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Poncho-Pogo

Poncho

MSV Duisburg – 1. FC Magdeburg, 24. Spieltag, 0:0 (0:0)

Erster gegen Zweiter, die beste Abwehr der Liga gegen den besten Angriff – irgendwie fast schon logisch, dass dabei am Ende ein 0:0 herauskommen muss. Was langweilig klingt, war aber das ganze Gegenteil: Vor 18.164 Zuschauern lieferten sich der MSV Duisburg und der 1. FC Magdeburg einen zünftigen, Spitzenspiel-würdigen Schlagabtausch, bei dem die Gastgeber mit enormer Qualität und der Club großer Leidenschaft zu Werke gingen. Die erste Hälfte fiel recht klar an die Meidericher, der FCM gewann aber in Durchgang 2 an defensiver Stabilität, hatte im Spielverlauf seinerseits die eine oder andere Möglichkeit und nahm am Ende vor 3.000 Fans in der Gästekurve völlig verdient einen Punkt mit nach Hause. Sieht man von der vollkommen absurden „Einsatztaktik“ der Polizei rund um das Stadion mal ab, bei der man sich schon fragen darf, wie man in Duisburg einst Bundesligaspiele durchgeführt haben will, war der Ausflug in den Westen also ein durchaus gelungener. 

Vor dem Auswärtsspielgenuss steht ja bekanntermaßen die Anreise, und die gestaltete sich durch den Umstand, dass es die in der Anreise-Info ausgewiesene Friedrich-Alfred-Straße in Duisburg offenbar zweimal gibt, vor allem aber durch die örtlichen Sicherheitsbehörden einigermaßen hakelig. Eine Fantrennung auf dem Gästeparkplatz P1 gab es offenbar nur auf Zuruf, Duisburger mittleren Alters parkten in schöner Eintracht neben Autobesatzungen jüngerer Clubfans. Einige Heim-Anhänger mussten, einmal vom verstopften ‚Kalkweg‘ (der wirklich so heißt) auf den Parkplatz abgebogen, allerdings auch wieder umkehren und keiner weiß, warum. Mittendrin die Polizei, die die Autos an Kontrollposten 1 erst durchwinkt, um sie dann an Kontrollposten 2 zum Drehen zu bewegen. „Du kommst hier nicht rein“ – Parkplatz-Style. Kurios. Vielleicht hatten da einfach einige die falschen Winterreifen drauf.

Weiter ging es dann am Eingang zum Gästeblock bzw. genauer: am ersten der vier (!) Kontrollpunkte, bevor man das Stadiongelände überhaupt betreten konnte. Um etwa 17:40 Uhr dort angekommen, bewegte sich erst einmal gar nichts. Der Grund: weiße Ponchos, die Block U als Choreoelement verteilte, was den Sicherheitsbehörden offenbar genügte, um mehreren hundert Clubfans den Zutritt zum Gästebereich zu verweigern. Stattdessen in regelmäßigen Abständen die Durchsage: „Ziehen Sie die Regenponchos aus, dann kommen Sie auch ins Stadion und können Fußball schauen.“ Bis dato war mir nicht klar, dass die Stadionordnung des gastgebenden Vereins das Tragen großer, weißer Plastiktüten nicht zulässt, aber okay. Reisen bildet und hier konnte man auf jeden Fall wieder jede Menge Neues lernen. Inzwischen war es ungefähr 18 Uhr und während die um Einlass bittenden Clubfans dem Stadion etwa 3 Meter näher gekommen waren, brachte sich schon mal der obligatorische Wasserwerfer in Position. Der Sinn der Ponchos begann sich so langsam zu erschließen.

Poncho

Weitere 20 Minuten später, niemand hatte mehr einen Poncho an, viele waren aber inzwischen nur noch mäßig gut gelaunt, ging es dann endlich vorwärts. Als Grund für das Überzieher-Verbot kursierte derweil übrigens zweierlei: Man hörte vom Vermummungsverbot, unter das die Ponchos wohl fallen würden (Was genau vermumme ich da eigentlich? Die Winterjacke?), eine andere Erklärung bestand darin, dass Kölner Fans vor ein paar Jahren im Rahmen einer ähnlichen Choreo wohl Straftaten verübt hätten. Aha. Wenn da mal nicht eine Kollektivpräventivsicherheitsbestrafungsmaßnahme über Bande gespielt wurde. Chapeau, Polizei Duisburg!

Eine Einlasskontrolle Marke „Lass‘ Dir mal auf den Rücken klopfen“, ein kurzer Blick in den Zaunfahnenbeutel und weitere drei Kontrollpunkte später stand man dann schließlich im Block – gut, dass der Anpfiff um 15 Minuten verschoben wurde, den pünktlichen Spielbeginn hätten sonst sicherlich noch deutlich mehr Clubfans verpasst als diejenigen, die um 18:45 Uhr immer noch draußen standen. Kurz geschüttelt, das schmucke Stadion in Augenschein genommen, über die verunglückte Choreographie der „Proud Generation“ auf der Gegenseite geschmunzelt und dann ging es auch schon los, das im Vorfeld allerorten mächtig gehypte Drittliga-Spitzenspiel.

Christopher Handke kehrte nach abgesessener Gelbsperre in die Anfangsformation zurück und verdrängte Moritz Sprenger, ansonsten scheint Jens Härtel seine erste Elf in der Rückrunde erst einmal gefunden zu haben. Gegenüber den Partien in Paderborn und gegen Osnabrück gab es bis auf die Position rechts in der Abwehrkette jedenfalls keine weiteren Veränderungen.

Wie es kaum anders zu erwarten war, legten zunächst die Gastgeber los und ein mächtiges Tempo vor. Nach einem Freistoß von rechts in Spielminute 3 verpasst Jan Löhmannsröben den Ball in der Mitte beim Klärungsversuch, Duisburgs Blomeyer hält den Fuß dran und trifft mit seinem Schuss nur die Latte. Nur eine Minute später ist es erneut eine Flanke von rechts, die gefährlich wird, Leopold Zingerle im Magdeburger Tor aber vor keine großen Probleme stellt. Auffällig in der Anfangsphase, die von Duisburg deutlich dominiert wurde, waren die wiederkehrenden – und erfolgreichen – Angriffe über unsere linke Abwehrseite. Wenn MSV-Trainer Gruev da mal nicht eine kleine Schwachstelle ausgemacht hatte… Offensiv wiederum wusste die Achse Schwede-Kath erneut zu überzeugen; in der 12. Minute ist es ein Foul von Albutat an Kath nebst fälligem Freistoß, das dem Club die erste gute Möglichkeit beschert. Der Ball kommt hoch in den Strafraum, der Kopfballabschluss landet dann aber auf dem Tornetz.

Im weiteren Verlauf konnte sich der FCM so langsam das eine oder andere Stück Spielkontrolle erarbeiten und vor allem durch Nico Hammanns Diagonalbälle auf die rechte Seite in aussichtsreiche Positionen kommen. Stark, wie Tarek Chahed und Nils Butzen die weiten Pässe immer wieder erlaufen konnten. Was dann aber fehlte, war der letzte, viel zitierte „tödliche Pass“, den die Duisburger allerdings auch jeweils gut zu verhindern wussten. So zum Beispiel nach 19 Minuten, als Nils Butzen rechts gut einlaufen kann, den Ball mitnimmt, dann aber den aufgerückten Jan Löhmannsröben nicht bedient kriegt, weil ein Duisburger Bein in die Quere kommt.

Nach 23 Minuten muss derjenige Teil der Stadionbesucher, der es mit der Heimmannschaft hielt, den Torschrei dann schon deutlich auf den Lippen gehabt haben: In einer Kontersituation über – natürlich – unsere linke Defensivseite schickt Richard Weil Nico Hammann sprintenderweis‘ in die Mitte und versucht, den ballführenden Spieler seinerseits zu erreichen. Das misslingt, die Flanke kommt sauber und ungehindert in den Straufraum, wo sie den Kopf vom auffälligen Onuegbu findet – der Zentimeter über den Kasten köpft. Nach dem Lattentreffer aus der Anfangsphase die zweite dicke Gelegenheit für die Hausherren, deren Führung zu diesem Zeitpunkt alles andere als unverdient gewesen wäre. Auf der anderen Seite sorgten unterdessen vor allem Freistöße von Nico Hammann (z.B. in der 28. Minute) für Torgefahr, ohne aber etwas Zählbares einzubringen.

Einen Duisburger Treffer ans Lattenkreuz (36.), eine scharfe Flanke von rechts (40.), die in der Mitte glücklicherweise niemanden erreicht, einen sich bis an die Grundlinie durchtankenden Onuegbu (45.) und eine Halbchance von Christian Beck, (dem der Ball nach einem Fehler in der Duisburger Vorwärtsbewegung in aussichtsreicher Position vor die Füße fällt, 45.) später war Halbzeit. Und während sich der überwiegende Teil der Gästeschar in Richtung Toiletten und Versorgungsstände orientierte, brach am unteren Ende des Blocks einiges an Betriebsamkeit aus: es galt, die Choreo für den Beginn der zweiten Hälfte vorzubereiten.

Sage und schreibe knapp 800 (!) blau-weiße Schwenkfahnen hatte Block U mit nach Duisburg genommen. Diese logistische Leistung muss man sich vielleicht noch einmal kurz auf der Zunge zergehen lassen: Da fährst Du an einem Freitagabend mit 3.000 Leuten über 400 km (einfach) quer durch die Republik und hast dann mal eben noch 800 Schwenker mit im Gepäck. Irre. Während man es auf der Gegenseite mit einer leidlich hochgezogenen Blockfahne, einem kaum zu lesenden „Ultras“-Schriftzug und einigen Blinkern probierte, wurde mit Wiederanpfiff und wie für Block U üblich nicht gekleckert, sondern ordentlich geklotzt. Die Fahnen gingen hoch, die Kurve stimmte ihr Hohelied auf die Größten der Welt an, Bengalos erleuchteten den Duisburger Stadionhimmel – und die Heimseite zückte die Handys, nachdem der eigene Support-Block Minuten vorher für ihre kleine Pyro-Einlage noch mit dem einen oder anderen Pfiff bedacht wurde.

An Fußballschauen war erst einmal nicht zu denken; die ersten zehn Minuten des zweiten Durchgangs gehörten ganz und gar der Choreo. Auf dem Rasen machte unterdessen, wie später zu lesen war, der MSV dort weiter, wo er in der ersten Hälfte aufgehört hatte, mit gefährlichen Aktionen im Magdeburger Strafraum, am Magdeburger Strafraum und um den Magdeburger Strafraum drumherum. Als der Rauch sich verzogen hatte und die Fahnen gesenkt wurden, sah man allerdings einen 1. FC Magdeburg, dem es zunehmend besser gelang, die Partie zu beruhigen, hier und da die Kontrolle zu übernehmen und mit langen Bällen in den Duisburger Sechzehnmeterraum zu gelangen. Mehrfach im Mittelpunkt: Kapitän Marius Sowislo. In der 63. Minute schlägt er eine feine Flanke von rechts in Richtung Christian Beck, der die Hereingabe dann allerdings knapp nicht erreicht. Nach 77 Minuten die Riesenchance für den Skipper, der den Ball bereits im Strafraum lang und perfekt auf den Fuß serviert bekommt, nur noch abziehen muss, den Pass aber nicht schnell genug kontrollieren kann. Ein beherzter Volley unter die Latte und die drei Punkte wären möglicherweise nach Magdeburg gewandert.

Je länger das Spiel dauerte, desto klarer wurde nämlich auch, dass wohl diejenige Mannschaft die Partie gewinnen würde, die das erste Tor schießt. Allein, die richtig dicken Chancen sollten sich auf beiden Seiten nicht mehr wirklich einstellen. Dafür wurde die bereits ziemlich beherzte Gangart nun noch einen Ticken intensiver. So gerieten beispielsweise nach 70 Minuten Tobias Schwede und Andreas Wiegel aneinander, wofür beide gelb sahen; Schwede wurde kurze Zeit später für Michel Niemeyer ausgewechselt, der die linke Seite positionsgetreu übernahm und direkt an seine starken Kurzeinsätze in der bisherigen Rückrunde anknüpfen konnte. Interessant wurde es dann noch einmal fünf Minuten vor dem Ende: Tarek Chahed wird mit einem sensationellen Pass auf der linken Seite steil geschickt, zögert dann im Strafraum aber sehr lange und bedient schließlich, anstatt es selbst zu probieren, Christian Beck, dessen Abschluss allerdings noch vor dem Torwart relativ problemlos geklärt werden konnte.

Kaum zeigte die Uhr dann 90 Minuten an, war auch schon wieder Schluss und beendete der angenehm unauffällige Schiedsrichter Benjamin Cortus die Begegnung, die dem Spitzenspiel-Label alles in allem wirklich gut zur Ehre gereichte. Einen Punkt beim Tabellenführer und, da kann es kein Vertun geben, designierten Zweitliga-Aufsteiger mitzunehmen, ist mehr als in Ordnung; mit der kämpferischen Leistung und dem einen oder anderen spielerischen Akzent hat sich die Mannschaft diesen kleinen Erfolg redlich verdient.

Damit enden die Spitzenspielwochen für den 1. FC Magdeburg, in denen der Club gezeigt hat, dass er in dieser Saison zu Recht zu den Aufstiegskandidaten gehört. Die richtige Reifeprüfung steht dem Team von Jens Härtel freilich erst noch bevor – nach berauschenden Partien gegen Osnabrück und jetzt in Duisburg wartet am kommenden Wochenende das Tabellenschlusslicht aus Mainz. Drei Punkte im Heimspiel, der gleiche Fokus auf dem Platz und die gleiche Wucht auf den Rängen wie zuletzt, und die Aufstiegsträume an der Elbe dürften doch noch einmal um einiges konkreter werden.

2 Kommentare

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