Maik Franz neuer Assistent der Geschäftsführung, Christian Beck langfristig gebunden, das Derby zum Jahresauftakt gewonnen, mit Sebastian Ernst gleich einen Volltreffer gelandet, als Aufsteiger nach 22 Spielen einen Punkt Rückstand auf den Relegations-, drei auf einen direkten Aufstiegsplatz und dann auch noch die Rückkehr von Aufstiegsheld Nico Hammann – darüber, dass in den letzten Wochen beim 1. FC Magdeburg zu wenig los gewesen wäre, kann sich nun wahrlich niemand beschweren. Insbesondere rund um die Personalie Hammann war in den sozialen Netzwerken ein Hype zu beobachten, der, so scheint es, irgendwann eine gewisse Eigendynamik annahm und schließlich in Aktionen wie der Gründung einer eigenen Facebook-Gruppe und dem Sammeln von Spenden für eine potentielle Ablösesumme mündete. Der Spieler selbst gab via Facebook zu Protokoll, von den ganzen Äußerungen und Aktionen gerührt gewesen zu sein und jetzt aber erst einmal daran arbeiten zu wollen, wieder ganz der Alte zu werden. Und genau dieser Aussage sollte man vielleicht doch ein wenig mehr Aufmerksamkeit schenken.
Eine Sache gleich vorweg: Natürlich freue auch ich mich darüber, einen unserer Aufstiegshelden wieder im blau-weißen Trikot zu sehen. Nicht umsonst sagte ich gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung sinngemäß vor dem Derby auch, dass Hammann vielen Mannschaften in der Liga mit seinen Qualitäten sofort helfen kann und ein Transfer zu den Größten der Welt daher ganz gut passen könnte. Diese Meinung vertrete ich nach wie vor, nur fällt es mir irgendwie schwer, mit in die Euphoriewelle einzutauchen, die in den Stunden nach der Verpflichtung so durchs Netz schwappte. Warum? Weil ich glaube, dass sie weder dem Spieler Nico Hammann noch dem aktuellen Drittliga-Kader des 1. FC Magdeburg gegenüber wirklich fair ist und möglicherweise zu Erwartungshaltungen führt, die am Ende auf allen Seiten eigentlich nur enttäuscht werden können.
Zwar sagte Nico Hammann dem MDR, dass sich die Rückkehr fast so anfühlt, als wäre er nie weg gewesen, tatsächlich stößt er aber eben zu einem Team, das sich seit seinem letzten Spiel für den Club in Offenbach doch ein ganzes Stück weiterentwickelt hat. War seine Position im Aufstiegskader im Prinzip unumstritten (29 Liga-Einsätze in 30 Spielen, knapp 87 Minuten pro Partie), hat sich auf seiner Stammposition des rechten Verteidigers inzwischen Nils Butzen fest- und mit überwiegend überzeugenden Leistungen durchaus auch ins Rampenlicht gespielt. Auf der linken Seite, die Hammann ja bekanntlich auch bespielen kann, steht zunächst erst einmal der junge Michel Niemeyer vor ihm, der verletzungsbedingt zwar bisher nur auf 7 Einsätze kommt, aber vor allem die Wintervorbereitung genutzt hat, um Jens Härtel von seinen Qualitäten und seinem Potential, in die Rolle des Stamm-Linksverteidigers hineinwachsen zu können, zu überzeugen. Und dann wäre da ja noch ein Burak Altiparmak, der in bisher 8 von 13 Liga-Einsätzen auf der linken Abwehrseite unterwegs war und außerdem darum kämpfen dürfte, auch nach dem 30.06.2016 noch beim 1. FC Magdeburg beschäftigt zu sein.
Soll heißen: Die Hierarchie im Team ist inzwischen eine andere als vor Hammanns Wechsel nach Sandhausen und eben genau das offenbar gut austarierte Team-Gefüge ist es ja vor allem, das uns bisher einen guten Teil unserer Punkte bescherte. Egal, wie man es dreht, irgend ein Spieler aus dem Kader, der die bisherige Saison so erfolgreich bestritten hat, wird eben nicht spielen, wenn Nico Hammann auf dem Feld steht. Oder andersrum: Auch wenn er aus der zweiten in die dritte Liga wechselt, ist ja überhaupt nicht gesagt, dass er sofort Einsatzzeiten bekommt, zumal er ja selbst einschätzt, noch nicht bei 100% zu sein. Wie auch? Sein letztes Punktspiel bestritt er am 18.12.2015 und kam dort 7 Minuten zum Einsatz. Hier ist also in mehrere Richtungen Geduld gefragt: aufseiten des Spielers, der natürlich spielen will, aufseiten des Trainerteams, das ihn ja nicht umsonst verpflichtet haben wird und vor allem aufseiten der Anhängerschaft, die von Nico Hammann besser nicht sofort große Wunderdinge erwarten sollte.
Die Situation, dass nun ein (ehemals) etablierter, definitiv fähiger und unbestritten auch verdienter Spieler zum aktuell erfolgreichen Kader stößt, kann selbstverständlich auch ausgesprochen positive Effekte haben, nämlich dann, wenn sie den Konkurrenzkampf neu befeuert und dazu führt, dass alle Spieler ein kleines bisschen besser werden. Nun ist Nico Hammann aber kein ’normaler‘ Neuzugang, sondern einer, dessen Integration in das aktuelle Team möglicherweise ein wenig mehr Fingerspitzengefühl erfordert. Sicherlich eine der eher kniffligeren Aufgaben für das Trainerteam.
Und dann ist da noch die Sache mit der Erwartungshaltung, die sich – es geht ja auch gar nicht anders – aus den früher gezeigten Leistungen speist. In der aktuellen Ausgabe vom „Tödlichen Pass“ findet sich ein interessanter Text von Gerald Wenge mit dem Titel „Regression zum Mittelwert“, der sich eigentlich mit André Schürrle beschäftigt, aber ein wichtiges Argument in Sachen „Erwartungsdruck“ enthält. Es geht dabei um die Legende vom „Sports Illustrated-Pechvogel“, der zufolge Sportler, die auf der Titelseite der Sports Illustrated erscheinen, in der Folgesaison regelmäßig merklich schlechtere Leistungen bringen. Die Erklärung ist aber relativ banal: Um überhaupt auf ein Sports-Illustrated-Cover zu kommen, muss man vorher schon nahezu Außergewöhnliches geleistet haben – und wird dementsprechend auch in der weiteren Karriere genau daran gemessen.
In Bezug auf Nico Hammann heißt das, dass wir ihn sehr wahrscheinlich alle als einen Spieler in Erinnerung haben, der eine gewaltige Klebe hat, in der vergangenen Regionalliga-Spielzeit 11 Tore erzielte und acht weitere vorbereitete und vollkommen zu Recht als wohl bester Viertliga-Verteidiger deutschlandweit galt. Ein Sports-Illustrated-Cover sprang dabei zwar nicht heraus, wohl aber ein Wechsel in die zweite Liga, bei dem sicherlich nicht nur ich Nico Hammann durchaus zugetraut (und gewünscht) hätte, sich auch auf diesem Niveau behaupten zu können. Tatsächlich reichte es aber in einer Mannschaft, die in Liga 2 im oberen Mittelfeld rangiert, zu lediglich drei Einsätzen über insgesamt 112 Minuten (was natürlich viele Gründe haben kann, von denen selbstverständlich nicht alle ausschließlich mit Hammanns fußballerischen Qualitäten zu tun haben müssen).
Dementsprechend ist dann der Schritt zurück zu den Größten der Welt wohl zunächst erst einmal als Neuanfang zu werten, und zwar in einer Liga, in der Hammann zuletzt in der Spielzeit 2011/2012 für Arminia Bielefeld aufdribbelte und in vier Partien insgesamt 348 Minuten zum Einsatz kam. Als ein Neuanfang mit rollendem Start aber, der vieles einfacher, aber einige Dinge eben durchaus auch komplizierter machen kann.
Nico, willkommen zurück! Auf dass Du die Zeit bekommst (und sie Dir nimmst), tatsächlich wieder der Alte zu werden und mit den Größten der Welt bald wieder ganz oben zu stehen!
Beitragsbild: 51a Thrilling Wonder Stories (UK) Jan-1953 Includes Escape from Hyper-Space by E. Hoffmann Price (geändert) von Will Hart, Lizenz CC BY 2.0
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