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Buchbesprechung: „Spielmacher“

Spielmacher

„Menschen und ihre Geschichten mit dem 1. FC Magdeburg“

Dieses Buch hat Gewicht. Das merkt man sofort, wenn man es in den Händen hält – „Spielmacher“, das im Dezember 2018 aktuellste Werk über den 1. FC Magdeburg, Hardcover, Fotos, 312 Hochglanz-Seiten, macht schon allein haptisch einiges her.

Auch inhaltlich ist es ein Buch über die Größten der Welt, das es in dieser Form noch nicht gegeben hat. Anstelle der üblichen Meilensteine der Vereinsgeschichte, die so oder so ähnlich schon einige Male erzählt wurden, lassen die Autor*innen Birgit Ahlert, Rudi Bartlitz, Tina Heinz und Thomas Wischnewski nämlich 47 Protagonist*innen zu Wort kommen, die mit den Geschicken des einzigen Europapokalsiegers der ehemaligen DDR auf die eine oder andere Weise, immer aber eng, verbunden sind. 

Das Buchkonzept ist so einfach wie genial – und es funktioniert, weil man über die Erzählungen der ausgewählten Personen wirklich spannende Einblicke in alle Phasen der Vereinsgeschichte erhält. Der Begriff „ausgewählt“ ist übrigens durchaus wörtlich zu nehmen: Die Entscheidung, wer in „Spielmacher“ portraitiert werden soll, erfolgte in enger Abstimmung mit der Arbeitsgruppe „Vereinskultur“ beim 1. FC Magdeburg.

Dass eine Auswahl immer auch bedeutet, dass der eine oder andere Charakter, der auch interessant gewesen wäre, außen vor bleiben muss, liegt auf der Hand. Ein Makel für das Buch ist das freilich nicht: Von bekannten Namen wie Heinz Krügel, Joachim Streich oder Dirk Heyne über (inzwischen) vielleicht weniger bekannte Personen wie Reinhard Lehmann oder Karin Rufft bis hin zu Mario Kallnik, Jens Härtel oder Christian Beck als Vertretern des „zeitgenössischen“ FCM ist den Macher*innen eine wirklich gute Mischung gelungen. Auch die Fan-Perspektive kommt nicht zu kurz, ebenso wie die derjenigen, die eher hinter den Kulissen für den Verein unglaublich wertvolle Arbeit leisten. Schade ist allerdings, dass es mit besagter Karin Rufft nur eine einzige Frau ins Buch geschafft hat – schwer vorstellbar, dass es im Verein oder um den Verein herum nicht noch weitere Frauen gibt oder gegeben hat, die einen Platz in „Spielmacher“ verdient gehabt hätten.

Auch schade ist, dass die edle Aufmachung des Buches mit der inhaltlichen und formalen Gestaltung nicht ganz mithalten kann. Durch ärgerliche Lektoratsfehler wirkt „Spielmacher“ an einigen Stellen so, als musste man relativ schnell fertig werden. Da kann dann schon mal ein Zeilenumbruch verrutschen, die eine oder andere Wortauslassung nicht auffallen oder aus Ernst „Anti“ Kümmel ein „Andi Kümmel“ werden. Auch merkt man dem Buch die verschiedenen Schreibstile der unterschiedlichen Autor*innen an; während sich einige Texte hervorragend flüssig lesen, sind andere Abschnitte, in denen sich ausschließlich Hauptsätze aneinanderreihen, ein eher anstrengender Lesegenuss. Und klar, das ist sicher immer auch irgendwo Geschmacksache. Trotzdem bleibt zumindest bei mir der Eindruck hängen: Bei der einen oder anderen Geschichte wäre mit etwas mehr rhetorischem Geschick sicher noch mehr drin gewesen. 

Kurios wird es dann beim Portrait von Dirk Stahmann. Nun ist es natürlich absolut möglich, dass ein Mensch zwei Personen zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf die gleichen Fragen in genau dem gleichen Wortlaut antwortet. Die Ähnlichkeiten zwischen den Zitaten im „Spielmacher“-Text und dem, was mir Dirk Stahmann im Sommer 2017 erzählt hat (und vor allem, wie), sind trotzdem mehr als frappierend. Falls ich hier also jemandem Recherchearbeit abgenommen haben sollte: gern geschehen! In dem Fall hätte man sich mit einem Verweis auf das Original allerdings sicher keinen Zacken aus der Krone gebrochen. Tja nun. 

Trotz dieser Punkte ist „Spielmacher“ definitiv ein Buch, dass jeder Clubfans gelesen und im besten Fall im Bücherregal haben sollte. Besonders interessant für mich waren die Erzählungen derjenigen, die während der Zeit des Mauerfalls beim 1. FC Magdeburg in der Verantwortung standen. Wenn man z.B. liest, wie Reinhard Lehmann damals die Belegschaft auf der Geschäftsstelle innerhalb kurzer Zeit von 40 auf 7 Personen reduzieren musste oder wie Dr. Hans-Georg Moldenhauer die Umbrüche im DDR-Fußball zwischen 1989 und Anfang der 1990er Jahre erlebt hat, kann einem schon der eine oder andere kalte Schauer den Rücken herunterlaufen. An den Stellen kann man das Buch getrost für eine kurze Lesepause zuklappen und den Gedanken haben: „Meine Güte, wir wissen, glaube ich, gar nicht, wie gut es uns heute geht.“

Und ja, natürlich hat man einige der Stories aus „Spielmacher“ schon mal irgendwo anders gehört, zumal die eine oder andere auch im Buch doppelt erzählt wird. Das liegt aber weniger an Unachtsamkeiten des Autor*innen-Teams, als vielmehr daran, dass Personen wie Walter Kirnich (2. Sekretär der SED-Bezirksleitung) oder Themen wie die Insolvenz 2002 eben mehr als nur eine Person nachhaltig beschäftigt haben. Und darum geht es in „Spielmacher“ vor allem, wie ja auch der Untertitel verrät: eben um „Menschen und ihre Geschichte mit dem 1. FC Magdeburg“. Aus dieser Perspektive leistet das Buch mit seinem spannenden Ansatz, Personen zu Wort kommen zu lassen, die dabei waren, einen ganz hervorragenden Beitrag zur Vereinskultur.

„Spielmacher“ gibt es im gut sortierten Buchhandel, bei FCMTotal – der Fanladen oder direkt beim Verlag.

Spielmacher
Menschen und ihre Geschichten mit dem 1. FC Magdeburg 

Hardcover, 312 Seiten
Magdeburg Kompakt, 2018
ISBN: 978-3-00-061112-4
29,95 €

Transparenzhinweis: Das Buch wurde mir vom Verlag für diese Besprechung unentgeltlich zur Verfügung gestellt. 

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