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Perspektivenwechsel

Dritter

1. FC Magdeburg – VfR Aalen, 18. Spieltag, 3:0 (2:0)

Na bitte, es geht doch! Kaum wünscht man sich an der einen oder anderen Stelle mal einen entspannten Fußballnachmittag mit einem Spiel, das frühzeitig entschieden ist und dann nur noch souverän heruntergespielt werden muss, liefert der 1. FC Magdeburg auch gleich einen der unaufgeregt-überzeugendsten Heimauftritte der jüngeren Drittliga-Geschichte ab. 3:0 heißt es am Ende gegen das bis dato drittstärkste Auswärtsteam der Liga, vor dem letzten Punktspiel des Jahres rangiert man auf Relegationsplatz 3 und untermauert mit einer Vorstellung, bei der der Sieg im Prinzip nie in Gefahr war, seine bockstarke derzeitige Form. Eigentlich unwichtiger, trotzdem aber ganz angenehmer Nebeneffekt: auch tabellarisch steht man nun wieder da, wo man selbstverständlich hingehört: vor Sachsen-Anhalts ewiger Nummer 2. 

Dank des größten, gütigstens, tollsten und weitsichtigsten aller Fußballverbände stand der letzte Heimauftritt eines überaus erfolgreichen Jahres 2016 zum zweiten Mal in dieser Saison im Zeichen eines Zuschauerteilausschlusses. Block U zog also auf die Südtribüne um, was Jan Löhmannsröben während des Aufwärmens der Mannschaften gleich mal dazu nutzte, auf der verwaisten Nord das Vorsängerpodest in Beschlag zu nehmen.

Dritter

Im letzten Heimspiel gegen Halle wurde ja bereits verkündet, dass man zukünftig immer mal die Vorsänger tauschen würde und wer weiß? Vielleicht tun sich für den jungen Mann mit der Nummer 6 hier ja vollkommen unverhofft ganz neue Beschäftigungsmöglichkeiten auf…

Dass Löhmannsröben es sich leisten konnte, sich vor der Partie nicht zu 110% auf das Aufwärmprogramm zu konzentrieren, lag unter anderem auch daran, dass er trotz überstandener Gelbsperre diesmal von Jens Härtel nicht für die Anfangsformation vorgesehen war. Stattdessen durfte Niklas Brandt neben Kapitän Marius Sowislo erneut im defensiven Mittelfeld ran und vor der Abwehr absichern, die aus Felix Schiller, Nico Hammann und Christopher Handke bestand. In der offensiven Mittelfeldreihe hatte sich nominell gegenüber dem Auswärtssieg in Frankfurt nichts geändert, Tobias Schwede (links) lief also zusammen mit Sebastian Ernst (zentral) und Nils Butzen (rechts) auf. Eine kleine Überraschung gab es im Sturm, wo Julius Düker trotz der Rückkehr von Christian Beck wieder in der Startelf stand und ergo mit dem Toptorjäger zusammen für Furore sorgen sollte.

Wie schon in den letzten Partien gelang es dem Club auch diesmal, mit ordentlich Dampf aus den Startlöchern zu kommen und im gegnerischen Strafraum gleich für Gefahr zu sorgen – wie man das eben so macht, wenn man die letzten fünf Begegnungen nicht mehr verloren und drei Siege in Folge im Rücken hat. Auch auf die Gefahr hin, hier wie eine gesprungene Schallplatte zu klingen: Die Art und Weise, wie es dem 1. FC Magdeburg derzeit gelingt, vom Anpfiff weg das Heft in die Hand zu nehmen, das Spiel zu kontrollieren und zu aussichtsreichen Abschlüssen zu kommen, ist durchaus beeindruckend.

Die Partie war keine sechs Minuten alt, als Sebastian Ernst auf der linken Seite erst den Ball gut sichert und dann Felix Schiller mitnimmt, der nach Doppelpass mit Tobias Schwede und Vollgas in den Strafraum eindringt, den Abschluss dann aber doch ein gutes Stück über das Tor setzt. Nur eine Minute später klingelt es dann zum ersten Mal im Kasten der Aalener Gäste: Ein Handke-Einwurf kommt über mehrere Stationen und in Form eines überragenden langen Balls von Nico Hammann aus der eigenen Hälfte zum Innenverteidiger zurück, der aber inzwischen in Richtung Strafraum durchgestartet war, den Ball direkt nimmt, in die Mitte spielt und in Robert Müller, der vor dem lauernden Christian Beck an den Ball muss, einen (un)dankbaren Abnehmer findet. Eigentor also und 1:0 für die Größten der Welt, noch bevor man so richtig realisiert hatte, was hier heute eigentlich los war.

Wiederum nur eine Minute später ist es der starke Sebastian Ernst, der – indirekt – für die nächste gute Gelegenheit der Hausherren sorgt, indem er sich knapp 20 Meter vor dem Tor super den Ball aus der Aalener Vorwärtsbewegung heraus erkämpft, umschaltet, eigentlich frei durch ist und aber noch von einem Gegenspieler am Trikot gehalten wird. Den fälligen Freistoß bringt Nico Hammann fackelartig aufs Tor, findet dort aber in Daniel Bernhardt seinen Meister. Ecke also. Die kommt gut, Christian Beck kommt frei zum Kopfball, setzt diesen dann aber über das Tor.

Keine Frage, die Anfangsviertelstunde gehörte ganz klar dem 1. FC Magdeburg, von Aalen war bis zu diesem Zeitpunkt überhaupt nichts zu sehen. Und eigentlich hätte es bereits nach 17 Minuten 2:0 stehen müssen, einen tollen Beck-Kopfball nach einer Ecke von der linken Seite pariert Keeper Bernhardt allerdings stark. Dass die Gäste dann etwas besser ins Spiel kamen, lag vor allem an einer ganzen Reihe Standards in der Nähe des Magdeburger Strafraums, die wiederum aus etlichen kleinen und größeren Fouls und einer mitunter beeindruckenden schauspielerischen Leistung der Aalener Akteure resultierten. Aber klar, das ist halt auch eine Qualität, die man anerkennen muss: Wenn es spielerisch nicht läuft, kann man sich eben auch so Gelegenheiten erarbeiten, auch wenn der ‘sterbende Schwan’ zugegebenermaßen nicht unbedingt das fairste Stilmittel ist, das man als Fußballteam so im Portfolio haben kann.

Nach 20 Minuten war dann erstmals der Aalener Auswärtsblock zu hören – was sicherlich ausgeschlossen gewesen wäre, hätte das Spiel unter normalen Rahmenbedingungen stattgefunden. So aber begünstigten der Zuschauerteilausschluss und das Hüpfverbot nebst Vorsänger- und Trommlerverzicht durch Block U eine mitunter merkwürdige Stadionatmosphäre, in der sich dann eben auch mal die Gäste zu Wort melden konnten. So großartig es auch ist, dass Block U den Ausschluss durch den Umzug einfach umgeht, so sehr schmerzte der Anblick der leeren Nord und so weh tat es gegen Aalen irgendwie auch, von Block 2 aus auf die Südtribüne zu schauen und dort dank “Hüpfgate” und seinen Folgen eben keinen organisierten Support zu sehen. Irgendwie merkt man erst, wie sehr das alles die Magdeburger Fankultur regelrecht verstümmelt, wenn man mal nicht mittendrin steht, sondern gewissermaßen von außen auf die Kurve schaut…

Kommen wir lieber ganz schnell wieder zurück zum Sportlichen: Auf dem Rasen stand es immer noch 1:0 und so langsam machte sich zwischen eher kläglichen Aalener Angriffsbemühungen und allerlei Freistößen und Ecken einiges an Mittelfeldgeplänkel breit. Wer jedoch auf Aalener Seite zu beeindrucken wusste, bevor auch er sich dann irgendwann mit einer Oscar-reifen Einlage äußerst unbeliebt machte, war Matthias Morys. Immer anspielbar, machte er etliche Bälle fest, um sie dann anschließend weiter zu verteilten oder sein Heil im Eins-gegen-Eins zu suchen. Starker Auftritt des Ex-Leipzigers und in einer insgesamt schwachen Aalener Mannschaft sicherlich der deutlich herausstechende Akteur.

Der FCM gönnte sich indessen eine kleine kreative Auszeit, die Felix Schiller spätestens nach 33 Minuten mit einer Kopfballchance nach einer Ecke beendete. Vorausgegangen war ein toller Lauf von Sebastian Ernst und vor allem Tobias Schwede auf der rechten Außenbahn, bei dem Schwede gleich zweimal Glück hat, in Ballbesitz zu bleiben, sich das aber auch erarbeitet, indem er den Ball eben zu keiner Zeit verloren gibt. Ebenjener Schwede ist es dann auch, der nach 40 Minuten auf 2:0 für seine Farben stellt. Einen weiteren schönen Spielzug, diesmal auf der linken Seite, schließt er mit einem Schuss auf die kurze (Torwart-)Ecke ab, der Ball findet durch die Hosenträger von Bernhardt den Weg ins Netz. Einen wesentlich besseren Zeitpunkt für sein erstes Saisontor hätte sich der Bremer Neuzugang im Übrigen auch gar nicht aussuchen können – schließlich war Aalen gerade dabei, ein wenig Sicherheit ins eigene Spiel zu bringen, ohne freilich wirklich gefährlich zu werden.

Mit dem vedienten 2:0 ging es in die Pause und ohne Wechsel auf Magdeburger Seite in die zweiten 45 Minuten. Während man es in den letzten Spielen ja gewohnt war, erst einmal eine ordentliche Sturm-und-Drang-Phase des Gegners überstehen zu müssen, passierte diesmal zunächst 10 Minuten lang: gar nichts. In Spielminute 55 dann der letzte halbwegs gefährliche Abschluss der Gäste von der Ostalb – der Fernschuss von Sebastian Vasiliadis war für Jan Glinker im Magdeburger Tor allerdings kein allzu großes Problem. Bereits zu diesem Zeitpunkt stellte sich das Gefühl ein, dass es an diesem Nachmittag wohl nicht noch mal wirklich gefährlich werden würde und dass man tatsächlich – siehe oben – ausnahmsweise mal einen einigermaßen entspannten Fußballnachmittag würde verleben können. Auch mal schön.

Noch schöner wurde es mit einem schicken Hammann-Freistoß nach 57 Minuten, der noch knapp über das Gehäuse strich und dem 3:0 von Sebastian Ernst, mit dem er schließlich nach einer knappen Stunde den Deckel auf die Partie machen sollte. Auch dieser Treffer war wieder symptomatisch für die gesamte Begegnung und irgendwie auch für die herausragende Leistung des Sebastian Ernst als Dreh- und Angelpunkt im Magdeburger Offensivspiel. Aalen versucht sich aus der Innenverteidigung heraus mit dem Spielaufbau, Ernst ist sofort da, geht aggressiv auf den ballführenden Spieler, erobert den Ball zwischen Strafraum und Mittelkreis und schaltet, klug geschickt von Christian Beck, sofort auf “Attacke”. Zusammen mit Julius Düker hat er drei Aalener Verteidiger vor sich, entscheidet sich aber für den Alleingang – auch, weil die Abwehrspieler mögliche Passwege clever zustellen und in dieser Situation im Prinzip alles richtig machen. Die Szene ist damit eigentlich schon gegessen, was Ernst aber überhaupt nicht davon abhält, sich eine Lücke zu suchen und einfach mal abzuziehen. Und der Ball? Wird noch abgefälscht und senkt sich dann bogenlampenartig hinter Daniel Bernhardt ins Aalener Tor. Allein schon wegen der Entstehungsgeschichte ein großartiger Treffer und der Lohn für eine weitere hervorragende Partie der vor Spielfreude derzeit nur so sprühenden Nummer 25.

Das Spiel war damit natürlich durch und bot Jens Härtel die Möglichkeit, noch einmal entspannt das Wechselkontingent auszuschöpfen. Für den angeschlagenen Felix Schiller kam Jan Löhmannsröben in die Partie und ordnete sich gleich auf Schillers Position im Abwehrverbund ein, Nils Butzen machte für Tarek Chahed Platz. Auch Maurice Exslager erhielt nach 78 Minuten mal wieder eine Gelegenheit, sich zu zeigen und ersetzte Julius Düker, nutzte seine Chance aber ebenso wenig wie die davor und blieb erneut blass. Der Mann ist und bleibt zumindest mir damit weiterhin ein absolutes Rätsel. Kann natürlich sein, dass er von Jens Härtel die Anweisung hatte, sich bloß nicht anzubieten und einfach nur freien Raum auf dem Feld zu besetzen (letzteres machte er tatsächlich und völlig ironiefrei ziemlich ordentlich), um seine Nebenleute dadurch besser aussehen zu lassen. Wenn ich doch aber ewig nicht gespielt habe und mich vielleicht mal wieder anbieten will, gehe ich doch kompromisslos jedem Ball hinterher, laufe jeden Gegenspieler bedingungslos an und hinterlasse auf dem Rasen die eine oder andere Brandspur. Spieler wie Tarek Chahed zum Beispiel tun das – und werden dann auch mit regelmäßigen Einsätzen belohnt. Maurice Exslager und der FCM aber, das riecht tatsächlich zunehmend mehr nach einem ziemlich großen Missverständnis. Schade eigentlich. Vielleicht setzt man sich ja in der Winterpause noch einmal etwas ausführlicher zusammen…

Den einen oder anderen Spielzugversuch von Blau-Weiß gab es dann übrigens noch, und einiges davon mutete tatsächlich eher wie PlayStation als wie Drittligafußball an. Während man dem Treiben durchaus noch etwas länger gut hätte zuschauen können, wurde aber natürlich auch dieses Spiel irgendwann abgepfiffen und freute man sich allenthalben über Seriensieg Nummer 4, das sechste ungeschlagene Spiel, 30 Punkte und einen hervorragenden 3. Tabellenplatz.

Und vielleicht, nur vielleicht, ist es ja inzwischen wirklich an der Zeit, so als Fan ganz langsam und vorsichtig mal die Perspektive zu wechseln und doch eher nach oben als nach unten zu schielen. Natürlich ist der 3. Rang nur eine Momentaufnahme und selbstverständlich sind noch 20 Partien zu gehen und 60 Punkte zu vergeben. Was einen vorsichtig träumen lassen könnte, ist ja aber nicht nur der Tabellenplatz an sich, sondern vor allem die Art und Weise, wie die Mannschaft sich da hingearbeitet hat. Ich bleibe dabei: Das Team hat noch einmal einen ordentlichen Entwicklungsschritt gemacht und gezeigt, dass man mit dieser Mentalität, dieser Spielanlage, diesem Trainer und vor allem diesen Akteuren auch Sperren, Verletzungen und alle möglichen Nebengeräusche sehr gut kompensieren kann. Dass wir Dritter sind, ist in einer verrückten Liga längst nicht mehr nur Glück, sondern hat auch ganz viel damit zu tun, dass diese Mannschaft sich das einfach auch verdient hat.

Aber gut, zum Träumen haben wir eventuell ja noch die ganze Winterpause Zeit. Jetzt fahren wir erst mal nach Lotte, holen da drei Punkte und verabschieden das Team mit einem ausverkauften Gästeblock in die wohl verdiente Weihnachtspause. Weil wir es einfach können. Weil unser Club unbesiegbar ist. Und weil niemand uns aufhalten kann.

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