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Vom Glück, dass ein Spiel tatsächlich 90 Minuten dauert

1. FC Magdeburg – TSG Neustrelitz, 23. Spieltag, 06.04.2013

Auch mit zwei Nächten und anderthalb Tagen Abstand weiß ich noch nicht so richtig, wie ich diesen Beitrag zum ersten Heimspiel der Größten der Welt im Kalenderjahr 2013 gegen die Turn- und Sportgemeinschaft Neustrelitz eigentlich beginnen soll. Ursprünglich wollte ja ich von dem Gefühl schreiben, das mich beschlich, als ich nach über 3 Monaten wieder in die obligatorische und stets leckere Kräuter-Bratwurst biss, die zum Stadionbesuch dazugehört wie das Altern um mehrere Jahre, wenn der Club mal wieder eine Großchance versiebt. Oder über das Kribbeln im Bauch, wenn man etwa 20 Minuten vor Anpfiff die Stufen der Nordtribüne erklimmt, in freudiger Erwartung dessen, was gleich passiert. Anders gesagt: darüber, wie mir solche Kleinigkeiten sofort wieder ins Bewusstsein rufen, wie sehr ich neben dem Stadionbesuch selbst auch die kleinen Rituale drumherum vermisst habe in den letzten Monaten, ohne es zu merken. Von den ganzen Leuten, die man schon viel zu lange nicht mehr gesehen hat, mal ganz abgesehen. Irgendwie liegt mir aber der Samstagnachmittag immer noch ein bisschen quer, ohne so wirklich zu kneifen, aber eben auch ohne wohliges (Erfolgs)Bauchgefühl – und das liegt, soviel sei schon mal gesagt, definitiv nicht an dem konsumierten Fleischerzeugnis. Vielleicht fange ich am besten erst einmal so an, nämlich mit einer Betrachtung der Rahmenbedingungen im Vorfeld des Spiels:

Nach der gefühlt längsten Winterpause aller Zeiten und insgesamt 3 abgesagten Heimbegegnungen (Jena, Union II, BAK) sollte nun also an diesem 06.04.2013 endlich alles gut werden – endlich wieder Live-Fußball im Wohnzimmer:FotoVereinsseitig wurde für dieses ‚Homecoming’ auch gleich ein toller Rahmen geschaffen, stand doch an diesem Datum auch der 4. Behindertentag an. Eine großartige Aktion, wie ich finde, und eine tolle Möglichkeit, auch Menschen mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen die Gelegenheit zu geben, ihrer blau-weißen Leidenschaft live im Stadion frönen zu können :-).

Die Mannschaft ihrerseits hatte bereits am vorhergehenden Mittwoch in Meuselwitz die Gelegenheit, die werte Anhängerschaft für das erste Heimspiel des Jahres so richtig heiß zu machen und so eine kleine Anfangseuphorie mit in den ersten Heimauftritt zu nehmen – und hat diese Gelegenheit gleich mal ordentlich verbockt. 0-2 gab es auf die Mütze, und wenn man den Augenzeugenberichten der vor Ort Gewesenen glauben darf, lieferte unsere Elf dort auf dem Dorf ihre bis dato schlechteste Saisonleistung ab. Umso gelegener sollte da ja eigentlich das Neustrelitz-Spiel gekommen sein, bieten doch englische Wochen in der Regel eine gute Gelegenheit, Negativerlebnisse innerhalb kürzester Zeit durch entsprechende Erfolgserlebnisse neutralisieren zu können.

So war jedenfalls alles angerichtet für ein ordentliches Fußballfest, und auch die Aufstellung mit Telmo Teixeira im offensiven Mittelfeld von Beginn an ließ den gemeinen Anhänger hoffen, dass es heute ordentlich, offensiv und vor allem attraktiv zu Werke gehen sollte.

Ja, und dann wurde angepfiffen.

Was dann folgte, lässt sich zumindest für mich recht schwer in vernünftige Worte gießen. Entgegen vieler anderer fand ich die erste Halbzeit nämlich eigentlich so super schlecht gar nicht. Man spielte eigentlich recht gefällig, kam auch immer wieder in Strafraumnähe, allein, die letzte Konzentration, der letzte vernünftige Pass und damit auch die zwingenden Torchancen blieben schlichtweg aus. Anders die TSG, die scheiterte nämlich im Verlauf der ersten Halbzeit (zunächst) vor allem am eigenen Unvermögen. Teixeira für mich mit zwar durchwachsenem, aber letztlich vielleicht auch erwartbarem Startelf-Debüt. Er probierte viel und man konnte schon gut erkennen, dass und auf welcher Weise er uns definitiv weiterhelfen wird. Allerdings war eben auch auffällig, dass die so oft zitierte ‚Bindung zum Spiel bzw. zur Mannschaft’ schon noch fehlt und einige Aktionen einfach unglücklich aussahen, weil die Laufwege (noch) nicht stimmten. Hier gilt es also, noch viel Trainingsarbeit zu investieren, aber dafür befinden wir uns ja auch in einer Aufbau- und Entwicklungssaison. Und wer jetzt erwartet hat, mit Teixeira kommt sofort der Tiki-Taka-Fußball barcelonascher Prägung (Grüße an dieser Stelle, aus Gründen, an den rotebrauseblogger), der hat wohl einfach recht schnell vergessen, wie es noch vor einem Jahr um die Spielkultur beim Ersten FC Magdeburg bestellt war.

Keine gute Figur machte von meiner Warte aus in der ersten Halbzeit (später wurde das besser) da eher Fernando Lenk, der auf seiner Abwehrseite irgendwie immer zu weit weg oder einfach zu schlecht stand, sodass ich, sobald Neustrelitz schnell über rechts (also unsere linke Abwehrseite) spielte, immer gleich etwas unruhig wurde. Fairerweise muss man aber sagen, dass auch Kollege Butzen auf rechts nicht seinen besten Tag hatte. Das erste Tor fiel dann tatsächlich auch über den linken Flügel der Gäste und war wieder so ein Ding, dass einen einfach nur wahnsinnig werden lässt: nach blau-weißem Ballverlust in der eigenen Angriffshälfte kombinieren sich drei Neustrelitzer gegen 8,9 Blau-Weiße in einen Konter, spielen den Ball auf die völlig blanke linke Seite und lässt der den Ball erlaufende TSG-Stürmer unserem Matthias Tischer im Tor mit einem platzierten Schuss keine Chance. Ein Tor, das schon in seiner Entstehung so nie und nimmer fallen darf. Aber okay.

So, und wir wären ja nun nicht in Magdeburg, wenn dieses Gegentor kurz vor der Pause und der Umstand, dass man nicht gleich in den ersten 45 Minuten die totale Dominanz zeigte, nicht zu einem ordentlichen Pfeifkonzert führen würde, das die Mannschaft in die Kabine begleitete. Ich fand das übertrieben, zumal man auch nicht vergessen sollte, dass Neustrelitz beileibe kein Fallobst, sondern Tabellennachbar ist – die können also auch kicken.

Unsere Mannschaft war dann nach der Halbzeitpause als erste wieder auf dem Rasen und Coach Petersen nahm zwei Veränderungen vor, brachte Bärje für Reinhard und Dawid Krieger für Telmo Teixeira. ‚Interessant’ ist die beste Beschreibung, die mir im ersten Moment einfiel und ich hoffe inständig, der Draht zwischen Trainer und Spielmacher Teixeira ist derart gut, dass die Auswechslung nicht gleich in der Anfangszeit zu fundamentalen Verstimmungen führt. Dass Teixeira ein Typ ist, der von seiner derzeitigen Teilzeittätigkeit allzu begeistert ist, kann ich mir nämlich beim besten Willen nicht vorstellen.

Auch Kriegers Einwechslung rief auf der Tribüne jetzt keine allzu große Euphorie hervor, schließlich hatten wir ja nur noch 45 Minuten für (mindestens) ein Tor. Krieger als nomineller Stürmer netzt im Schnitt in dieser Saison aber nur alle 452 Minuten…

Naja und was soll man groß sagen: es waren im zweiten Abschnitt keine 10 Minuten gespielt, als der Ball schon wieder im Tor zappelte, nur leider im falschen. Diouf traf nach einer Ecke am kurzen Pfosten – erneut völlig blank – zum 0-2. Hier war unsere Defensive wohl noch kollektiv in der Halbzeitpause, denn entweder hat Tischer den Ball vorher oder IRGENDEIN Abwehrspieler steht dem Diouf so auf den Füßen, dass der gar keine Lust mehr hat, sich Richtung Tor zu bewegen.

Die beste Szene des Spiels folgte gleich im Anschluss nicht auf dem Rasen, sondern auf der Tribüne, genauer gesagt auf dem Vorsängerpodest von Block U. Was da von irgendeinem Trottel auf der Tribüne genau gerufen wurde, habe ich nicht verstanden, vermute aber, dass sich da jemand lautstark und politisch unkorrekt über den zugegebenermaßen doch recht provokativen (und auch mit Gelb geahndeten) Torjubel des dunkelhäutigen TSG-Stürmers aufgeregt hat. Berichte anderer nach dem Spiel bestätigen diese Vermutung. Ein dickes „Daumen hoch“ in dem Zusammenhang an den Capo des Block U und seine klare, sinngemäße Ansage, so etwas gefälligst zu unterlassen oder in Zukunft vielleicht lieber zum Fußball gucken nach Halle zu fahren. Genau so und nicht anders – danke, Block U!

Mittlerweile lagen wir also null zu zwei zurück und nun war es spannend zu sehen, wie die Mannschaft wohl reagieren würden. Und sie tat zunächst mal das, was wir von der letzten Saison schon allzu gut kannten, nämlich: völlig verunsichert über den Rasen flattern. Ein bisschen mehr Glück und ein Quäntchen mehr Kaltschnäuzigkeit und Neustrelitz macht in dieser Phase den Sack mit 0-3 oder sogar 0-4 zu. Taten sie aber nicht, und so schlug nach gut 60 Minuten Spielzeit die Stunde des Christian Beck. Zwei blitzsaubere Tore innerhalb weniger Minuten bescherten den Ausgleich und stellten den Spielverlauf, zumindest bis dato in der 2. Hälfte, eigentlich völlig auf den Kopf. Die gute Nachricht lautet aber: offenbar haben wir (mittlerweile) zumindest so viel Qualität auf dem Platz, dass wir eben auch einen 2-Tore-Rückstand wieder wettmachen können. In dem Zusammenhang wage ich auch zu behaupten, dass sich die Verpflichtung von Beck jetzt schon gelohnt hat. Ob sich einer unserer anderen Stürmer dazu bewogen gefühlt hätte, die Kugel derart humorlos und zielstrebig im Tor unterzubringen?

Überhaupt, dieser Christian Beck: vorbildlicher Einsatz, gute Mitarbeit in der Defensive, vorne eigentlich immer anspielbar UND, was noch viel wichtiger ist, mit vielen guten Ideen, die Mitspieler vorne auch in Szene zu setzen. Dass noch nicht alles klappt, ist klar (siehe Teixeira), aber die durch seine Verpflichtung dazugewonnene Qualität ist unübersehbar.

Das Spiel endete schließlich mit einem für uns doch eher schmeichelhaften 2-2, auch, weil wir in den insgesamt ordentlichen letzten 30 Minuten das eine oder andere Mal Pech hatten (Latte, Pfosten) und Neustrelitz seinerseits die oft gut herausgespielten Chancen nicht nutzen konnte. Was mich aber bis jetzt noch beschäftigt: Warum pumpt ein Fabio Viteritti nach 70 Minuten schon wie ein Maikäfer, muss aber bei einem noch möglichen Wechsel trotzdem durchspielen? Und was hatte Marius Sowislo eigentlich auf dieser Position vor der Abwehr zu suchen? Wobei ich mir ja mal hab sagen lassen, dass Spieler, die auf der Position das ganze Spiel über in keiner Weise im Gedächtnis bleiben, ihre Sache wohl sehr gut gemacht haben sollen…

Kleine Randnotiz noch, weil sie sich im Spiel einfach aufgedrängt hat und man ja auch mal auffällige Gegenspieler positiv hervorheben kann: was macht eigentlich Neustrelitz’ Nummer 3, Christian Schönwälder, nächsten Sommer? Ich fand, dass der Kollege auf Seiten der Gäste ein sehr, sehr ordentliches Spiel gezeigt hat und vor allem ein sehr gepflegtes Stellungsspiel an den Tag legte, was den einen oder anderen potentiell vielversprechenden blau-weißen Angriff schon in der Entstehung unterbunden hat. Vielleicht hat es ihm ja gefallen im schönen HKS…

Weiter geht es für Blau-Weiß schon am kommenden Mittwoch im Flutlicht-Nachholspiel zuhause gegen die Zweitvertretung von Eisern Union, was ich leider nur am Ticker verfolgen kann. Man darf sehr gespannt sein, wie die Mannschaft dann auftritt und ob man die letzten 30 Minuten des Neustrelitz-Spiels vielleicht auf starke 90 Minuten gegen Berlin ausbauen kann. Bis dahin täten alle, meine Wenigkeit eingeschlossen, erst mal noch gut daran, den Frustball flachzuhalten und immer schön dran zu denken: wir bauen auf und entwickeln. Immer noch. Und es ist ganz stark davon auszugehen, dass sich das auch bis Saisonende nicht mehr ändern wird.

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