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„Richtig schöne Mädels“

FSV Wacker Nordhausen – 1. FC Magdeburg, 12.04.2014, 24. Spieltag

Beim @1_FCM redet sich Coach Petersen nach dem 2:3 in Rage: „Wir haben keine Männer, wir haben Mädels auf dem Platz. Richtig schöne Mädels.“ – @SportimOsten, 12.04.14, 17:09

Weil @1_FCM-Coach Petersen heute so schön in Fahrt war, noch ein Zitat: „Unsere Mannschaft ist viel zu lieb, da kannst du jeden adoptieren.“ – @SportimOsten, 12.04.14, 17:36

Die Wahrheit ist nicht immer schön, und auch wenn die obigen Zitate von Andreas Petersen natürlich gleich wieder ordentlich Wellen geschlagen haben, fassen sie doch im Kern recht treffend zusammen, was sich am 25. Spieltag im Albert-Kuntz-Sportpark in Nordhausen aus blau-weißer Sicht abgespielt hat. Nämlich ein schlimmer, eingeschüchterter, einfallsloser Auftritt des Ersten FC Magdeburg, der unter anderem das Kunststück fertigbrachte, während eines fast 60minütigen Überzahlspiels erfolgreich so zu tun, als wäre das eigene Team um einen Spieler dezimiert.

Stadion Nordhausen

Dabei ging es eigentlich ganz gut los im schmucken Nordhäuser Rund, das das Herz eines jeden Stadionnostalgikers höher schlagen lassen dürfte: ordentlich Stimmung im Gästeblock, bestes Fußballwetter und nach zwei Minuten die Führung für die Größten der Welt nach einem Freistoß von Lange und einem Kopfball von Kevin Nennhuber. Dass es davor allerdings nicht schon einen Elfmeter für Nordhausen gab, hatten wir dem insgesamt wenig souveränen Schiedsrichter Albert zu verdanken, der glücklicherweise das deutliche Trikotziehen eines Magdeburger Abwehrspielers im Strafraum ziemlich unmittelbar davor nicht gesehen und dementsprechend auch nicht geahndet hat. Überhaupt hatte man im ganzen Spiel den Eindruck, dass das Thema ‚Elfmeter’ in der letzten Schiedsrichterschulung vermutlich recht stiefmütterlich behandelt wurde, gab es doch im Verlauf des Spiels 2, 3 Situationen auf beiden Seiten, in denen wohl 8 von 10 Schiedsrichter auf den Punkt zeigen würden. Aber gut, so richtig spielentscheidend waren die fragwürdigen Schiedsrichterentscheidungen nicht, dafür stellten sich die Blau-Weißen an diesem Tag selbst dämlich genug an.

Dem 1-0 folgte dann nämlich wenige Minuten später eine ebenfalls eher fragwürdige Freistoßentscheidung, und während ich noch so drüber nachdachte, warum Matthias Tischer eigentlich bei einer Freistoßdistanz von allerhöchstens 20 Metern lediglich drei Spieler in die Mauer beordert (der mdr-Bericht zeigte dann, dass es tatsächlich 4 waren), zappelte der Ball auch schon im oberen rechten Winkel – Ausgleich. Gut, jetzt könnte man denken: kann ja mal passieren, so einen Schuss kassiert man halt mal, weiter geht’s. Da unsere Hintermannschaft sich aber gleich kurze Zeit später dazu hinreißen ließ, in der Abwehr ein klassisches „Nimm Du ihn nicht, ich hab ihn sicher“ zu spielen, klingelte es nach Kollektivaussetzern von zuerst (ich meine) Kevin Nennhuber und dann Christoph Handke schon wieder: 1-2. Dieser Treffer gab den Nordhäusern dann so richtig Auftrieb, sodass die zuvor schon sehr resolute und aggressive Gangart noch mal um einen Ticken angezogen wurde.

Das war oft an der Grenze zur Fairness, das eine oder andere Mal (wie zum Beispiel bei der berechtigten roten Karte für Nordhausens Juraschek) auch deutlich darüber hinaus, aber an diesem Nachmittag eben auch genau das Mittel, um unserem Spiel vollständig den Zahn zu ziehen. Und wenn man sich schon früh in der Partie über eine Sache ordentlich wundern durfte, dann über den Umstand, dass unsere Elf sich von der spielerisch eher limitierten, aber eben robusten und irgendwie auch wenig überraschenden Gangart des Gastgebers so richtig hat beeindrucken lassen. So ein bisschen fühlte ich mich an das Hinrundenspiel gegen Plauen oder auch das schlimme 0-3 letzte Saison bei Lokomotive Leipzig erinnert, denn die Mannschaft fand auf die Herangehensweise des Gastgebers zu keinem Zeitpunkt auch nur annähernd eine Antwort. Und dann kommen eben Trainereinschätzungen zustande wie die, die ich eingangs zitiert habe.

Das Problem bei der Sache: dafür, die Mannschaft mit der richtigen Einstellung in die Partie zu schicken, ist nun mal der Trainer verantwortlich, und wenn der sich dann hinterher beschwert, dass alle viel zu lieb agiert haben, muss er sich auch mal fragen lassen, ob er nicht möglicherweise einfach nicht in der Lage war, spätestens zur Halbzeit die richtigen Ansagen zu machen. Denn auch in Hälfte zwei und mit einem Mann mehr spielte der Erste FC Magdeburg wie eine Freizeitmannschaft bei einem lauen Sommerkick. Natürlich gestehe ich meiner Mannschaft zu, mal einen schlechten Tag zu erwischen, und der am 25. Spieltag gehörte sicherlich zu den richtig gebrauchten. Nur erwarte ich dann, dass man wenigstens kämpferisch dagegenhält, zur Not auch mal den Gegenspieler umhaut, um ein Zeichen zu setzen (und nicht, wie wir später noch sehen werden, nur Frust abzubauen) und wenigstens versucht, ein Tor zu erzielen. Wenn man dann allerdings in der gesamten zweiten Hälfte mit einem Spieler mehr auf dem Platz (!) noch ein Gegentor kassiert und lediglich 1,5 Torchancen kreiert, die beide auch noch aus Fernschüssen resultierten, ist das nicht nur enttäuschend, sondern fast schon peinlich. Und eben eine Frage der Mentalität und Einstellung, für die, wie gesagt, nicht zuletzt auch der Trainer verantwortlich ist.

Und wenn es mit Ansprache und Einstellung schon nicht so recht klappen will, hat man ja immer noch die Möglichkeit, über die Aufstellung oder Veränderungen an selbiger von der Seitenlinie aus auf das Spielgeschehen einzuwirken. Was Petersen auch versuchte, indem er nämlich zur zweiten Halbzeit Steffen Puttkammer aus dem Spiel nahm und Christopher Reinhard einwechselte, der in den zweiten 45 Minuten wie auch schon im Spiel gegen Plauen so etwas wie den Spielmacher mimte und das – insgesamt betrachtet – gar nicht mal so schlecht machte. Wenn das jetzt bedeutet, dass die sportliche Leitung erkannt hat, dass sowohl Steffen Puttkammer, als auch Marius Sowislo zwar passable (defensive) Mittelfeldspieler sind, die Rolle des kreativen Spielgestalters bzw. Organisators aber beide nicht so recht auszufüllen vermögen, wäre das wenigstens ein kleiner Lichtblick an einem in allen Belangen verkorksten Nachmittag. Etwaige Neuverpflichtungen und/oder die verbleibenden Spiele in dieser Saison werden wohl zeigen, ob da tatsächlich so etwas wie ein Erkenntnisgewinn und ein Mentalitätswechsel vonstatten gingen.

Was die anderen beiden Wechsel betrifft, weiß sicherlich nur der Trainer selbst, was genau er damit eigentlich bezwecken wollte. Bei der Herausnahme von Fuchs kann ich mir das noch ungefähr denken, weil der sich nämlich unmittelbar davor ziemlich aufspulte, die gelbe Karte sah und Gefahr lief, irgendwann mit gelb/rot wegen Meckerns vom Platz zu fliegen. Dafür kam Matthias Steinborn, der aber wirkungslos blieb, ebenso wie ein vollkommen überforderter Florian Beil im Sturmzentrum als Beck-Ersatz, der sogar durchspielen durfte. Das erschloss sich mir ebensowenig, wie die Tatsache, dass Fabio Viteritti (wir nannten ihn im Block irgendwann „das Phantom“) 90 Minuten Spielzeit bekam, während ein derzeit (meiner Einschätzung nach) deutlich formstärkerer Tino Schmunck auf der Bank blieb. Oder was Telmo Teixeira eigentlich in diesem Spiel zu suchen hatte, bei dem man nur und ausschließlich über den (ausgebliebenen) Kampf etwas holen konnte.

Aber vermutlich schreibe ich mich gerade in Rage und habe auch sonst eigentlich gar keine Ahnung.

Wie dem auch sei, man hätte am Samstag vom Gefühl her vermutlich noch 3, 4 Stunden weiterspielen können und hätte dann wohl eher noch das vierte und das fünfte Tor kassiert, als selbst aus dem Spiel heraus eins zu schießen. Auffällig übrigens auch, dass die Mannschaft offenbar überhaupt gar keinen Plan hatte, wie man in Überzahl auswärts gegen einen solchen Gegner spielen soll. Und wenn dann auch noch jeder zweite Pass direkt beim Gegner landet (und daran war mitnichten ausschließlich der Platz Schuld, lieber Andreas Petersen), dann verliert man eben so ein Spiel sang- und klanglos und völlig verdient mit 2-3 (nachdem es noch einen schmeichelhaften Elfmeter gab, den Hammann zwar souverän verwandelte, der am gesamten Auftreten der Mannschaft aber auch nichts mehr änderte.).

Passend zum Spiel dann übrigens noch der völlig unnötige Platzverweis von Christoph Siefkes kurz vor Schluss, der erst seinen Gegenspieler mit einem Frustfoul völlig sinnfrei umsenst, um ihm und dem Schiedsrichter direkt danach offenbar noch ein paar markige Worte mit auf den Weg zu geben, die dann zur gelb/roten Karte führten. Ganz, ganz clever, weil er damit auch im schweren Heimspiel gegen Viktoria Berlin am Gründonnerstag aussetzen darf und wir ja auf der rechten Seite so ein überaus großes Angebot an gleichwertigen Alternativen haben. Lieber Christoph: ganz souverän, herzlichen Glückwunsch!

Ein paar Worte vielleicht noch zu meinem speziellen Freund Jörg Goslar, über den und das Verhältnis zu Petersen ja im Vorfeld aufgrund der Hinspielereignisse jede Menge geschrieben wurde: an diesem Nachmittag hatte er seine Mannschaft perfekt auf den Ersten FC Magdeburg eingestellt, das muss man ihm lassen. Wenn man allerdings bei ausnahmslos jeder Aktion der gegnerischen Mannschaft gegen Spieler des eigenen Teams sofort und vehement eine Karte fordert, ist das für mich nicht nur unsportlich, sondern eine absolute Frechheit. Und wenn die Art, die der Typ an der Seitenlinie und auch danach im Interview an den Tag legt, sich nur ansatzweise auf die Mannschaft überträgt, wundert es mich auch überhaupt nicht, dass die Nordhäuser Spieler direkt mal mit jeder Menge Schaum vor dem Mund zu Werke gehen….

Epilog:

Irgendwann war der Grottenkick glücklicherweise auch mal vorbei und es hieß, sich irgendwie zum Bahnhof durchzuschlagen, um sich von dort auf den kurzen Weg zum gedeckten Kaffeetisch wenige Kilometer weiter bei der Schwiegerfamilie zu begeben. Eigentlich ein prima Plan, wäre da nicht die Staatsmacht, die solche harmlosen Unterfangen hervorragend zu unterbinden weiß. Was sich nämlich nach dem Spiel und auf dem Rückweg zum Bahnhof abspielte, kann man wohl am besten als selbst erfüllende Prophezeiung beschreiben, und die geht so:

Man nehme zwei Parteien mit ihrem jeweiligen Feindbild (hier die „asozialen, gewaltsuchenden Fußballkrawalltouristen“, dort die ebenfalls „asozialen“, aber uniformierten und „gewaltsuchenden Scheißbullen“) und warte nun darauf, dass eine der beiden Seite irgendwann die Lunte zündet, was über kurz oder lang unweigerlich eintreten muss. Und wenn die Lunte erst mal brennt, knallt es dann gleich richtig. Auslöser war diesmal wohl – so wurde auf dem langen, dafür aber gut bewachten Marsch zum Bahnhof gemunkelt – eine fragwürdige Polizeiaktion gegen zwei Magdeburger unmittelbar nach dem Spiel. Direkt davon habe ich nichts mitbekommen, wohl aber, dass ich plötzlich mit einigen wenigen Leute ziemlich allein vor der vorderen Polizeikette stand, während der restliche, (überwiegend stark alkoholiserte) Mob im Laufschritt auf dem Rückweg Richtung Stadion war und sich auf einem Parkplatz wohl eine sportliche Auseinandersetzung mit der Polizei lieferte. Voila: die Lunte war gezündet, das Spiel konnte beginnen. Und das sah dann im weiteren Verlauf im Wesentlichen so aus, dass aus der Gruppe der abmarschierenden Fans hier und da mal (aber eher harmlos) gepöbelt wurde, während der überwiegende Teil der begleitenden Polizisten damit beschäftigt war, grimmig zu gucken und ab und an mal einen Fan grundlos, aber rabiat vom Rand in die Mitte des Fantrosses zu stoßen, was dann wiederum zu teils heftigen Reaktionen seitens der marschierenden Fans führte und so weiter und so weiter. Insgesamt wirklich unangenehm oder besser: stumpf. Und zwar so richtig und von beiden Parteien. Ich selbst hatte mit 3 Beamten etwas mehr Kontakt, von denen einer mir tatsächlich sehr freundlich zu verstehen gab, dass ich jetzt nach so einem Fußballspiel kein freier Mensch mehr bin und nicht einfach auf eigene Faust zum Bahnhof gehen darf, sondern mich dem polizeigeführten Mob anzuschließen habe. Weil: isso. Ein weiterer war so freundlich, mir am Bahnhof zu erlauben, mich ganz allein vom Bahnhofsvorplatz zu entfernen, um mich in einer Seitenstraße zur Rückreise nach hause abholen zu lassen (nach 90 Minuten Fußmarsch mit diversen Pausen hatte sich das mit dem Käffchen bei der Schwiegerfamilie inzwischen erledigt) und ein dritter, der mich während der Unterhaltung mit dem zweiten Beamten ungefragt am Arm packte und Richtung Seiteneingang des Bahnhofs zerren wollte. Wie Vieh. Es war so toll. Nicht.

Ach ja, und dann gab es da noch die Anekdote, wie ein Behelmter fast rückwärts in einen Busch lief (höhö) und wie sich drei Blau-Weiße unerlaubt aus dem Tross entfernten, durch den links liegenden Fluß wateten und, drüben angekommen, erst mal ihre nackten Hintern präsentierten, was dann zwischendurch wenigstens für ein kleines bisschen Erheiterung an einem insgesamt eher gebrauchten Nachmittag führte.

Dass die TSG Neustrelitz am 24. Spieltag ihre Partie gegen den SV Babelsberg 03 souverän gewinnen konnte und nunmehr mit 10 Punkte Vorsprung (bei sechs noch ausstehenden Partien) von der Tabellenspitze grüßt, macht die ganze Geschichte nicht besser; die mikromäßig kleine Chance zur Teilnahme an der Relegation ist damit endgültig passé. Insofern darf man gespannt sein, wie die Mannschaft auf die Niederlage in Nordhausen reagiert und am Gründonnerstag zuhause gegen Viktoria Berlin auftritt. Immerhin gilt es ja noch, zumindest den zweiten Tabellenplatz zu verteidigen und darauf zu hoffen, dass der Tabellenführer an der Lizensierung für die dritte Liga scheitert, was aus meiner persönlichen Sicht aber kaum mehr als ein sehr, sehr dünner Strohhalm ist. Nun, wir werden sehen…

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