aus!”-Stimmen überwiegen, ist sicherlich genau diesem Comeback-Umstand geschuldet, der das Endergebnis wie eine unglückliche Niederlage erscheinen lässt. Natürlich hat die Mannschaft eine großartige Moral gezeigt, sich durch die stimmungsvolle Atmosphäre vor 8.700 Zuschauern an der Bremer Brücke nicht oder durch den Gästeblock gerade anstecken lassen und sich für ihren engagierten Auftritt mit dem 1:2 (Pulido) und 2:2 (Razeek) belohnt. Nur: Sie hätte es gar nicht so weit kommen lassen dürfen, überhaupt erst diesen Kraftakt bewältigen zu müssen. So bleibt am Ende ein äußerst bitterer Beigeschmack, wobei es gleichzeitig auch einige Aspekte gab, die für die kommenden Aufgaben trotzdem hoffnungsvoll stimmen dürfen.

Zunächst sah nicht viel danach aus, dass die Partie in der letzten halben Stunde derart dramatische Wendungen nehmen würde. Jens Härtel hatte sich entschieden, in Osnabrück mit der gleichen Elf zu beginnen, die unter der Woche zuhause gegen Paderborn erfolgreich war, und lag mit dem 4-4-2 zunächst auch richtig. Angetrieben von einem hervorragend aufgelegten Gästeanhang wirbelten vorn Manuel Farrona Pulido und Christian Beck, die für ihre Farben in den ersten 15 Minuten den einen oder anderen Abschluss kreieren konnten. Im Mittelfeld spielten Tobias Schwede, Niklas Brandt, Jan Löhmannsröben und Tarek Chahed, die Viererkette vor Jan Glinker im Tor wurde durch Moritz Sprenger, Christopher Handke, Andre Hainault und Nils Butzen gebildet.

Besonders Farrona Pulido war es, der die Osnabrücker Defensive in der Anfangsphase immer wieder vor knifflige Aufgaben stellte; fast schon folgerichtet war er es auch, der in der 17. Minute im Strafraum von den Beinen geholt wird und seiner Mannschaft einen völlig unstrittigen Elfmeter beschert. Christian Beck tritt an – und vergibt einigermaßen kläglich mit einem unplatzierten Schuss nach rechts, den Marius Gersbeck im Tor der Osnabrücker souverän parieren kann. Spätestens jetzt war auch der Osnabrücker Anhang aufgewacht und ordentlich Musik im Spiel – für den neutralen Beobachter entwickelte sich nun eine Begegnung, die hin und her wogte und für beide Mannschaften vor dem jeweils gegnerischen Tor gute Einschussmöglichkeiten bot – mit den besseren Erfolgsaussichten allerdings für das Team aus Osnabrück, das im Verlauf der ersten Halbzeit entweder an Jan Glinker (25. Minute) oder dem Linienrichter (45. Minute) scheiterte. Trotzdem: phasenweise sah das, was der 1. FC Magdeburg in der ersten Hälfte auf den Rasen brachte, sehr ordentlich aus, insbesondere über die linke Seite mit Sprenger und Chahed oder eben durch den quirligen Manuel Farrona Pulido, der im Moment aus unserem Offensivspiel fast noch weniger wegzudenken ist als Christian Beck.

Was aber auch bereits in der ersten Hälfte deutlich wurde, war, dass es Osnabrück mit fortschreitender Spieldauer immer besser gelang, sich auf die Magdeburger Spielanlage einzustellen. So blieb Pulido zunehmend häufiger am überragenden David Pisot in der Osnabrücker Innenverteidigung hängen und kam auch Tobias Schwede auf seinem Flügel nicht mehr so häufig in Erfolg versprechende Dribblings. Das Gefühl in der Halbzeitpause war dennoch ein gutes. Der Club spielte sehr gut mit, erarbeitete sich Chancen und es sollte doch mit dem Teufel zugehen, wenn hier heute nicht wenigstens ein Punkt drin wäre.

Und das ging es dann auch. Der VfL kam mit ordentlich Schwung aus der Kabine, offensiv war in den ersten Minuten der zweiten Hälfte vom 1. FC Magdeburg kaum etwas zu sehen. Bis zu Spielminuten 55 gab es genau zwei Entlastungen, ansonsten spielte sich das Geschehen im Wesentlichen vor dem Tor von Jan Glinker ab. In Spielminute 57 gibt es dann Einwurf für die Hausherren von der linken Seite in deren eigener Hälfte und während halb Magdeburg sich noch wundert, wie Osnabrück einwerfen kann, wo der Ball doch vorher von einem Lila-Weißen ins Aus befördert wurde, darf Jules Reimerink ordentlich Tempo aufnehmen, mit ebenjenem auf Nils Butzen als letzter Absicherung zulaufen, sich gut durchsetzen und überlegt flach ins rechte Eck einschieben. 1:0 nach gegnerischem Einwurf in deren eigener Hälfte. Das kann man dann schon auch mal ‘schlafmützig’ nennen.

Der Gästeblock schüttelte sich nur kurz und peitschte die Mannschaft dann aber wieder ordentlich lautstark nach vorn. Die Elf auf dem Rasen brauchte allerdings offensichtlich ein wenig, um sich von dem Rückstand zu erholen und da weiterzumachen, wo man in der ersten Hälfte aufgehört hatte. Für ein deutliches Zeichen sorgte dann in der 60. Minute Jens Härtel, der Tarek Chahed durch Maurice Exslager ersetzte und seine Mannschaft damit noch ein Stück offensiver werden ließ. Recht so – hier gab man sich noch längst nicht geschlagen.

Die Begegnung wurde nun unruhiger, u.a. kassierte Tobias Schwede nach einer unübersichtlichen Situation auf der rechten Außenbahn Gelb dafür, dass er das Spielgerät vor den Trainerbänken mit einigem Frust und ordentlich Schmackes ins Publikum beförderte. Zu nutzen schienen die zunehmenden Nicklichkeiten aber eher dem Gastgeber, der sich in der 63. Minute von der Magdeburger Hintermannschaft erneut zum Toreschießen einladen und nicht zweimal bitten ließ: Eine lange Freistoßhereingabe von der rechten Seite kann Osnabrücks Kapitän Halil Savran tief in der linken Strafraumecke per Kopf in die Mitte verlängern, wo Christian Groß am rechten Pfosten mutterseelenallein hochsteigen und den Ball ins Tor köpfen kann. 2:0 nach einer Standardsituation, die das Abwehrzentrum mit einem einzigen Kopfball (Savran) völlig blank lässt. Tja.

Bei einem 0:2-Rückstand an der Bremer Brücke, noch dazu nach 63 Minuten und einem Doppelschlag, könnte man als Mannschaft nun dazu neigen, das Spiel abzuhaken und nur noch drauf zu achten, hinten möglichst sicher zu stehen, um nicht noch höher zu verlieren. Nicht so der 1. FC Magdeburg, und hier kommen wir trotz des ärgerlichen Rückstandes zu den deutlich Mut machenden Aspekten dieser Begegnung. Man merkte der Mannschaft an, dass sie sich eben nicht aufgab, sondern weiter an ihre Spielidee und ihre Möglichkeiten glaubte. Und: Coach Härtel konnte zeigen, dass die Sommereinkäufe tatsächlich die spielerische und taktische Variabilität der Mannschaft erhöht haben. In der 72. Minute machte Niklas Brandt Platz für Ahmed Waseem Razeek, Gerrit Müller ersetzte Andre Hainault. Der Club nun also in einem 4-3-3 mit Christian Beck, Maurice Exslager und Manuel Farrona Pulido in der Offensive, dahinter Schwede, Müller zentral und Razeek links, Jan Löhmannsröben übernahm den Platz von Hainault in der Viererkette.

In der 77. Minute dann endlich Jubel und Hoffnung im Gästeblock: Christian Beck setzt sich vor der Gästekurve im Strafraum hervorragend durch und wird von Marius Gersbeck regelwidrig von den Beinen geholt. Warum es dafür nur Gelb gab, wird allerdings für immer das Geheimnis des Unparteiischen bleiben. Manuel Farrona Pulido war es letztlich egal, mit einem platzierten Schuss unter die Latte bringt er seine Farben auf 1:2 heran. Und siehe da: Nur vier Minuten später steht es plötzlich Unentschieden. Gersbeck kann eine Kopfballverlängerung von Jan Löhmannsröben nicht festhalten, Ahmed Waseem Razeek sagt “danke schön” und hämmert den Ball aus Nahdistanz ins Tor.

Die Gästemeute nun natürlich völlig am Ausrasten und auch die Osnabrücker zeigten sich erst einmal beeindruckt, wollten den Punktverlust dann aber doch nicht so einfach hinnehmen. Das ist ja auch eine Qualität, die man durchaus mal anerkennen kann. Und was war gegen diese tapfere Magdeburger Mannschaft an diesem Spieltag das Mittel der Wahl? Genau, Standards. 87. Minute, Ecke von rechts und während manch einer sich vielleicht noch überlegt haben mag, wie man mit dem Personal auf dem Rasen und der doch recht offensiven Ausrichtung das 2:2 gut über die Zeit bringen kann, geht der Ball auf die Reise in Richtung Magdeburger Strafraum. Michael Hohnstedt steigt am höchsten, köpft und befördert die Kugel weitgehend ungehindert in die Maschen. Wieder eine Standardsituation, wieder schlecht verteidigt und zack! steht es dann eben 2:3. Dümdüm.

In den verbleibenden drei Minuten plus Nachspielzeit passierte dann nicht mehr wirklich viel, sodass nun nach drei Partien völlig unnötig nicht vier, sondern nur drei Punkte und bereits zwei Niederlagen zu Buche stehen. Die Mannschaft nach dem Spiel an den Zaun zu holen, aufzubauen und auch, wenn der eine oder andere Akteur nach diesen 90 Minuten nicht mehr so recht Lust hatte, mit ihr zusammen einzuklatschen, war dennoch richtig und wichtig. Denn eins ist klar: Mit dieser Art, Fußball zu spielen, werden wir definitiv in dieser Liga noch jede Menge Punkte holen und solange Mannschaft und Kurve genau daran glauben, ist noch überhaupt nichts passiert. Fakt ist aber auch: Soll diese Spielidee erfolgreich sein, gilt es, die Unkonzentriertheiten in der Defensive so schnell wie möglich abzustellen. Wir sind zwar die Größten der Welt, aber um dem Gegner das eine oder andere Tor Vorsprung zu lassen und damit die Partie ein wenig spannender zu gestalten, fehlt selbst uns (noch) die Qualität.

In diesem Sinne: Mund abputzen, weitermachen und dann am 21.08.2016 erst einmal überzeugend in die zweite DFB-Pokal-Runde einziehen. Weil wir es können. Denn wer “Pokal” sagt, meint schließlich den 1. FC Magdeburg!

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