FC Rot-Weiß Erfurt – 1. FC Magdeburg, 21. Spieltag, 3:1 (0:0)
„Dürfen hier nie das Spiel verlieren. Lassen uns durch Standards das Spiel wegnehmen. Wir haben heute nicht gut gespielt.“ Diese Worte von Jens Härtel nach der Partie des 1. FC Magdeburg beim Tabellenletzten aus Erfurt bringen die Geschehnisse und vor allem die Leichtfertigkeit, mit der die Größten der Welt an diesem 21. Spieltag drei Punkte verschenkt haben, eigentlich ganz gut auf den Punkt. In einer Vorstellung mit nur punktuellem spielerischen Glanz reichten dem FC RWE zwei Eckbälle, um die zuvor von Christian Beck erzielte Magdeburger Führung nicht nur zu egalisieren, sondern die Begegnung komplett zu drehen; ein sauberer Konter in der 88. Minute machte schließlich den berühmten Deckel drauf und bescherte den Hausherren den ersten Heimsieg seit dem 09.09.2017, als es ausgerechnet gegen den FC Carl Zeiss Jena einen 1:0-Erfolg gab. Aus Magdeburger Perspektive bleibt auch etliche Stunden nach dem Abpfiff vor allem Ernüchterung über den verpatzten Auftakt in das Jahr 2018 – wenngleich, wie das immer so ist, natürlich bei weitem nicht alles schlecht war und das Endergebnis dem Spielverlauf jetzt nicht unbedingt zu 100% gerecht wird.
Dass in Erfurt überhaupt Fußball gespielt werden konnte, war vielen helfenden Händen zu verdanken, die das Feld in einem kurzfristig anberaumten Arbeitseinsatz vom Schnee befreiten und so maßgeblich dazu beitrugen, dass der Ball pünktlich um 20:30 Uhr schließlich rollte. An dieser Stelle noch einmal ein großes „Dankeschön“ für diesen Einsatz, auch wenn man sich im Nachhinein und in Kenntnis des Ergebnisses auf Magdeburger Seite vielleicht doch eine Spielabsage gewünscht hätte. Für das Unvermögen des Clubs, trotz bester Chancen nicht mehr als ein Tor zu erzielen, können freilich aber auch die Schneeschieber*innen nichts. Sei es drum.
Jens Härtel jedenfalls setzte für das erste Pflichtspiel 2018 auf bewährtes Personal: Vor Jan Glinker im Tor verteidigten Steffen Schäfer links, Richard Weil in der Mitte und Christopher Handke rechts. Das zentrale Mittelfeld bildeten Kapitän Marius Sowislo und Björn Rother, auf der linken Seite begann Nico Hammann, rechts Nils Butzen. Das Offensiv-Triumvirat bestand aus Michel Niemeyer, Christian Beck und Julius Düker.
Das Spiel begann so, wie man das vielleicht erwarten konnte bei einem Gegner, der unten drin und gleichzeitig mit dem Rücken zur Wand steht: Erfurt musste unbedingt gewinnen und war bemüht, vom Start weg Druck aufzubauen; der Club versuchte es spielerisch. Den ersten Abschlussversuch verzeichneten dann auch die Größten der Welt – Björn Rothers Schuss aus der zweiten Reihe gleich in der 1. Spielminute verfehlte das Ziel aber deutlich. Insgesamt waren die ersten 10 Minuten so etwas wie eine Mini-Version der gesamten Partie: Der FCM mitunter mit guten Ansätzen (so zum Beispiel in Minute 9, als Weil Michel Niemeyer auf links mal schickte), aber eben auch etlichen Ungenauigkeiten im Spielaufbau und einigen langen Bällen, die im letzten Angriffsdrittel keinen oder den falschen Abnehmer fanden. Erfurt bemüht, aber (zunächst) ohne Fortune, wie nach 10 Minuten, als Luka Odak Carsten Kammlott im Strafraum bediente, der Pass aber einen Ticken zu lang geriet und Jan Glinker vor dem Erfurter Mittelstürmer am Ball war.
Die erste von etlichen richtig guten Gelegenheiten für Blau-Weiß ergab sich schließlich nach 13 Minuten: Eine Magdeburger Ecke konnte die Erfurter Defensive zum Einwurf klären; Christopher Handke kommt an den Ball, flankt mustergültig in die Mitte und findet dort den Kopf von Michel Niemeyer, dessen gefühlvoller Kopfball leider hinter dem Tor herunterfällt. Drei Zeigerumdrehung später ist es Julius Düker, der inmitten einer ersten Hüpfeinlage im Gästeblock die Riesenchance zur Führung vergibt. Einen langen Ball in den Strafraum, ansehnlich weitergeleitet von Christian Beck, erkämpft er sich eigentlich stark, hat dann aber wohl keine rechte Kraft mehr für den Schuss. Es wird ein Schüsschen, das knapp links am Erfurter Tor vorbeirollt. Weiter also 0:0, aber: Der Club kam zu seinen Möglichkeiten und musste eine davon eigentlich ’nur noch‘ verwandeln.
Der FC Rot-Weiß Erfurt versuchte es derweil entweder mit gelupften Bällen hinter die Kette auf Kammlott (19., wohl sehr knapp abseits) oder über den bärenstarken Merveille Biankadi auf der rechten offensiven Außenbahn, den unsere linke Defensivseite eigentlich das gesamte Spiel über kaum in den Griff bekam. Riesenvorstellung des gebürtigen Münchners, der vor der Saison vom SV Elversberg nach Thüringen kam. Weil dann aber auch auf Erfurter Seite der letzte Pass häufig nicht ankam und die Magdeburger Defensive sehr aufmerksam agierte, konnten die Hausherren aus beiden Ansätzen zunächst kein Kapital schlagen.
Es folgte einiges an Leerlauf (von einem harmlosen Hammann-Freistoß nach 21 Minuten einmal abgesehen), ehe Björn Rother seinem Kollegen Michel Niemeyer nach einer guten halben Stunde die nächste glänzende Möglichkeit auflegte. Ein Heber hinter die Erfurter Innenverteidigung bringt Niemeyer in eine glänzende Schussposition, ebenso glänzend aber die Reaktion des erst 18jährigen Julian Knoll im Erfurter Tor, der sich in den Abschluss wirft und ihn so letztlich auch vereiteln kann. Der Ball bleibt aber heiß und fällt Kapitän Sowislo vor die Füße, der nur einschieben muss, sich aber für den satten Schuss entscheidet und das Spielgerät in Richtung Erfurter Heimkurve schickt. In der Situation kein Tor zu erzielen, war schon eine Herausforderung. Es war zum Haare raufen.
Für den Rest der ersten Hälfte verlagerte sich das Momentum dann wieder so ein wenig auf die Seite der Hausherren, Zählbares sprang allerdings nicht heraus. Der Club tat sich schwer, Bälle kontrolliert aus der Abwehr herauszuspielen, häufig landeten die Klärungs- oder Aufbauversuche in Erfurter Füßen oder dem Seitenaus. Bevor die Gastgeber aber noch einmal gefährlich werden konnten, bat Schiedsrichter Sören Storks beide Teams zum Pausentee – aus Gästeblockperspektive sicherlich nicht unbedingt der ungünstigste Zeitpunkt für einen Halbzeitpfiff.
Ohne personelle Veränderungen ging es bei gemütlichen drei Grad über Null im eigentlich recht schicken Steigerwaldstadion in den zweiten Durchgang, den der Club mit zwei (allerdings brotlosen) Standards einläutete. Nach 53 Minuten dann mal wieder ein schöner Spielzug über Julius Düker auf den agilen Nils Butzen, der in den Strafraum eingelaufen war, den Ball an der Grundlinie im Fünfmeterraum erwischt und flach in die Mitte spielen kann. Erfurt klärt zur Ecke, die hoch in den Strafraum kommt. Kopfball Beck – aber der Ball landet erneut nicht im Tor, sondern obendrauf. Joa. Keine zwei Minuten später erneut mächtig Alarm vor Julian Knoll. Aus zentraler Position im Sechzehner bekommen zwar nacheinander mehrere Magdeburger Spieler den Fuß an den Ball, selbigen aber eben nicht aufs Tor, weil sich die Erfurter Defensive inzwischen mit vollem Einsatz in jeden Schuss warf. Der Lohn war weiterhin das 0:0 und nach 59 Minuten mal ein Abschluss von Biankadi, der allerdings aus halblinker Position über das Tor und den langen Pfosten pfeift.
Dann die 63. Minute und erneut die Kombination Düker – Niemeyer: Ersterer spielt aus der Zentrale hervorragend weiter auf den Flügelstürmer, der frei vor Knoll auftaucht und den Ball in neuneinhalb von zehn Fällen wohl über die Linie bringt. Nicht so in dieser Situation: Erneut macht sich der Erfurter Keeper ordentlich breit, kann zwar den Abschluss nicht, wohl aber den Treffer verhindern und hat den Ball dann im Nachfassen. Naja, und wenn man dann halt die drölfte Großchance nicht nutzt, muss eben ein Geniestreich her – dachte sich wohl auch Christian Beck und hämmerte den Ball nach 68 Minuten und Hammann-Vorlage quasi von der Grundlinie aus mal eben am erstaunten Knoll (und vor der ebenso erstaunten Gästekurve) per Direktabnahme mit Schmackes in die Maschen. Kannst Du Dir nicht ausdenken, passierte aber tatsächlich. 1:0 für die Guten.
Sofort ertönten natürlich die obligatorischen „Auswärtssieg! Auswärtssieg!“-Rufe aus dem Gästeblock, was, betrachtet man den Spielverlauf bis zu diesem Zeitpunkt, wohl auch seine Berechtigung hatte. Die Ausgangslage war nun natürlich exzellent: Ein ohnehin schon verunsicherter Gegner, der es bis dato nicht vermochte, sich so richtig 100%ige Chancen herauszuspielen und nun die Führung im Rücken… Mal ehrlich, was konnte da noch groß schief gehen?
Die Antwort lieferte der vermeintlich verunsicherte Tabellenletzte keine fünf Minuten später. Es gab einen Eckstoß von der rechten Seite und während der Ball so in der Luft war, dachte man möglicherweise nicht nur im Gästebereich, dass – wenn überhaupt – für Erfurt vermutlich nur nach Standards wirklich etwas gehen würde. Tja, und dann steht da in der Mitte Florian Neuhold knochenfrei und nickt tatsächlich zum Ausgleich ein. Der erste Eindruck in der Kurve sollte später von den Fernsehbildern bestätigt werden: Dieses Tor darf so nie fallen. Offenbar hatte aber die Saison 2016/2017 angerufen und alte Auswärtsspiel-Muster zurückverlangt. Sehr, sehr ärgerlicher Gegentreffer, aber hey, noch war ja Zeit, das Ergebnis wieder zu den eigenen Gunsten zu korrigieren.
Fünf Minuten nach dem Ausgleich gibt es wieder eine Ecke. Und wie baut man einen Tabellenletzten ohne Not und großen Aufwand optimal auf? Genau, indem man einfach nach dem ersten gleich noch ein zweites Standard-Tor zulässt. Der Ball kommt vom (ebenfalls sehr präsenten) Bergmann und wird zunächst abgewehrt, aber eben nicht aus der Gefahrenzone befördert. Die anschließende Erfurter Flanke wird an den langen Pfosten gezogen; in dem Moment, in dem André Laurito köpft, war ob der langen Reisezeit vermutlich schon Schnee auf dem Ball. Der Klärungsversuch von Jan Glinker kommt zu spät, Steffen Schäfer läuft artig Spalier, der Kopfball-Aufsetzer findet seinen Weg ins Tor und naja, plötzlich stand es 2:1 für Erfurt und keine wusste so richtig, warum eigentlich.
Jens Härtel wechselte nun und brachte Philip Türpitz und Tobias Schwede für Nico Hammann und Michel Niemeyer. Und immerhin: Auch wenn die beiden Gegentreffer in kurzer Folge bei den Gästen natürlich nicht ohne Wirkung blieben, machten beide Einwechsler auf ihrer linken Seite gleich mächtig Alarm. So auch in der 80. Minute: Türpitz schickt Schwede, der frei in die Mitte flanken kann und dort Christian Beck findet. Dessen Kopfball geht dann aber deutlich rechts am Tor vorbei. Vier Minuten später dann der letzte offensive Joker von Jens Härtel: Nils Butzen machte für Florian Pick Platz. Allein, so richtig glasklare Chancen sollten sich für die Größten der Welt nicht mehr ergeben; auch, weil Erfurt das Ding nun natürlich leidenschaftlich verteidigte, die drei Punkte unbedingt im Steigerwaldstadion behalten wollte und die Aktionen der Blau-Weißen bei zunehmender Hektik auch zunehmend ungenauer wurde. In der 85. Minute noch mal eine Möglichkeit für Julius Düker, der sich irgendwie in den Strafraum durchtanken konnte; erneut war aber bei Julian Knoll Endstation, der vor dem Stürmer an den Ball kam.
Naja, und wie das dann immer so ist, wenn eine Mannschaft aufmacht und alles nach vorn wirft, ergaben sich für den FC Rot-Weiß Erfurt nun natürlich Kontermöglichkeiten. Eine davon beendete zwei Minuten vor Abpfiff schließlich alle Magdeburger Ausgleichshoffnungen, als Elias Huth auf der linken Seite auf und davon marschierte und dann das tat, wofür er als Mittelstürmer bezahlt wird: den Ball überlegt rechts an Jan Glinker vorbei in die Maschen schieben.
Kurz danach war Schluss, die Freude in Erfurt über den ersten Heimsieg seit langem natürlich riesig und die Gesichter der knapp 2.000 Magdeburger Schlachtenbummler*innen entsprechend lang. So hatte man sich den Auftakt in das Pflichtspieljahr 2018 natürlich nicht vorgestellt, kam das erste Spiel im neuen Jahr phasenweise doch eher einem Kaltstart gleich. Was aber Mut macht, auch wenn es paradox klingt, ist, dass die Gegentore jetzt nicht unbedingt aus einer schieren Übermacht des Gegners resultierten, sondern einfach nur schlecht verteidigt waren, es sich also um Fehler handelte, die man hoffentlich relativ schnell wieder abstellen kann. Mut macht außerdem, dass in diesem Spiel mit Türpitz und Schwede zwei absolute Waffen durch ihre Einwechslungen noch einmal ordentlich Energie brachten und bei etwas mehr Spielglück dann vielleicht doch noch mindestens ein Punkt auf das Magdeburger Konto wandert. Mut macht außerdem, dass es ausreichend Chancen gab, das Spiel früh zu entscheiden – ergeben sich diese Möglichkeiten auch in der nächsten Partie gegen Meppen und ist man dann ein Stückweit konsequenter vor dem Tor, sieht das Ergebnis nach 90 Minuten mit Sicherheit auch wieder ganz anders aus.
Dem FC Rot-Weiß Erfurt ist indes zu wünschen, dass der Sieg – insbesondere angesichts der ganzen Nebenkriegsschauplätze – kein Muster ohne Wert bleibt und man angesichts der für den Gesamtverein schwierigen Gemengelage in absehbarer Zukunft irgendwie wieder auf einigermaßen solide Beine kommt, in welcher Liga auch immer die dann stehen. Was die Größten der Welt betrifft, so endet dieser Spielbericht mit einem Lied, das auch unserer Autobesatzung trotz des bescheidenen Ergebnisses irgendwo auf der Autobahn dann doch wieder ein kleines Lächeln ins Gesicht zauberte. Schließlich gibt es schon am Samstag gegen Meppen die Möglichkeit, einige Dinge besser zu machen und sich hoffentlich fulminant zurückzumelden. In diesem Sinne, immer dran denken:
„Ob Du gewinnst oder nicht, ohohohoh, niemand lässt Dich im Stich, ohohohoh…“
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