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Magische Momente

1. FC Magdeburg – SV Babelsberg 03, 11.05.2014, 28. Spieltag

Schon komisch, wie einen die eigenen Gefühle mitunter völlig unvorbereitet überwältigen können. War es zu Beginn des vorletzten Heimspieltages lediglich die Mission, Tickets für das letzte Auswärtsspiel bei Lokomotive Leipzig zu besorgen, die angesichts einer sportlich völlig bedeutungslosen Begegnung gegen den SV Babelsberg 03 zumindest so ein bisschen Kribbeln auslöste, endete der Spieltag mit einer ganzen Reihe toller Erlebnisse und wider Erwarten mit einer guten Portion positiver Emotionen. Die wiederum wurden eher durch Kleinigkeiten und immer ohne Vorwarnung ausgelöst, hatten weniger mit dem Spiel, als vielmehr mit dem Drumherum zu tun und führten mir mal wieder deutlich vor Augen, warum ich dieses Spiel so liebe – und zwar sowohl das auf dem Rasen, als auch vor allem das auf den Rängen. 

Eigentlich begann alles völlig unspektakulär. Nach einer wirklich anstrengenden Woche freute ich mich zwar natürlich wieder auf den anstehenden Stadionbesuch, so richtig viel Begeisterung und Enthusiasmus wollte sich diesmal aber irgendwie nicht einstellen. Punktspieltechnisch ist die Saison gelaufen, das Landespokalfinale werde ich nicht vor Ort verfolgen können und aufgrund meiner sofortigen Weiterreise an meinen etwas mehr als 350 km entfernten Arbeitsort würde ich auch nicht in den Genuss kommen, nach dem Spiel groß mit der Mannschaft zu feiern, sollten wir gewinnen. So war  die Fahrt nach Magdeburg an jenem Sonntag irgendwie eher ein Gewohnheitsding – man fuhr eben, weil man ja eh immer fährt.

In MD angekommen, gab es gleich die erste positive Überraschung: neben dem besten Kumpel wurde ich von einem weiteren guten Freund am Bahnhof abgeholt, der sonst nicht so oft mit zum Fußball kommt und sogar seine kleine Tochter im Schlepptau hatte, für die die Begegnung gegen Babelsberg der erste Stadionbesuch ihres Lebens werden sollte. Man kann ja nicht früh genug an den Fan-Nachwuchs denken und so ein bisschen stolz bin ich ja dann doch, dass das erste Livespiel im Leben der jungen Dame eins unter Beteiligung der Größten der Welt war. Und gefallen hat es ihr auch noch – so soll das sein!

Am Stadion selbst dämmerte mir langsam, dass dieses Heimspiel auch so keins wie jedes andere werden würde. Dass etwa 150 Jungs und Mädels von Hutnik Kraków ihr Kommen angekündigt hatten und unsere Kurve und die Mannschaft beim Spiel gegen die Potsdamer unterstützen wollten, war ja bekannt. Dass dann aber tatsächlich mehrere polnische Reisebusse auf dem Parkplatz vor dem Stadion standen und den Zaun hinter der Nordtribüne ein großes Block-U-Banner in polnischer Sprache zierte, auf dem wohl übersetzt „Herzlich willkommen in Magdeburg“ gestanden haben dürfte, hat mich dann doch beeindruckt. Nicht, weil ich das Block U bzw. den polnischen Freunden nicht zugetraut hätte oder so (ganz im Gegenteil), sondern weil ich es in dem Moment einfach irgendwie krass fand, dass da tatsächlich eine ganze Menge Leute den weiten Weg in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt für den Tag auf sich genommen hatten, um die Freundschaft zwischen Hutnik und dem FCM hoch leben zu lassen. Und wir reden hier von Viertligisten.

Auch im Stadionumlauf selbst war einiges los, nutzte der Verein das Heimspiel doch vor allem auch noch einmal, um den 40. Jahrestag des Europapokalsiegs gegen den AC Mailand zu feiern. So waren auch etliche Spieler der damaligen Mannschaft zu Gast und stellten sich geduldig den Autogrammwünschen der wartenden Fans. Kurz habe ich auch überlegt, mich in die Schlange einzureihen, dann fiel mir aber wieder ein, dass ich dieser Autogrammsache so richtig viel nicht abgewinnen kann (Stichwort: Groupie-ismus); außerdem war abzusehen, dass ich diese Idee deutlich früher hätte haben müssen, wenn ich noch pünktlich zum Anpfiff im Block sein wollte. Die Autogrammjagdidee also kurzerhand wieder verworfen, dafür lieber ab in die Kurve, in der bereits eine gute halbe Stunde vor Spielbeginn ordentlich Stimmung war.

Was dann etwa 10 Minuten vor Spielbeginn passierte, kann man wohl gut und gerne als so etwas wie einen Erweckungsmoment bezeichnen. Der/die regelmäßige LeserIn wird wissen, dass ich diesem ganzen 74er-Kult eigentlich eher distanziert und mitunter auch kritisch gegenüberstehe. Dann aber betraten besagte, im Stadion anwesende Mitglieder der 74er Mannschaft den Rasen und wurden selbstverständlich vom Stadionsprecher auch einzeln begrüßt. „Paule Seguin“, „Manfred Zapf“, „Klaus Decker“, „Martin Hoffmann“, „Jürgen Herrmann“, „Helmut Gaube“, „Uli Schulze“, Siegmund Mewes“, „Jörg Ohm“, „Jürgen Pommerenke“, „Axel Tyll“ klang es über die Stadionlautsprecher  – und plötzlich hatte ich Gänsehaut. Die alten Herren kamen über den VIP-Bereich auf den Platz, das Stadion erhob sich und spendete Beifall und da stand ich nun im Block, Alex, Generation Amateurfußball, im Jahr des Europapokaltriumphs noch nicht mal ansatzweise Quark im Schaufenster und war gerührt.

Das klingt jetzt alles recht pathetisch, aber irgendwie war es das eben auch. Auf eine gute Art. Und es wurde besser: nach empfangener Ehrung bewegten sich die Magdeburger Fußballlegenden, die sie nun mal sind, auf die Nordtribüne zu, blieben vor der Kurve stehen, verstanden die Aufforderung, die Auszeichnungen mal kurz auf den Rasen zu stellen und klatschten mit der gesamten Kurve ein. Ziemlich unbeholfen zunächst, was irgendwie niedlich aussah, dann aber gut im Takt, bestimmt und selbstbewußt.

„1974, im Kuip von Rotterdam…“

„FUSS-BALL-CLUB MAG-DE-BURG! FUSS-BALL-CLUB MAG-DE-BURG!“

Das war ein ganz, ganz besonderer Moment und ein Gefühl, das ich in meiner bisherigen Fan-Laufbahn so noch nie hatte. Scheisse, ja, das war Tradition zum Anfassen. 90% der Leute, die da neben, vor oder hinter mir im Block standen, waren zu den großen Zeiten dieser Männer da auf dem Rasen noch lange nicht geboren und in diesem Moment war das aber einfach scheißegal. „Ihr auf dem Rasen, wir auf den Rängen“, nur anders. Ja, doch. Das war einer der Momente, von denen man im günstigsten Fall seinen Enkeln noch erzählt.

Irgendwann danach ging dann auch das Spiel mal los und natürlich hatte Block U dem Anlass entsprechend eine amtliche Choreo vorbereitet, die zwar ein wenig unter dem starken Wind im Stadion zu leiden hatte, trotzdem aber mal wieder ordentlich zu beeindrucken wusste. Während ich mir die ganze Sache von unter der Plane anguckte, kam der Rest des Stadions in den Genuss dieses Anblicks:

Choreo

Stimmungstechnisch war die Partie an diesem Sonntag ohnehin auf allerhöchstem Niveau, woran natürlich auch die polnischen Gäste ihren großen Anteil hatten, weil eben stärker als sonst auch die „Nowa Huta – HKS“- und „Hutnik – Magdeburg“-Gesänge Eingang in das Liedgut fanden und gemeinsam ordentlich laut intoniert wurden. In dem Zusammenhang gab es dann in der zweiten Hälfte den nächsten großartigen Moment, der mir sicher noch lange in Erinnerung bleiben wird: plötzlich wurde der Capo der Hutnik-Jungs aufs Vorsängerpodest gebeten, der dann für die ganze (!) Kurve ein „Olé FCM!“ und (ich meine) ein „Du bist niemals alleine“ angestimmt hat. Man nenne mich fußballromantisch, aber das war wieder so ein Gänsehautmoment, wie man ihn nicht alle Tage erlebt. Viel besser kann man die Freundschaft zwischen zwei Kurven vermutlich nicht zum Ausdruck bringen. Insgesamt einfach ein sehr, sehr gelungener Auftritt beider Szenen und viele, viele Pluspunkte im Muttiheft, weil man eben auch nicht unter sich blieb, sondern ganz bewusst alle, also auch so „Normalfans“ wie mich in den Blöcken nebenan, mit einbezogen hat, sodass jeder, der wollte, für diesen einen Tag an einer (wie ich nach dem Spiel im „Planet MD“ lesen konnte) immerhin schon 9 Jahre währenden Freundschaft teilhaben durfte. Vielen Dank dafür!

Ach ja, so ganz nebenbei fand dann unten auf dem Rasen noch ein Fußballspiel statt, das die Größten der Welt klar und deutlich mit 3-0 und ohne viel Gegenwehr vonseiten der Gäste für sich entscheiden konnten. Was natürlich noch das i-Tüpfelchen auf einem tollen Tag war.

Auch die Tickets für das Spiel gegen die Lokomotive aus Probstheida konnten im Übrigen noch erfolgreich erstanden werden, sodass es mir tatsächlich vergönnt ist, meine Mannschaft bei den letzten drei aufeinander folgenden Punktspielauftritten in dieser wieder sehr ereignisreichen Spielzeit live zu sehen.

Ein großer, großer Wermutstropfen ist allerdings wirklich das Pokalfinale am Mittwoch, das ich verpassen und mir mutmaßlich nicht mal im Stream angucken werde, weil ich es sehr wahrscheinlich nur schwer ertragen kann, nicht ebenfalls dort im Block stehen und den Hässlichen beim Verlieren zugucken zu können.

Umso mehr hoffe ich natürlich, dass wir dann am 29. Spieltag als Landespokalsieger das altehrwürdige Bruno-Plache-Stadion rocken werden, um via Leipzig auch den Hallensern noch mal ganz deutlich vor Augen zu führen, wer die Nummer Eins im Osten ist. Nur der FCM. Einmal – immer.

 

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