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Unvergessen

unvergessen

Ist das echt alles schon wieder ein Jahr her? Wie doch die Zeit vergeht… Ich weiß noch ziemlich genau, wie das war, als ich von Hannes’ Sturz erfuhr. Ich saß im Fernbus von Erfurt nach Gießen, es war ein langes Wochenende, am 01.10. hatten die Größten der Welt ihr Heimspiel gegen den späteren Aufsteiger aus Kiel knapp mit 1:0 gewonnen. Ein schönes Spiel war es nicht, ein Duselsieg, könnte man sagen, aber das war ganz egal: Nach einem mäßigen Auftakt ins zweite Drittliga-Jahr war es der vierte Erfolg in Serie. Und das letzte Spiel, das Hannes im Stadion verfolgen würde. Nur, dass das zu diesem Zeitpunkt noch niemand wissen konnte.

Im Bus jedenfalls erreichte mich die Nachricht, dass es wohl auf einer Zugfahrt nach dem Heimspiel eine Auseinandersetzung zwischen Hallensern und Magdeburgern gegeben und dass es dabei einen Clubfan böse erwischt hätte. Ein Gerücht zunächst, wie das eben so ist in Zeiten von Social Media und Co.. Ein Gerücht aber auch, das ziemlich schnell Gewissheit wurde. Meine Gedanken pendelten sofort irgendwo zwischen Fassungslosigkeit und “Ach Du Scheiße”. Ganz egoistisch erst mal, weil man als Fußballfan, der mit seinem Verein viel unterwegs ist, dieses mulmige Gefühl natürlich kennt, wenn man irgendwie, irgendwo auf Fans gegnerischer Vereine trifft. Ich erinnerte mich sofort an die eine oder andere Situation, die haarig war, am Ende aber glimpflich ausging. Danach lief es mir eiskalt den Rücken runter.

Am “Ach Du Scheisse”-Ende des Spektrum kreisten die Gedanken um Hannes, für mich zu jenem Zeitpunkt noch der namenlose Clubfan, der mit Anhängern aus dem Süden aneinandergeraten war. Mutmaßlich. Was genau passierte, ist ja bis heute nicht bekannt. Als Vertreter der “Die Hoffnung stirbt zuletzt”-Fraktion redete ich mir ein, dass es schon nicht so schlimm sein würde, dass die Verletzungen sicherlich übel, aber nicht tödlich wären, dass Hannes das packt und dass am Ende alles gut werden würde. Ein bisschen Medienrummel noch, auch wenn das Derby noch ein Stückchen hin war, danach wieder ‘business as usual’. Was es für Konsequenzen hätte, wenn im Rahmen der Rivalität zwischen dem 1. FC Magdeburg und dem Halleschen FC ein Mensch ums Leben kommen würde, wollte ich mir lieber gar nicht ausmalen. Dass es tatsächlich so weit kommen könnte, wollte ich einfach nicht glauben.

Es kam bekanntlich alles ganz anders.

Hannes erlag einige Tage später seinen schweren Verletzungen. Es war tatsächlich ein Mensch gestorben. Weil er vielleicht zur falschen Zeit am falschen Ort war und dann noch die falschen Klamotten trug. Weil er Fußballfan war und als solcher in eine Situation geriet, die tödlich endete. Medienrummel gab es auch, aber überwiegend von der Sorte, die eigentlich niemand braucht. Trauerfeierticker. Katastrophenjournalismus. Kaum neue Erkenntnisse, aber Hauptsache neue Überschriften, die sich anklicken ließen. Nicht überall, nicht dauernd, aber doch auffallend oft. Aber auch: große Anteilnahme in den Kurven der Republik und darüber hinaus. Es kam das Spiel in Erfurt, ein Stadionerlebnis, eine Atmosphäre, für die das passende Adjektiv vermutlich erst noch erfunden werden muss. Und es kam das erste Derby nach Hannes’ Tod, am 26. November, mit der Rede von Hannes’ Bruder Christoph, die an Aktualität nichts eingebüßt hat.

Jetzt ist ein Jahr vergangen seit dieser Partie gegen Kiel und den Ereignissen, die dann folgten. Fast ein Jahr, seitdem ein Clubfan wegen des Fußballs gestorben ist. Wegen eines verschissenen Spiels. Was hat sich verändert in diesem Jahr? Hat sich etwas verändert? Haben wir uns verändert? Das sind so die Fragen, die mich heute bewegen auf meinem Weg ins HKS, zusammen mit der bitteren Erkenntnis, wie schnell bestimmte Dinge irgendwann doch wieder aus dem Fokus rutschen. Wie rasch die Medien-Karawane weitergezogen ist, als die Nachricht kam: “Die Ermittlungen wurden eingestellt”. Und wie man aber auch selbst irgendwann wieder zur Tagesordnung überging. Wann ist das eigentlich passiert? Wann fühlte es sich wieder einigermaßen ‘normal’ an, ins Stadion zu gehen? Und ist es überhaupt legitim, so zu denken?

Natürlich geht es heute wieder um Punkte, selbstverständlich um die Unterstützung der Mannschaft im Spiel gegen den FC Carl Zeiss Jena. Und trotzdem wird es heute anders sein als sonst.

HANNES – UNVERGESSEN!

 

Beitragsbild: „Knockin‘ on heaven’s door“ (geändert) von Daniela Hartmann via Flickr, Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0

3 Kommentare

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