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Rocket Man

1. FC Magdeburg – SV Wehen Wiesbaden, 14. Spieltag, 1-0 (0-0)

„Einmal kräftig durchschnaufen, bitte“ – so das Fazit nach der 14. Runde in der 3. Liga 2015/2016, die den Größten der Welt einen wichtigen Heimsieg gegen den SV Wehen Wiesbaden bescherte. Nach zuletzt vier Unentschieden in Folge inklusive zweier torloser Begegnungen in Kiel und Aue war es Ryan Malone vorbehalten, in der 84. Minute den Treffer des Tages zu erzielen. Ausgerechnet Ryan Malone, der bereits jetzt, ohne bisher viel gespielt zu haben, bei der blau-weißen Anhängerschaft einen gewissen Kultstatus erreicht hat. Selbiger Ryan Malone im Übrigen, der von den ersten sechs Ligaspielen fünf nicht mal im Kader stand und es mit der Partie gegen Wehen Wiesbaden nun auf insgesamt 99 Drittligaminuten bringt.

Bevor der junge Mann aus Chicopee in Massachusetts allerdings kurz vor dem Ende der Begegnung goldrichtig stand, sahen die 14.981 Zuschauer (davon handgezählte 22 aus Wiesbaden) erst einmal eine zwar intensive, spielerisch aber eher arme Begegnung. Beziehungsweise sahen sie erst einmal gar nichts, weil Block U im Rahmen einer tollen Choreographie reichlich Rauch einsetzte, der nicht nur zeitweise für Nebel mit geringer Sichtweite, sondern auch für eine knapp fünfminutige Spielunterbrechung sorgte – was die Social-Media-Abteilung des SV Wehen Wiesbaden zu folgendem Tweet veranlasste:

Lieber SV Wehen Wiesbaden, ich weiß ja nicht, was bei Euch nicht stimmt, aber diese Choreo hat mit Sicherheit für vieles gesorgt, garantiert aber nicht dafür, dass wir uns „die tolle Atmosphäre selbst kaputt gemacht“ haben. Ich kann allerdings auch verstehen, dass man angesichts solcher Bilder schon auch mal ein kleines bisschen neidisch werden kann:

Aber zurück zum Spiel, das die Hausherren druckvoll und  zumindest optisch überlegen begannen. Was allerdings fehlte und in den vergangenen Partien auch schon zu beobachten war, war die letzte Präzision in Strafraumnähe, die dann am Ende auch zu guten Torgelegenheiten führt. So dauerte es mit dem ersten ernstzunehmenden Abschlussversuch bis zur 27. Minute – in der aber nicht der Club, sondern der Gast aus Hessen den Ball halb gefährlich aufs Tor brachte. Vorausgegangen war ein Fehler unsererseits im Aufbauspiel, aus dem Wehen Wiesbaden allerdings glücklicherweise kein Kapital zu schlagen wusste. Ebensowenig in Minute 37, als ein völlig freier Torschuss des Wehener Kapitäns Pezzoni weit am Tor vorbeigeht. Ein Kopfballversuch von Marius Sowislo nach einem – tja, kann man das eigentlich noch ‚Einwurf‘ nennen? – geworfenen Flankenball des eingangs erwähnten Ryan Malone blieb in Halbzeit Eins die einzige halbwegs vielversprechende blau-weiße Torgelegenheit.

Nach Wiederanpfiff dann die mit Abstand stärkste Phase der Gäste, in der die Größten der Welt erschreckend oft nur hinterherliefen oder das Spielgerät nach eigenem Ballgewinn unmittelbar wieder hergaben. Wehens Trainer Sven Demandt sprach in der Pressekonferenz nach dem Spiel völlig zu Recht davon, dass seine Mannschaft zwischen der 46. und der 60./65. Minute eigentlich ein Tor erzielen muss; in Anbetracht der überschaubaren, zwingenden Offensivaktionen unsererseits geht die Begegnung dann mit einiger Sicherheit in eine ganz andere Richtung. Auch wenn wir diese Drangphase unbeschadet überstanden und die Mannschaft dann auch wieder mehr Kontrolle ins Spiel bringen konnte, blieb im weiteren Verlauf spielerisch vieles Stückwerk.

Lichtblicke gab es trotzdem: So beeindruckte mich das ganze Spiel über, aber in der zweiten Halbzeit noch einmal besonders, Nils Butzen, der hinten gut aufpasste, sich immer wieder klug nach vorne einschaltete und mit Tarek Chahed, je länger das Spiel dauerte, eine sehr ordentliche Achse auf der rechten Seite bildete. Auch Chahed gefiel mir mit fortschreitender Spieldauer immer besser und es ist beeindruckend, wie abgeklärt der Bursche mit seinen gerade einmal 19 Jahren teilweise bereits ist. Wenn er jetzt nur noch ein wenig robuster wird und in der einen oder anderen Situation eher den Pass zum freien Mitspieler spielt…

Eine Viertelstunde vor Schluss dann der Wechsel, mit dem man eigentlich rechnen konnte, der aber noch einmal ein gutes Stück Hoffnung darauf freisetzte, hier als Sieger vom Platz zu gehen: Für Tarek Chahed kam Ahmed Waseem Razeek und unter großem Applaus Lars Fuchs für Niklas Brandt. Und natürlich mag es Zufall sein, aber in der 84. Minute war es ausgerechnet ebenjener Lars Fuchs, der einen langen Freistoß gefühlvoll vor das Wehener Tor trat und dem somit für den viel umjubelten Kopfballtreffer unseres Amerikaners wenigstens ein halber Assistpunkt zugeschrieben werden kann: Nach zwei Kopfballverlängerungen ist es schließlich André Hainault, der den Ball in Malones Richtung bringt, der wiederum völlig unbedrängt vor dem leeren Tor nur noch einnicken muss.

Ryan Malone also – insgesamt schon eine beeindruckende und in allen Belangen gute Geschichte, die sich für den Jungen aus Chicopee/MA da abspielt: Zu Saisonbeginn so überhaupt gar nicht in Kadernähe, erarbeitet er sich (allerdings natürlich in gewisser Weise auch begünstigt von Verletzungen diverser Kollegen) peu à peu Spielanteile und erzielt dann gleich in seiner ersten Begegnung über 90 Minuten den Siegtreffer für die Größten der Welt. Der erste Einsatz von Beginn an wird noch einmal bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass Malone dafür Burak Altiparmak aus der ersten Elf verdrängte, der in den vergangenen Begegnungen ja nun nicht unbedingt mit eklatanten Schwächen auffiel (dafür wohl aber mit einem gewissen Substanzverlust zu kämpfen hat, wie Jens Härtel nach der Begegnung auf Nachfrage ausführte). Und wenn man dann noch einen Silvio Bankert auf der Bank hat – und lässt -, sagt das schon einiges über die Wertschätzung, die sich Ryan Malone im Kader des 1. FC Magdeburg inzwischen erarbeitet hat.

Nächster Halt: Dresden! Und dass das kein Spiel wie jedes andere sein wird, das dürfte jetzt schon klar sein.

2 Kommentare

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