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Ein Spiel, zwei Perspektiven: Halle (A)

Christian Titz im Süden

Der 1. FC Magdeburg verliert erstmals in dieser Saison zwei Spiele hintereinander, die sportlich Verantwortlichen werden dünnhäutiger und zum ersten Mal in dieser Spielzeit gibt es ein durchaus vernehmbares Grundgrummeln im Umfeld. Und dann ist da ja immer noch der Tod von Hannes, der sowohl innerhalb der FCM-Fanszene als auch in diesem Text die Perspektiven auf die Partie mitbestimmt. Genug also der Vorrede, hier unser Blick auf das 2:3 im Süden Sachsen-Anhalts:

Meine Erwartungen vor der Partie:

Nicole:

Oh, ich hatte ein schlechtes Gefühl. Schon morgens machte sich ein Grummeln in der Magengegend breit. Mannschaften, die immer darauf herumreiten, dass sie so viele Verletzte haben, sind die gefährlichsten. Durch die Niederlage am vergangenen Spieltag waren wir schon etwas unter Druck. Auch wenn das keiner so richtig wahrhaben will. Und das Spiel gegen das Team aus dem Süden muss per se gewonnen werden. Diese Schmach, die danach immer über einen kommt, war und ist kaum zu ertragen.
All das ging mir seit dem Morgen nicht mehr aus dem Kopf.

Die Fahrt in den Süden wurde heruntergespult, meine Laune hob sich leider nicht. Als die Mannschaft den Bus verließ, flammte etwas Hoffnung auf, aber ich sollte enttäuscht werden. Meine Befürchtungen wurden wahr. Ich habe ja immer noch eine Resthoffnung, aber die wurde schon durch die ersten Schiedsrichterentscheidungen zunichte gemacht. Machen wir es kurz: Meine Erwartungen waren eigentlich ganz groß. Sie sollten mein schlechtes Gefühl in ein schönes Gefühl umkehren.

Alex:

Für mich wird das nie wieder ein normales Spiel sein, alles an dieser Paarung ist einfach ätzend. Der Gegner, die Schwere, die für mich nach wie vor über dem Duell hängt und vermutlich nie verschwinden wird … kurzum: Ich sehe kein Szenario, in dem ich irgendwann mal wieder Lust darauf haben könnte, mir das aufmerksam und wirklich interessiert anzuschauen – oder irgendwas groß zu empfinden, außer bodenloser Abneigung gegen diesen Verein und seine respektlose, feige Fanszene, egal, ob das Spiel nun gewonnen oder verloren wird. Dementsprechend war und ist die Erwartung einfach nur, dass der Spieltag doch bitte schnell vorbei gehen möge.

So habe ich das Spiel verfolgt:

Nicole:

In der von uns seit Jahren so genannten Knallgas-Arena. Immer wieder muss man die heimischen Fans durchqueren, um zum Platz zu kommen. Wir setzten uns wieder so hin, dass wir nicht die Bierbecher hinter uns hatten und immer mit der Angst leben mussten, dass da unabsichtlich mal etwas nach vorne kippt.

Zu Beginn war ich noch ruhig; unsere Führung in der 20. Minute war super herausgespielt und brachte mir ein Lächeln auf die Lippen. Doch dann bekamen die Hausherren Unterstützung vom Unparteiischen. Die unterlassenen Pfiffe bei klaren Foulspielen ließen uns nicht nur auf dem Platz verzweifeln. Der Ausgleich passierte wieder, weil zwei klare Foulspiele gegen uns nicht gepfiffen wurden. Das dritte Tor war ebenfalls ein klares Foul an Tobi Müller. Der ist dann auch richtig angefressen vom Platz und wir schauten uns alle nur an und verstanden die Welt nicht mehr. Bitte was haben wir verbrochen? Oder will uns der DFB nicht weiter oben sehen? Schon gegen Würzburg war es zeitweise zweifelhaft, aber die Schiedsrichterleistung hier setzte allem noch die Krone auf. Den Anschlusstreffer selbst bekamen wir kaum mit, da Kai Brünker so schnell den Ball im Tor unterbrachte und vor uns die Zuschauer standen und sich schon selbst feierten.

Aber, ich weiß. Nicht nur der Schiri alleine trägt die Schuld. Auch wir offenbaren Schwächen in den Torabschlüssen. Das Flachpassspiel in den Strafraum sieht schön aus, ist aber sehr ausrechenbar. Zudem werden wir immer wieder durch Konter aus dem Tritt gebracht. Das muss einfach besser werden. Die Qualität haben wir, wir müssen es nun einfach wieder auf den Platz bringen und den Gegner mit Toren mundtot machen.

Alex:

„Verfolgt“ ist das falsche Wort. Eigentlich wollte ich es gar nicht schauen, letzten Endes lief es dann aber doch nebenbei auf dem Tablet, während ich diversen Papierkram erledigte und meine Buchhaltung machte. So ein bisschen mitreden können müsste ich im Podcast am Mittwoch ja schon. Die Tore habe ich dementsprechend natürlich gesehen, sonst aber eigentlich nichts mitbekommen und nach dem dritten Gegentreffer auch ausgemacht. Eine Einschätzung meinerseits zur Leistung wäre daher sicherlich vermessen.

Der auffälligste Spieler:

Nicole:

Für mich heute kein Spieler, sondern der Schiedsrichter. Seit langem hinterfrage ich den Videoassistenten, denn ohne diesen scheinen die höherklassigen Schiedsrichter wohl kaum noch eine eigene Entscheidung treffen zu können. Es werden ja in den ersten zwei Ligen permanent die Entscheidungen hinterfragt und ich habe das Gefühl, dass dies mittlerweile einen wahnsinnigen Einfluss auf die Leistung auch abseits der 1. und 2. Liga hat.

Alex:

Das Tor von Condé fand‘ ich stark. Ansonsten: siehe oben.

Die Partie in maximal fünf Worten:

Nicole:

Bin Sprachlos.

Alex:

Hannes unvergessen!

Das bleibt in Erinnerung:

Nicole:

Mücken. Mücken. Mücken und der blanke, pure Hass der Leute hier gegenüber dem Club. Es war einfach nur unfassbar. Nicht nur die hämischen Beleidigungen der Zuschauer nach dem Spiel sind immer wieder unter der Gürtellinie, auch die Spielauswertungen nach der Partie lassen mich in dem (Un-)Glauben zurück, dass ich scheinbar gar keine Ahnung vom Fußball habe.

Das Fernbleiben unserer Fans interessiert die hier null. Der Grund ist nichtig. Es ist ihnen einfach egal. Der Täter wird nie gefunden, das Schweigen bleibt und der Hass gegen uns auch.

Wenn man schlecht spielt, dann kann man das zugeben. Wir haben das Spiel auch zum Teil selbst verloren, durch einfache Fehler. Doch abseits des Rasens ist das hier alles nur noch mit Kopfschütteln zu ertragen. Man will einfach nur schnell weg.

Alex:

Jedes Mal, wenn ein Spiel gegen die ansteht, gehen mir inzwischen eigentlich die gleichen Gedanken durch den Kopf: Ich erinnere mich dann einfach an die vielen großartigen Touren mit unserem Fanclub Mittelhessen quer durch die Republik, an abstruse Begebenheiten, chaotische An- und Abreisen und einfach die gute Zeit, die ich mit den Jungs hatte. Inzwischen muss ich da wohl auch tatsächlich in der Vergangenheit schreiben, die Pandemie und die veränderten Lebensumstände bei dem einen oder anderen (unter anderem auch mir) haben das Fanclub-Leben schon echt nachhaltig verändert und die gemeinsamen Fahrten wirklich, wirklich selten werden lassen. Aber das ist noch mal ein anderes Thema …

Worauf ich eigentlich hinauswollte: Es gibt da eben die vielen schönen Erinnerungen an die Fahrten mit den Freunden und dann so den Gedanken, jedes Mal, wie es sich anfühlen würde, wenn einer von den Jungs vielleicht beim nächsten Mal, beim großen Revival, nicht mehr dabei wäre, weil er einfach zur falschen Zeit in den falschen Zug gestiegen ist. Wegen der Zugehörigkeit zu einer Fanszene sein Leben verloren hätte. Und keiner was gesehen haben will, weil die, die dabei waren, sich einfach nicht gerade machen. Die Eltern und die Freundinnen und Freunde des Verstorbenen dementsprechend immer im Unklaren darüber bleiben werden, was eigentlich genau passiert ist.

Die Vorstellung ist furchtbar, drückt auf die Brust, schnürt mir die Kehle zu und lässt sich eigentlich gar nicht zu Ende denken; genau deshalb finde ich es aber ganz wichtig, den Tod von Hannes eben nicht zu vergessen. Eben nicht nach soundsovielen Jahren gegen diesen Verein wieder zur Tagesordnung überzugehen. Jeder und jede, die und der das trotzdem kann, soll das machen. Ich will das gar nicht bewerten, habe in dem Punkt aber eben meine Haltung zu der ganzen Thematik und folge da einfach dem, was ich fühle, wenn der entsprechende Spieltag ran ist. Ich wünschte, ich könnte diese Paarung einfach aus dem Saisonkalender streichen. Kann ich aber nicht. Deshalb ist das dann für mich halt ein Tag zum Innehalten. Und sicherlich vieles, aber eben kein normales Fußballspiel.

Das Foto des Spieltags:

Christian Titz im Süden

(c) 1. FC Magdeburg / Norman Seidler

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