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Buchbesprechung: „Außenlinien“

Außenlinien

Wodka, Koks und eine vollkommen irre Tour von Osteuropa bis nach Deutschland – einerseits ließe sich Jente Knibbiches aktuelles Buch “Außenlinien” mit diesen drei Schlagworten recht gut zusammenfassen, andererseits würde eine solche Zusammenfassung dem zweiten Roman des Köthener Clubfans nicht einmal ansatzweise gerecht werden.

Jente nimmt mich zunächst mit in die Ukraine und damit zum aktuellen Aufenthaltsort von Alex, der eigentlich Peter heißt und den es irgendwann – aus Gründen – weit in den Osten verschlagen hat. Leser*innen von Jentes erstem Roman “Abstiegsspiel” (ich gehöre noch nicht dazu) wissen über die Hintergründe von Peters Umzug vielleicht besser Bescheid, aber auch so bekommt man beim Lesen einen ungefähren Eindruck davon, warum jemand auf die Idee kommt, alles hinter sich zu lassen und unter neuem Namen noch einmal ganz von vorne anzufangen.

Die Vergangenheit spielt für Peter in der Ukraine zunächst auch gar keine so große Rolle, bis sie sich in Form einer verwüsteten Wohnung, eines einigermaßen verstörten Mitbewohners und des dringenden Impulses, doch bitte ganz, ganz schnell zu verschwinden, massiv in sein neues Leben drängt. Was folgt, ist eine Flucht vor den plötzlich wieder ziemlich realen Geistern der Vergangenheit, die Jentes Protagonisten erst in die Ostukraine, dann nach Transnistrien, von dort nach Rumänien und über Ungarn sowie Tschechien schließlich nach Deutschland verschlägt. Dabei so gut wie immer im Gepäck: eine Pulle Schluck, ein paar Muntermacher in Pulver- und/oder Kristallform, jede Menge Paranoia und ein Haufen Ärger, den Peter irgendwie magisch anzuziehen scheint. Letzteres könnte allerdings auch daran liegen, dass größere Teile der Tour das Reaktivieren alter Netzwerke erforderlich machen, die jetzt nicht unbedingt im Rahmen des gesetzlich Erlaubten agieren, um es vorsichtig auszudrücken.

Das Erstaunliche dabei: Trotz aller Widrigkeiten, die einem bei so einer Flucht unter den gegebenen Umständen begegnen können, bleibt hin und wieder noch Zeit für den Besuch eines Fußballspiels, sei es in der ukrainischen Liga, bei der Europameisterschaft oder in den Niederungen des sächsischen Amateurfußballs. Auch der 1. FC Magdeburg findet seinen Platz im Buch, und sei es zunächst nur als Sehnsuchtsort und Verbindung zu Peters früherem Leben, vor der Sache mit den Spielautomaten und dem ganzen Mist, der damit einherging.

Erzählt wird die Geschichte in 13 Kapiteln, die mich in ähnlichem Tempo durch das Buch trugen, wie Peter durch Osteuropa reist: rasant und rastlos. An “Außenlinien” war für mich beim Lesen eigentlich alles spannend: Die Zwischenwelt, in der sich der Ich-Erzähler bewegt und mit der ich im normalen Leben eher keine Berührungspunkte habe, die Herausforderungen, Unwägbarkeiten und Skurrilitäten, die Peter bewältigen muss und die ihn immer wieder in Situationen bringen, die eigentlich aussichtslos erscheinen. Die Details über das Leben und die Menschen in Osteuropa, was darauf schließen lässt, dass da einiges an Hintergrundwissen vorhanden ist. Schließlich auch Peters Gedankenwelt, die sich längst nicht nur um Alkohol und Drogen dreht. Da wird dann schon auch mal tiefgründiger über das Leben reflektiert, zum Beispiel über die Frage, was genau jetzt eigentlich Gewalt ist und warum sie auf die Menschen so eine eigenartige Faszination ausübt. Oder wie krank eigentlich eine Welt ist, in der jeder nur auf sich schaut und in der Werte wie Respekt und Solidarität in der breiten Bevölkerung zunehmend mehr zu bloßen Vokabeln verkommen. Natürlich kommt auch die Betrachtung des sogenannten ‘modernen Fußballs’ nicht zu kurz, die der Autor unter anderem durch die Augen eines zeitweiligen Helfers seines Protagonisten vornehmen lässt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass man “Außenlinien” all jenen absolut ans Herz legen kann, die schräge, spannende, nachdenklich machende, großartig erzählte und mitunter auch reichlich krasse Geschichte mögen. Ich jedenfalls fühlte mich hervorragend unterhalten und wenn es eine Sache gibt, die stört, dann die, dass auch bei sehr guten Büchern irgendwann unweigerlich die letzte Seite gelesen ist. Von daher abschließend und in aller Deutlichkeit: Kauft dieses Buch! Es ist sehr gut.

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Jente Knibbiche: Außenlinien
256 Seiten, Softcover, 11,90 €
ISBN: 978-3-940159-24-3

Das Buch gibt es unter anderem im Online-Shop von Blickfang Ultrà.

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