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Zurück zu alten Tugenden

Auswärtssieg in Münster

SC Preußen Münster – 1. FC Magdeburg, 7. Spieltag, 2:3 (1:2)

Nimmt man die Erleichterung auf den Gesichtern der Spieler und des Anhangs im Gästeblock als Indiz, muss die Anspannung, die nach Abpfiff von allen Beteiligten abfiel, bis nach Magdeburg spürbar gewesen sein. Was für ein Spiel und was für ein immens wichtiger Auswärtssieg in der 7. Runde dieser bisher einigermaßen verkorksten Drittligasaison! Zumal, das muss man ganz deutlich sagen, im Duell des Tabellen-Achtzehnten gegen den Vorletzten nicht die fußballerisch bessere, sondern die glücklichere Mannschaft gewann, die sich ebenjenes Glück allerdings über die 90 Minuten auch hart erarbeitet hat. Ist letzten Endes aber eigentlich auch vollkommen egal: Das war nicht nur einer, das waren gleich ganze drei Bigpoints, die die Größten der Welt in Münster landen konnten. 

Bevor es ums Sportliche geht, vielleicht vorab noch zwei, drei Worte zum Drumherum an diesem Spieltag, sah man sich beim letzten Auftritt im Preußenstadion doch allerlei polizeilicher Albernheiten ausgesetzt; 3 (!) Wasserwerfer, hypernervöse Beamte auf dem Gästeparkplatz und eine mutmaßlich im Volkshochschul-Kurs „Kreatives Schreiben“ entstandene Polizeimeldung nach der Begegnung inklusive. Von derlei Mätzchen war diesmal, sieht man von einem eigenen Übertragungswagen direkt vor der Gästekurve mal ab, glücklicherweise wenig zu spüren, was den Ausflug nach Münster zu einer tatsächlich eher unerwartet entspannten Angelegenheit werden ließ.

Auswärtssieg in Münster

„Es geht doch!“ möchte man den Entscheider*innen in der Einsatzzentrale an dieser Stelle zurufen – wenngleich sich der eine oder die andere beim Verlassen des Stadions schon gefragt haben mag, ob die nicht entfernten Sicherheitsschleusen, durch die man sich nach Abpfiff erneut quetschen musste, möglicherweise so etwas wie ein letzter Gruß der Staatsmacht gewesen waren. Aber gut, geschenkt. Der größere Teil des Anhangs dürfte ob des gerade Erlebten ohnehin zu fertig und/oder euphorisiert gewesen sein, um sich daran groß zu stören.

Gegenüber der Niederlage in Mainz nahm Jens Härtel zwei Veränderungen in der Startaufstellung vor: Anstelle von Tobias Schwede begann diesmal Sebastian Ernst links im Mittelfeld, für Moritz Sprenger rückte Nico Hammann in die erste Elf. Letzterer lief aber nicht als linker Verteidiger auf, sondern gab interessanterweise den Abwehrchef in einer Dreierkette, die von Christopher Handke und Felix Schiller komplettiert wurde. Davor begannen Niklas Brandt und Marius Sowislo, neben dem schon genannten Ernst liefen Gerrit Müller zentral und Nils Butzen rechts auf, Christian Beck und Manuel Farrona Pulido bildeten diesmal das Sturmduo in einer 3-5-2-Formation.

Die Anfangsphase war dann, wenn man so will, schon so etwas wie eine Blaupause für die gesamte Begegnung: Der SC Preußen Münster kam mit mächtig Dampf um die Ecke, war sehr präsent und störte extrem früh, was unserer Defensive große Probleme bereitete, nach Ballgewinnen in einen ordentlichen Spielaufbau zu kommen. Etliche Abspielfehler waren die Folge, glücklicherweise gelang es den Gastgebern aber nicht, daraus früh Kapital zu schlagen. Stattdessen klingelte es gleich in der 6. Minute auf der anderen Seite: Nach einem schönen Konter über Manuel Farrona Pulido und Christian Beck kommt der Deutsch-Spanier im Strafraum erneut an den Ball, wird mustergültig gelegt und lässt Schiedsrichter Gerach gar keine andere Wahl, als auf den Punkt zu zeigen. Im Gästeblock drehten sich die Ersten derweil schon mal weg – angesichts unserer bisherigen Erfolgsquote bei Elfmetern war man ja geneigt, statt der Ausführung des Strafstoßes vielleicht lieber gleich Abstoß zu fordern. Nicht so diesmal. Christian Beck guckt Maximilian Schulze Niehues im Tor der Preußen schön aus und platziert den Ball dann in der linken Ecke – 1:0 für die Guten und die erste kleine Eskalation beim mitgereisten Anhang.

Trotz der frühen Führung dauerte es knapp 20 Minuten, bis der Club die Begegnung ein wenig in den Griff bekam. Vom Rückstand nur kurz geschockt, spielten nämlich die Gastgeber weiter schnell, direkt und aggressiv nach vorn und verteidigte Blau-Weiß die Führung mit viel Geschick und Glück – auch, weil Preußen Münster in der 9. Minute ein Elfmeterpfiff verwehrt blieb, über den man sich auf Magdeburger Seite wohl nicht unbedingt hätte beschweren können. Und wenn alle Stricke rissen, gab es da ja noch Jan Glinker, der unter anderem in der 21. Minute mit einer starken Fußabwehr gegen einen frei auf ihn zulaufenden Münsteraner Stürmer rettete. In Spielminute 24 dann Freistoß für den FCM aus zentraler Position zwischen Mittelkreis und Strafraum: Nico Hammann zieht ab, zwingt Keeper Schulze Niehues zu einer Flugeinlage und einer Abwehr des Balles direkt vor die Füße von Felix Schiller. Der wiederum schaltet blitzschnell und schiebt die Kugel zum 2:0 in die Maschen – ungläubige Blicke, gefolgt von Eskalation Nummer 2 im Gästeblock inklusive. Ausgerechnet Felix Schiller! Wenn man einem Spieler so ein Tor in so einem Spiel besonders gönnen möchte, dann der „Maschine“, die offenbar, unterbrochen durch den unsäglichen Achillessehnenriss aus der vergangenen Saison, für die ganz wichtigen Tore zuständig ist – seinen letzten Treffer erzielte er zum 1:1 bei den Kickers Offenbach im Aufstiegsrückspiel 2015.

Mit der stragisch wichtigen, abgezockten und ja, sicher auch glücklichen 2:0-Führung im Rücken richtete sich die Aufmerksamkeit im weiteren Verlauf dann erst einmal auf das Geschehen im Gästeblock. So sah man von „Zaungott“ Olli kurz nach dem 2:0 nur noch die Füße, während er sich mit einer sportlichen Rolle vorwärts in den Innenraum verabschiedete – zum Glück ohne erkennbare Verletzungen. Und während sich alle noch fragten, ob Olli den Sturz heil überstanden hatte, rückten auf der anderen Seite des Blockes Feuerwehr und Sanitätsdienst an, um einen Clubfan zu befreien, der, auf dem Zaun sitzend, wohl mit einem Finger an ebenjenem hängen geblieben war. Manch einer witzelte noch, dass wohl gleich die Flex zum Einsatz kommen müsse, ein paar gelöste Schrauben und einiges Geschick der Helfer taten es dann aber auch. Was halt eben alles so passiert im Gästeblock bei Preußen Münster…

Kaum hatten sich die Augen wieder aufs Spielfeld gerichtet, sah man in der 27. Minute erstmals und zu diesem Zeitpunkt nicht unverdient den Heimanhang jubeln. Eine scharfe Hereingabe wird von Christopher Handke unglücklich mit dem Kopf geklärt, Felix Schiller verfolgt den Querschläger dann nicht konsequent zur Torauslinie, der Ball wird von dort aus von Münster in die Mitte an den Rand des Fünfmeterraums gespielt, wo Jesse Weißenfels völlig frei steht. Mit einem satten Schuss befördert er den Ball zum Anschlusstreffer an die Unterkante der Latte und von dort aus ins Tor. Sehr ärgerlicher, weil nicht konsequent verteidigter Gegentreffer, aber noch lag man ja mit einem Tor in Front. Zwei viel versprechende Konterchancen später, bei der Christian Beck zunächst das 3:1 verpasst und anschließend Christopher Handke in höchster Not im eigenen Strafraum klären kann, war dann erst einmal Halbzeit. Puh. Durchschnaufen, noch schnell ein Kaltgetränk kaufen und dann noch mal 45 Minuten Feuerwerk für den ersten Auswärtssieg seit dem 1:0 bei der Zweitvertretung des VfB Stuttgart am 07.05.2016.

Den besseren Start in den zweiten Durchgang erwischte allerdings Münster: Es waren noch keine zwei Minuten gespielt, da findet ein langer Ball Preußen-Kapitän Rizzi auf unserer linken Abwehrseite, der ihn dort mutterseelenallein annehmen und in die Mitte zu Adriano Grimaldi weiterspielen kann. Der lässt sich nicht zweimal bitten und jagt das Leder für Jan Glinker unhaltbar direkt vor der Fiffi-Gerritzen-Kurve in die Maschen. Schlechter hätte man in die zweite Hälfte nicht starten können, das Momentum nun natürlich auf Seiten der Gastgeber. Aber: Auch wenn bis zur 60. Minute von den Größten der Welt eigentlich keine nennenswerten Offensivaktionen mehr kamen, gelang es doch immerhin, defensiv sicher zu stehen und die nun stark aufspielenden Münsteraner einigermaßen in Schach zu halten. Angesichts des bisherigen Saisonverlaufs und der Tatsache, dass man gerade eine 2:0-Führung aus der Hand gegeben hatte, muss man das der Mannschaft hoch anrechnen.

So langsam wurde es jetzt das erwartete Nervenspiel. Würde Münster die Partie in der Phase drehen, hätte man wohl nicht mehr mit einem Comeback des Clubs rechnen dürfen. Jens Härtel reagierte in der 57. Minute erstmals, brachte Tobias Schwede für den guten, aber ausgepowerten Sebastian Ernst und damit noch einmal ordentlich Schwung in die Begegnung. In kurzer Folge (61./62.) hatte nun Manuel Farrona Pulido zwei gute Szenen im Strafraum, macht aber zuerst einen Schlenker zu viel und verpasst dann den Moment des Torabschlusses. Dann die 66. Minute: Erneut Freistoß durch den diesmal ebenfalls überzeugenden Nico Hammann, der den Ball erst in die Mauer, dann aber per Chip zu Christian Beck befördert. Der verstolpert, eigentlich, legt den Ball so aber für Christopher Handke auf, der humorlos und satt zum 3:2 aus Gästesicht vollstreckt. Der Gästeblock nun natürlich vollkommen am Ausrasten und Münster sichtlich geschockt, zumal man erneut nach einer Standardsituation schlecht reagierte und sowohl Beck als auch Handke da im Sechzehnmeterraum ziemlich unbehelligt agieren konnten.

Dem Club war das alles natürlich reichlich egal und mit der erneuten Führung kam nun auch die Souveränität und Sicherheit zurück, die die Mannschaft in der vergangenen Saison in vergleichbaren Situationen so stark gemacht hat. In der 73. Minute kann Christian Beck die Partie eigentlich entscheiden, setzt seinen Schuss aber an die Latte; nur eine Minute später ist es Tobias Schwede, der nach Ballgewinn und tollem Sprint abzieht, Keeper Schulze Niehues aber vor keine allzu großen Probleme stellt. Jens Härtel wechselte noch zweimal, brachte Chahed für Farrona Pulido und verhalf Julius Düker zu seinem Drittliga-Debüt. Er kam in Spielminute 82 für Gerrit Müller und deutete in der kurzen Zeit, die bis zum Abpfiff noch zu überstehen war, mehrmals an, dass er auf jeden Fall einiges an Potential mitbringt. Vielleicht kann er das ja in den nächsten Spielen noch öfter unter Beweis stellen; gegenüber dem bisher enttäuschenden Maurice Exslager, der nicht im Kader stand, dürfte er momentan jedenfalls die Nase vorn haben.

Die Minuten bis zum Abpfiff tickten herunten, Münster fehlte nun ein Stück weit der Glaube, während der Club die Führung clever verwaltete und die Gastgeber nicht noch einmal wirklich gefährlich vor das Tor kommen ließ. Als auch der letzte Eckball der Preußen in der gefühlten fünften Minute der Nachspielzeit verpuffte und der Schiedsrichter das Spiel endlich abpfiff, war ich sicherlich nicht der einzige, der mehrere Urschreie in den Münsteraner Nachmittagshimmel schickte. Das Ding war wichtig, richtig wichtig und unter dem Strich dann eben doch auch verdient.

Was bleibt, ist die immer noch anhaltende, riesige Erleichterung, sich mit dem Erfolg in Münster erst einmal eine kleine Atempause verschafft zu haben. Dafür hat man die 10, 15 Lebensjahre, die diese Partie mal wieder gekostet hat, doch gern investiert. Klar ist aber auch: Im Heimspiel gegen die Bremer Zweitvertretung am 21.09. gilt es nun, den Schwung direkt mitzunehmen und den Auswärtserfolg in Münster gleich mal zu vergolden. Wenn es der Mannschaft gelingt, hinten wieder weitgehend sicher zu stehen, die Standardsituationen ebenso effektiv zu gestalten und vielleicht die eine oder andere Chance noch konsequenter zu nutzen, sollte dem zweiten Heimsieg der Saison eigentlich auch nichts im Weg stehen. In diesem Sinne:

„Immer kämpfen, immer siegen! Immer vorwärts, FCM!“

Auswärtssieg in Münster

 

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