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Stolz schlägt Enttäuschung

1. FC Magdeburg – Bayer 04 Leverkusen, DFB-Pokal 2014/2015, 2. Runde, 6-7 n.E. (1-1, 2-2)

7,32 m x 2,44 m. Das sind die Maße eines Fußballtores, jeweils von Innenkante zu Innenkante der Pfosten bzw. Unterkante der Latte bis zum Boden gemessen. Das ergibt insgesamt ja eigentlich eine ziemlich große potentielle Trefferfläche, wenn man aus 11 Metern Entfernung dort einfach mal draufhält. Wie hoch ist also die Wahrscheinlichkeit für einen Schützen, entweder daneben zu schießen oder sich beim Schuss ausgerechnet die Ecke auszusuchen, in die auch schon der Torwart der gegnerischen Mannschaft unterwegs ist?

Elfmeterschießen. Was so simpel klingt, stellt sich ganz schnell mal anders dar, wenn man als Spieler eines Viertligisten 120 Minuten überragenden Kampf gegen einen Champions-League-Teilnehmer in den Knochen hat und dann, physisch und psychisch am absoluten Limit, dort am Punkt steht und das Spiel für die Seinen entscheiden kann. Und dann passiert es eben, dass nicht der Underdog, sondern die in solch einer Situation vielleicht einfach noch abgezocktere Bundesligatruppe die Lotterie ‚Eltmeterschießen‘ für sich entscheidet und mit Ach und Krach in die dritte Runde des DFB-Pokals einzieht. Für den 1. FC Magdeburg und seine Spieler ein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken? Mitnichten! Nach einer Riesenpartie mit allem, was das Fußballherz begehrt scheiden die Größten der Welt gegen Bayer 04 Leverkusen unglücklich, aber tapfer aus dem DFB-Pokal aus. 

Das Spiel begann zunächst mit einer erneut sensationellen Choreographie von unserem Block U,  auf die so manch eine Bundesligakurve gewaltig neidisch sein dürfte. Und wer sich jetzt beim Anblick der Nordkurve noch über den mit der Choreo verbundenen Einsatz von Pyrotechnik aufregt, dem ist echt nicht mehr zu helfen:

Einlaufchoreo - Bild mit freundlicher Genehmigung von Thorsten Keßler (@thorstix)

Die Partie war dann keine 3 Minuten alt, da klingelte es auch schon das erste Mal im Magdeburger Kasten. Und auch wenn der Sky-Kommentator noch das 24. oder 25. Mal von der Schußtechnik eines Hakan Calhanoglu geschwärmt hätte, war das immer noch ein schlimmer Bock von Jan Glinker, der den Ball eigentlich lange sehen kann und ihn normalerweise sicher haben muss. So aber schlägt die Kugel hinter bzw. eher unter Glinker ein und es steht schon früh 0-1 aus Sicht der Hausherren. Der Plan war das definitiv nicht. Promt konnte man online auch gleich die ersten „Glinker raus!“-Posts vernehmen – bei einigen Leuten (wir schrieben die 3. (!) Spielminute) wundert einen ja schon fast gar nichts mehr. Dass Glinker ein hervorragender Torwart sein kann, bewies er nämlich nicht erst im Elfmeterschießen, als er gleich den ersten Schuss von Spahic parierte, sondern auch schon weit vorher im Spiel mit etlichen Glanzparaden. So ‚verschuldete‘ er also quasi das erste Gegentor, half danach aber kräftig mit, den Ersten FC Magdeburg gut im Spiel zu halten.

Überhaupt war es erstaunlich, wie wenig das frühe Gegentor an der Einstellung und der Spielweise unserer Elf änderten – ein Umstand, den auch die Gäste aus Leverkusen so offenbar nicht hatten kommen sehen. Der 1. FC Magdeburg wollte einfach nicht aufhören, giftig zu sein! Stellvertretend für eine brutale Laufleistung der ganzen Mannschaft sei hier nur Christian Beck hervorgehoben, der in den ersten 45 Minuten gefühlte 500 km abspulte, stets schon früh in die Passwege ging und die gegnerischen Spieler ein ums andere mal ordentlich verunsichern konnte. So auch in der 28. Spielminute, als Beck die Abspielrichtung von Papadopoulos quasi roch, rechtzeitig dazwischen ging und klug den mitgelaufenen Christoph Siefkes bediente, der nun seinerseits von einem Torwartfehler profitieren konnte und nach sensationeller Ballan- und -mitnahme zum 1-1 einnetzte. Zu dem Zeitpunkt durchaus verdient, weil sich der FCM nicht versteckte, sondern mutig auftrat, resolut in die Zweikämpfe ging und vorn immer wieder Nadelstiche setzte. Insgesamt, und da ändert auch der unglückliche Spielausgang nichts dran, eine ganz, ganz starke taktische, kämpferische und läuferische Leistung unseres 1. FC Magdeburg!

Mit dem 1-1 ging es dann auch in die Halbzeit und das Gefühl war zu dem Zeitpunkt schon: Hier geht heute was! Zu Beginn des zweiten Abschnitts blieb Hakan Calhanoglu auf der Bank, für ihn kam nun Robbie Kruse. Ärgern musste man sich über diesen Wechsel aus Magdeburger Sicht jedenfalls schon mal nicht.

Trotzdem begann die zweite Hälfte für den Club flattriger, als die erste geendet hatte, was sich dann aber doch schnell wieder legte. Leverkusen bestach durchaus mit individueller Klasse, so richtig viele zwingende Aktionen waren aber letzten Endes nicht zu verzeichnen. Was aber eben auch daran lag, dass die Blau-Weißen weiterhin mit einem unheimlich hohen Engagement zu Werke gingen und keinen Zentimeter Boden verloren gaben. Wenn wir doch nur auch jedes Regionalligaspiel mit dieser Intensität angehen würden… Wirklich überraschend dann für mich ein Dreifachwechsel in der 60. Minute, der aber vermutlich auch einfach dem bis dahin gezeigten Tempo und der an den Tag gelegten Intensität geschuldet war: Die überragenden, aber ausgepumpten bzw. angeschlagenen Schlosser, Beck und Siefkes verließen den Platz, für sie kamen Lars Fuchs, Nicolas Hebisch und Matthias Steinborn. Offensive für Offensive also. Nicht nur ein mutiger und risikoreicher Wechsel von Jens Härtel in dieser Situation, sondern irgendwie auch eine klare Ansage und ein klarer Fingerzeig in Richtung der Mannschaft und der Fans: „Wir machen weiter und wir wollen hier den Sieg!“ – so gehört sich das für einen Magdeburger Cheftrainer!

Die große Sensation rückte gleich noch ein Stückchen näher, als sich Heung-Min Son in der 78. Minute zu einem Frustfoul gegen den clever agierenden Silvio Bankert hinreißen ließ, dafür die rote Karte kassierte und folgerichtig vorzeitig duschen gehen konnte – was ihm gar nicht schmeckte, aber in der letztendlichen Bewertung vollkommen in Ordnung geht. Und was auch für die Qualität von Bankert spricht, der dort durch die Art und Weise, wie er den Ball abschirmt, natürlich schon hart an der Grenze agierte, stark provozierte und eigentlich froh sein konnte, nicht auch noch verwarnt zu werden. Und irgendwie war Sons Reaktion in der Situation auch Sinnbild für Bayers ganzen Abend und Magdeburgs Spielanlage: Man schaffte es tatsächlich, den großen Favoriten gehörig zu entnerven!

Die Verlängerung dann natürlich episch und schon eine kleine Vorschau auf das Drama, was dann folgen sollte: Einen super herausgespielten Angriff schließt zunächst Niklas Brandt mit einem sensationellen Schuss unter vollem Risiko ab, der ohne Chance für Leno oben links im Winkel einschlägt – wir schrieben die 111. Minute und plötzlich war der Regionalligist durch ein absolutes Traumtor in Front! Durchhalten. Nur noch ein paar Minuten.

Dann die 116. Minute und ein Freistoß in Strafraumnähe. Papadopoulos steigt am höchsten und hämmert den Ball per Kopf in die Maschen. Normalerweise ein Treffer, der einen in einem regulären Meisterschaftsspiel extrem ärgern kann – hier für mich aber irgendwo eher Beleg dafür, dass auch bei einem tapfer kämpfenden Regionalligisten nach fast 120 Minuten irgendwann auch mal Kopf und Beine müde werden… sehr, sehr schade, aber nun musste das Elfmeterschießen die Entscheidung bringen – mit bekanntem Ausgang.

Klar kann man sich nun ärgern, dass Leverkusen uns das Weiterkommen im Prinzip dreimal (1x regulär und 2x im Elfmeterschießen) auf dem Silbertablett servierte und wir nun trotzdem mit leeren Händen dastehen. Aber ganz ehrlich: nach so einer Begegnung mache ich niemandem einen Vorwurf, der sich dieser enormen Verantwortung stellt, einen Elfmeter schießt und dann eben in diesem einen Moment das Glück mal nicht auf seiner Seite hat. Als allerletztem Lars Fuchs, der mit seinem vergebenen Schuss letztlich den Leverkusener Sieg besiegelte.

Ich hätte mit keinem tauschen wollen.

Was unter dem Strich also bleibt? Ich bin stolz auf unsere Mannschaft und auf die Art und Weise, wie wir gegen Bayer 04 Leverkusen nicht nur kämpferisch dagegen gehalten, sondern phasenweise auch richtig schönen Fußball gespielt haben. Ich bin beeindruckt davon, dass die Mannschaft ein ums andere Mal Situationen und Aktionen mit nicht wesentlich mehr als dem puren Willen erzwungen hat. Und ich wünsche mir, dass wir von dieser Leidenschaft und dieser Einstellung in der laufenden Saison noch einiges mehr geboten bekommen.

Kopf hoch, Magdeburger Jungs!

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