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Viele Baustellen

Baustellen

1. FC Magdeburg – Hallescher FC, 1. Spieltag, 0:2 (0:2)

Da ist er wieder, mein FCM: Ein Fussballverein, gesegnet mit dem Talent, nach einem eigentlich ganz guten Auftritt so etwas wie Euphorie aufkeimen zu lassen, nur, um in der folgenden Partie ein völlig anderes Gesicht zu zeigen und das zarte Pflänzchen mit quietschbunten Stollenschuhen gleich wieder platt zu treten. Vielleicht ist das ja inzwischen eher die „Magdeburger DNA“ als … tja, was eigentlich? Der Auftritt im ersten Punktspiel war jedenfalls größtenteils eine Katastrophe, da müssen wir nicht wohlwollend drumrum reden. Gleichzeitig ist es natürlich auch Quatsch, nach dem ersten Spiel in der Liga alles direkt wieder in Frage zu stellen und an den ganz großen Diskussionsrädern zu drehen: Kader! Manager! Trainer! Es war schon, nun ja, interessant, was im Zuge der ersten Enttäuschung in den sozialen Netzwerken so alles zu lesen war. Sei’s drum, irgendwie ist’s ja verständlich. Wahr ist aber auch: Die gezeigte Leistung wirft Fragen auf, die aus meiner Sicht durchaus kritisch diskutiert werden dürfen.

Wie kann es zum Beispiel sein, dass etliche Spieler der gegnerischen Mannschaft den gerade mal 18jährigen Laurenz Dehl nach seiner vergebenen Torchance in der 77. Minute direkt kollektiv aufmuntern, während nach Jürgen Gjasulas Eigentor in Spielminute 22 genau niemand zum Kollegen geht? Wäre das nicht Aufgabe des Kapitäns oder, weil der es in der Situation wichtiger findet, lieber mit dem Schiedsrichter zu diskutieren, der anderen Führungsspieler? Wo ist der Teamgeist in der Situation?

Warum ist unser Offensivspiel über 90 Minuten derart statisch, dass vermutlich jeder Profiklub nach 10 Minuten verstanden hat, wie wir spielen wollen, und das dann eben recht mühelos verteidigen kann? Ich meine, klar, lange Bälle auf Christian Beck können eine Waffe sein, aber schön wäre es doch, wenn das Team mit dem durchaus spielstarken Mittelfeld auch noch einen zweiten oder dritten Handlungsplan an der Hand hätte und den dann auch abgerufen bekommt. Sollten wir das alles noch unter „Entwicklung“ verbuchen? Wie lange kann die dauern, bis es richtig ungemütlich wird?

Wie erklären sich die großen Lücken zwischen Abwehr und Mittelfeld, insbesondere in Halbzeit 2, die einen ordentlichen Spielaufbau deutlich erschweren? Wieso hat der Gast nicht nur, aber insbesondere auch vor dem 0:2 derart viel Platz, dass der Treffer wie ein Übungsspielzug im Training wirkt? Warum fordert im zweiten Durchgang niemand den Ball und probiert mal was? Wo sind die Akteure, die sich eben nicht verstecken, sondern mit aller Macht versuchen, noch irgendwas zu reißen und die Nebenleute dabei mitzunehmen? Warum wehrt sich die Mannschaft, noch dazu in einem Heimspiel, generell nicht nennenswert?

Fragen über Fragen, Baustellen über Baustellen und klar, nach wie vor reichlich Ernüchterung, auch mit einer Nacht zwischen dem Gesehenen und diesem Text hier. Es ist ja nicht nur so, dass wir uns mal wieder bei Morten Behrens und der teilweise grotesken Unfähigkeit des Gegners, klarste Chancen zu verwerten, bedanken dürfen, nicht völlig untergegangen zu sein. Vor allem ist es eben die Art und Weise, in der die Niederlage zustande kam. Oder wie es Nicole von Sportfotos Magdeburg in „Ein Spiel, zwei Perspektiven“ treffend formulierte: „Mutlos. Kraftlos. Willenlos. Ideenlos. Bitter.“

Antworten auf die gestellten Fragen (und ich habe da sicher noch ein paar vergessen) werden, wie immer zum Saisonstart, erst die kommenden Spiele liefern können. Allerdings ist man als geneigter Clubfan durch die sportliche Talfahrt der letzten Jahre ja durchaus vorgeschädigt und zumindest ich habe gerade ein bisschen Angst davor, dass die Erkenntnisse aus den folgenden Spielen nicht in die sozial erwünschte Richtung ausschlagen. Und das ist nach der ersten Partie kein sonderlich gutes Gefühl.

Erst Geduld, dann viele Fehler

Auf einen ausführlichen Spielbericht verzichte ich heute mal; böse Zungen mögen behaupten, dass die Partie nach dem 0:1 im Prinzip schon gelaufen war, nur, dass das zu dem Zeitpunkt natürlich noch keiner wissen konnte. Trotzdem zunächst der Blick auf die Aufstellung, die nach dem Pokalspiel gegen Darmstadt wenig Überraschungen bot: Morten Behrens hütete das Tor, die Viererkette bildeten Timo Perthel, Korbinian Burger, Brian Koglin als Ersatz für Tobias Müller und Raphael Obermair. Adrian Malachowski und Jürgen Gjasula spielten im defensiven Mittelfeld, Luka Sliskovic und Daniel Steininger davor. Im Sturm agierten Christian Beck und Sören Bertram von Beginn an, wobei sich Bertram, wenn ich das richtig gesehen habe, bei gegnerischem Ballbesitz zwischen Sliskovic und Steininger fallen ließ.

Der Auftakt war dann eigentlich auch ganz okay, der Club spielte das zunächst geduldig, hatte viel Kontrolle, wartete erstmal ab und suchte gegen defensiv gut ausgerichtete Saalestädter die Lücke. In der siebenten Minute gab es eine schöne Aktion von Malachowski, der nach Balleroberung in den Strafraum zog und zwar zum Abschluss kam, aber keinen Druck hinter den Ball bringen konnte. Eine Minute später versuchte es dann Bertram mit einer Direktabnahme nach einem Einwurf, den Burger per Kopf noch weitergeleitet hatte. Bertram trifft die Kugel aber nicht voll und setzt den Schuss deutlich über den Kasten.

So ging das die ersten 20 Minuten, in denen die Gäste im Prinzip gar nichts anboten, dafür aber auf Fehler lauerten, die im blau-weißen Spiel dann auch verlässlich zunahmen. Schön eingelullt, könnte man auch sagen. Je länger das Spiel dauerte, desto weniger präzise und/oder entschlossen wurden die Aktionen des Clubs und fast schon folgerichtig fiel der erste Gegentreffer. Vorausgegangen war ein Fehler von Timo Perthel, der den Gästen das 0:1 fast auflegte. Statt eines Treffers gab es aber eine Ecke, die der Club in mehreren Versuchen nicht geklärt bekam. Eine scharfe Hereingabe von links lenkte Jürgen Gjasula schließlich unglücklich und für Morten Behrens unhaltbar ins eigene Tor.

Auch wenn es im ersten Durchgang noch drei Magdeburger Aktionen mit Torannäherung gab, von denen eine (Beck, 30.) durchaus auch einen Elfmeter hätte nach sich ziehen können, zeigte der Gegentreffer doch Wirkung und übernahm nun der Gast zunehmend die Initiative. Wer weiß, wer weiß, wie sich das Spiel entwickelt hätte, wenn Obermair in der 28. Minute vielleicht Vollspann auf’s Tor gezimmert hätte, statt den Ball mit der Innenseite links am Pfosten vorbeizuschieben. Oder wenn Malachowskis Kopfball in der 45. Minute nicht über, sondern in’s Tor gegangen wäre. Oder, oder, oder … Am Ende ist es ja doch müßig. Die Gäste machten es jedenfalls besser, kombinierten sich nach 42 Minuten mit 3 Pässen und reichlich Raum, quasi wie bei FIFA im Anfängermodus, relativ ungehindert vor das Magdeburger Tor und netzten dann eben in Person von Derstroff trocken und flach zum 0:2. Düdüm.

Morten Behrens, Debakel-Verhinderer

Durchgang 2 startete mit einem Doppelwechsel: Für den stark gelb-rot-gefährdeten Brian Koglin kam Sebastian Jakubiak, der Jürgen Gjasulas Platz im defensiven Mittelfeld einnahm. Der Unglücksrabe beim 0:1 rutschte dafür auf Koglins Position in der Viererkette. Sören Bertram wurde durch Kai Brünker ersetzt; es kam also mehr Wucht und Körperlichkeit für die Offensive, was prinzipiell erstmal Sinn ergab.

Jürgen Gjasula führte sich in seiner neuen Rolle erstmal mit einem ordentlichen Bock ein, als er sich von Derstroff an der Strafraumgrenze den Ball ablaufen ließ. Großes Glück für den FCM, dass der Ex-Regensburger dann einfach den Torabschluss vergaß. Auf der anderen Seite Brünker: Eine Flanke von links nahm er nach 49 Minuten direkt; in neuneinhalb von zehn Fällen ist so ein schicker Abschluss gegen den Lauf des Torwarts ein sicherer Treffer, hier zeigte Gästekeeper Eisele aber eine Sensationsparade und entschärfte den strammen Schuss von Brünker mit einem sensationellen Reflex. Ärgerlich. Und um wieder das „Hätte, hätte“-Spiel zu spielen: Wer weiß, ob so ein Anschlusstor früh in Halbzeit 2 das Momentum nicht noch einmal hätte kippen lassen. Wobei, nee. Vermutlich nicht.

Christian Beck hatte in der 52. Minute noch eine Kopfballchance, die auf dem Tornetz endete; nach 62 Minuten setzte er Luka Sliskovic sehenswert ein, der mit vollem Tempo in den Strafraum marschierte, den Ball dann aber an einen Verteidiger verlor. Es war also nicht alles schlecht, aber eben auch nicht richtig gut.

Naja, und so ab der 67. Minute wurde es dann richtig übel: Im Aufbau fanden sich keine Anspielstationen, alles wirkte irgendwie ideen- und ratlos, keiner bot sich mal an und die Gäste standen rum, guckten zu und mussten nicht mal viel machen, um ihren Vorsprung zu verwalten. Dafür schossen sie dann aber Morten Behrens warm: In der 77. Minute rettete er stark in der eingangs erwähnten Szene gegen Dehl (Boyd hatte gegen zwei Magdeburger Verteidiger sehenswert durchgesteckt), fünf Minuten später scheiterte Dennis Mast an unserer Nummer 1 (dessen Torwarttrikots übrigens offenbar noch beim Ausrüster liegen müssen …).

So. Und dann folgten drei Szenen, die für den Auftritt des Clubs an diesem Nachmittag irgendwie symptomatisch waren. In der 85. Minute ist es zunächst Malachowski, der sich erst eine gelbe Karte für ein Foulspiel am Strafraum abholt, Schiedsrichter Exner daraufhin mehrfach den Vogel zeigt und folgerichtig mit der Ampelkarte vom Platz fliegt. Sorry, aber das mindestens mal vollkommen unnötig. Fünf Minuten später ist es Korbinian Burger, der eine Hereingabe der Gäste klären möchte, dabei aber eine gefährliche Bogenlampe auf’s eigene Tor produziert. In der Nachspielzeit dann Daniel Steininger, der einen Schuss aus fünf Metern links am Tor vorbei platziert.

Fazit:

Das war nix, gar nix, was im Nachgang der Partie sowohl vom Kapitän als auch vom Trainer fast schon entschuldigend und korrekt angemerkt wurde. Ein Teil von mir möchte gern glauben, dass in der nächsten Begegnung vieles besser wird und der erste Auftritt in der Liga, der seit dem 2:1-Auftaktsieg gegen den FC Rot-Weiß Erfurt 2015 inzwischen ja schon traditionell verloren geht, einfach ein Ausrutscher und vielleicht schon der Tiefpunkt der Saison war. Ein anderer Teil, der im Moment noch lauter schnattert, befürchtet nach dem Gesehenen aber eher eine weitere zähe und ziemlich lange Saison. Hoffen wir einfach, dass Thomas Hoßmang und sein Team die vielen Baustellen, die es offenbar noch gibt, schnell geschlossen bekommen und die Leistung im Pokal nicht nur eine Eintagsfliege war. Das Potenzial ist da, davon bin ich fest überzeugt. Entscheidend ist aber, das dann auch auf den Platz zu bringen, aber das wissen wir ja.

Abschließend noch ein paar Worte zum Gegner, auch wenn es dieser Gegner war: Die Mannschaft war hervorragend eingestellt, hatte einen klaren Plan und konnte den auch sauber umsetzen. Dieser Auswärtssieg war auch ercoacht. Glückwunsch.

 

Beitragsbild: „Baustelle“ von Martin Abegglen via Flickr | Lizenz: CC BY-SA 2.0

Ein Hinweis noch in eigener Sache: Urlaubsbedingt wird es hier zu den Partien bei 1860 München, gegen Viktoria Köln und bei Dynamo Dresden keine Spielberichte geben. Ist halt Mist, wenn Du irgendwann mal Urlaub planen musst, zu dem Zeitpunkt aber noch überhaupt nicht abzusehen ist, ob, wie und wann es eigentlich mit der neuen Spielzeit weitergeht … Ganz still wird es hier aber nicht werden: „Ein Spiel, zwei Perspektiven“ wird es zu den genannten Partien trotzdem geben und auch der Podcast pausiert lediglich am 30.09..

3 Kommentare

  1. Pingback: Ein Spiel, zwei Perspektiven: TSV 1860 München (A) - nurderfcm.de

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