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Ein Spiel, zwei Perspektiven: TSV 1860 München (A)

Korbinian Burger jubelt über den Kantersieg bei dem Münchner Löwen

Hollawetter! Wann gab es das zuletzt, dass ein Punktspiel des 1. FC Magdeburg bereits nach nicht einmal zwanzig Minuten entschieden war? Und wann war eine gegnerische Innenverteidigung, zumindest im ersten Durchgang einer Partie, eigentlich derart indisponiert? Wie man es auch dreht und wendet, das war schon sehr kurios, beeindruckend, großartig und insgesamt schön anzuschauen, was an diesem 18. Spieltag (zumindest in den ersten 45 Minuten) im Grünwalder Stadion zu München los war – jedenfalls dann, wenn das eigene Herz Blau-Weiß schlägt.

Obwohl das Spiel vor leeren Rängen ausgetragen werden musste, sind auch diesmal wieder 50% unserer Perspektive durch Live-Eindrücke geprägt. Und so haben wir die Begegnung gesehen:

Meine Erwartungen vor der Partie:

Nicole:

Die Gefühlslage schwankte bei mir ständig, denn bis einen Tag vor Anpfiff war ja gar nicht klar, ob Zuschauer im Grünwalder Stadion zugelassen waren. Wenn es Fans vor Ort gegeben hätte, dann hätte ich ein spannendes und emotionsgeladenes Spiel erwartet. Unsere 325 Fans hätten gegen die Wucht der Münchener Kurve wohl keine Chance gehabt. Nachdem allerdings am Freitag die Info zum Geisterspiel bekanntgegeben wurde und somit die Unterstützung für 1860 wegfiel, sah ich bessere Chancen für uns. Die Emotionalität von den Rängen kann sehr viel bewirken. Unsere Jungs dagegen sind stark fokussiert. Daher waren meine Erwartungen, dass wir konzentriert an dieses Spiel herangehen und mindestens mit einem Punkt nach Hause fahren.

Alex:

Ich hab‘ das an dieser Stelle, glaube ich, schon mehrfach geschrieben: Ich bin mittlerweile an einem Punkt angekommen, an dem ich grundsätzlich mal davon ausgehe, dass wir in jeder Partie realistische Siegchance haben. Und das finde ich selbst merkwürdig, weil ich ja eigentlich eher der Berufspessimist bin. Dann wiederum ist es schon schwierig, angesichts der bisherigen Leistungen und des Saisonverlaufs nicht in eine gewisse Euphorie zu verfallen. Von daher: Ich erwartete einen guten Auftritt unserer Mannschaft und drei Punkte für die lange Heimreise. Dass das dann aber so laufen würde, hätte ich tatsächlich nicht geglaubt.

So habe ich das Spiel verfolgt:

Nicole:

Kurzfristig doch im Grünwalder Stadion. Nachdem die Ligen meiner Söhne unterbrochen wurden und somit beide Spiele an diesem Samstag wegfielen, konnte ich meine Unterstützung für München zusagen. Daher ging es früh los und wir arbeiteten uns durch Schneegestöber bis in die bayrische Landeshauptstadt vor.

Ich muss dazu sagen, dass die Sichtverhältnisse für Pressevertreter, die die allerletzte Reihe auf der Tribüne haben, die schlechtesten in der ganzen Liga sind. Das Grünwalder Stadion ist für Fans ein Traum. Ich hingegen sehe mich Pfeilern und den TV-Räumen ausgesetzt, die die Sicht aufs Spielfeld versperren. Aber ich möchte nicht meckern – ich konnte diesem Spiel beiwohnen und darum wurde ich vielfach beneidet.

Ich stand also an meinen Stuhl gelehnt, damit ich die Partie gut verfolgen konnte. Vor uns nahmen die gesperrten, verletzten und nicht nominierten Spieler von 1860 Platz. Dreimal tief durchatmen und dann ging es los. Unsere Jungs begannen wie die Feuerwehr und nach 5 Minuten durften wir das erste Mal jubeln. Das tat ich auch lautstark. Danach hätte das Spiel die Wendung nehmen können. Der Elfmeter, den Reimann grandios hielt und dann auch noch ein Angriff von Sascha Mölders, den unser Keeper entschärfte, das war ein entscheidender Fakt im Spiel.

Nach dem zweiten Treffer waren wir schon etwas beseelt, nach dem 3:0 für uns schauten sich die Spieler auf der Tribüne mit riesigen Fragezeichen an. Beim 4:0 schauten sie kurz darauf bedröppelt in ihre Handys. Als der fällige Strafstoß zum 5:0 die Halbzeitpause besiegelte, fragten wir uns gegenseitig, ob wir uns mal kneifen können. War das wirklich wahr, was wir da sahen?

Dass in der zweiten Halbzeit der Gang ordentlich zurückgefahren wurde, war uns schon klar. Trainer Titz schonte einige Akteure, ließ anderen die Chance und war nach diesen zweiten 45 Minuten mit den zwei Gegentreffern „not amused“. Die Spieler vor uns bejubelten diese zwei Treffer, als wenn sie das Spiel noch drehen würden. Wir nahmen davon Notiz und wussten, dass hier nichts mehr schief gehen würde. Diese verdammten drei Punkte nehmen wir endlich mit und haben die Löwen gebändigt.

Nach Abpfiff gab es nur einen Kreis bei den Hausherren. Unsere Spieler wurden sofort in die Kabine beordert. Die Feierlichkeiten vor dem Block fielen, leider mangels Fans, weg und von daher ging es schnell ins Warme. Kurzzeitig wurde die Musik auch laut aufgedreht, aber jeder im Team wusste, dass man mit der zweiten Halbzeit nicht zufrieden sein konnte. Der Blick war schnell auf das nächste Heimspiel gegen Osnabrück gerichtet. Die Party wird vertagt.

Alex:

Staunend und mit großen Augen habe ich das Spiel verfolgt und mich spätestens nach dem zweiten Treffen von Connor Krempicki gefragt, ob da wirklich die erste Mannschaft von 1860 München auf dem Platz steht. Das war ja wie im Training, die Gegenspieler agierten eher wie Slalomstangen oder Pappfiguren und, naja, wenn man dann so eingeladen wird, macht man halt die Buden auch.

Der Elfmeter für München, da bin ich voll bei Nicole, hätte dem Spiel noch mal eine Wendung geben können, ebenso ein möglicher Mölders-Anschlusstreffer. Aber wie oben schon geschrieben: Nach 17 Minuten war der Käse gegessen, ich hatte zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass da irgendetwas anbrennen würde. Dementsprechend widmete ich mich auch irgendwann stärker diversen WhatsApp-Gruppen als dem Spielgeschehen; im zweiten Durchgang erledigte ich einige E-Mail und hatte die Partie tatsächlich nur noch nebenbei laufen.

Über die Gegentreffer habe ich mich trotzdem geärgert und fand‘ es gleichzeitig aber gut, dass mindestens mal auch Dominik Reimann mächtig stinkig war, an jenem Nachmittag noch mal Bälle aus dem Netz holen zu müssen. Da stimmt auf jeden Fall die Einstellung.

Der auffälligste Spieler:

Nicole:

Gestern eindeutig Dominik Reimann. Zuerst hält er den Elfmeter von Dressel, kurz danach lenkt er den Schuss von Sascha Mölders am Tor vorbei. Da stand es erst 1:0 und das Spiel nahm dann eine Wendung, an der er dadurch den größten Anteil hatte. Ganz großes Kino.

Alex:

Alles das, was Nicole sagt. Und Connor Krempicki, der die Aktion vor dem 3:0 wahrscheinlich seit der Rückkehr aus München pausenlos auf der Konsole nachzustellen versucht.

Die Partie in maximal fünf Worten:

Nicole:

Das war Löwenbändigung par excellence!

Alex:

Herbstmeisterschaft vorzeitig und beeindruckend eingefahren.

Das bleibt in Erinnerung:

Nicole:

Endlich ein Sieg gegen 1860 im Grünwalder Stadion. Ein Spiel, das seinesgleichen sucht und in dem gerade die ersten 45 Minuten mitunter die schönsten der bisherigen Saison waren. Ich habe eine FCM-Mannschaft gesehen, die Bock auf Fußball hat, die das Passspiel perfektionieren will und nicht aufhört, Tore schießen zu wollen. Zudem bleiben mir die Gesichtsausdrücke der Spieler, die vor uns auf der Tribüne saßen, in Erinnerung. So viele Fragezeichen habe ich selten gesehen.

Aber es bleibt mir erneut ein Verein in Erinnerung, der sich (leider mal wieder) nicht von seiner angenehmsten Seite zeigte – wenn man dort arbeiten muss und z.B. noch nicht mal die Möglichkeit hat, sich in einen Raum zurückzuziehen und aufzuwärmen, geschweige denn, im Trockenen Spielerinterviews durchführen zu können. So mussten die Auswechselbank oder die Kofferraumklappe als Schutz genommen werden. Man wird angefahren, weil man zu nahe am Spielertunnel steht und mit einem Kollegen spricht. Da habe ich auch die Frage gestellt, ob man sich nicht mehr unterhalten darf. Es war zum Teil nur noch mit Kopfschütteln zu ertragen. Aber egal – sportlich haben wir es ihnen gezeigt. Und nur das zählt. Haken dran.

Alex:

In Erinnerung bleibt eine Mannschaft wie im Rausch, die mal eben in einem Auswärtsspiel die gegnerische Verteidigung kurz und klein schießt. Das war schon krass, im wahrsten Sinne des Wortes. In Erinnerung bleibt mir auch ein wirklich lustiger Nachmittag in den sozialen Netzwerken (WhatsApp zähle ich mal dazu), viele Schmunzler und Lacher allein auf der Couch und die fast schon kindliche Freude über ein Fußballspiel. Wenn man sich noch mal überlegt, wo wir vor genau einem Jahr um diese Zeit standen, ist das alles wirklich schon wieder Wahnsinn. Und schön. Nehme ich gern mit. Packe ich mir in ein Glas. Und erinnere mich dran, wenn es irgendwann mal wieder anders laufen sollte. Ich kenn‘ Dich doch, mein FCM ;-).

Das Foto des Spieltags:

Korbinian Burger jubelt über den Kantersieg bei dem Münchner Löwen

(c) 1. FC Magdeburg / Norman Seidler

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