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Herzlich willkommen, Jens Härtel!

Jens Härtel also. Nachdem in den vergangenen Wochen mal mehr (Pavel Dotchev, Karsten Baumann), mal weniger (Gerd Schädlich, Thomas Brdaric) gruslige Neutrainernamen durch den Blätter- und Forumswald geisterten, steht seit 16.04.2014 fest, dass der gebürtige Rochlitzer zur kommenden Saison den Übungsleiterposten bei den Größten der Welt übernehmen wird. Mein erstes Bauchgefühl ist dabei ein recht positives, ohne dass ich das sofort an Fakten festmachen könnte. Grund genug also, sich den Neuen anhand der dem Otto-Normal-Fan zur Verfügung stehenden Quellen mal ein wenig genauer anzuschauen. 

Zunächst die harten Infos: Jens Härtel wird zum Dienstantritt beim 1. FC Magdeburg 45 Jahre alt sein, kommt gebürtig aus Sachsen und hat seine ersten Schritte als Trainer im Berliner Raum gemacht. Dort war er zunächst bei Germania Schöneiche beschäftigt, wo er auch seine Spielerkarriere ausklingen ließ. Anschließend arbeitete er fast 4 Jahre als Co-Trainer unter Dietmar Demuth in Babelsberg, was aus meiner Sicht erst mal schon keine so schlechte Referenz ist. Mit Babelsberg gelang 2010 der Aufstieg in die dritte Liga – wie das geht, weiß der Neue also schon. Einem größeren Fußballpublikum wurde Härtel dann auf seiner ersten Cheftrainerstation beim Berliner Athletik Klub 07 bekannt, als er in der Saison 2012/2013 mit seiner Mannschaft den Bundesligisten TSG Hoffenheim mit einem sauberen 4-0-Heimsieg aus der ersten Runde des DFB-Pokals kegelte. Aktuell verdient Härtel sein Geld als Trainer der U19-Mannschaft von RB Leipzig, die im Moment auf deutlichem Aufstiegskurs in Richtung Junioren-Bundesliga liegt. Härtel besitzt außerdem die Fußballlehrer-Lizenz und hat in Magdeburg, genau wie sein Vorgänger, zunächst für zwei Jahre unterschrieben.

Aus diesem Werdegang geht für mich zunächst einmal hervor, dass wir es bei Jens Härtel mit einem verhältnismäßig jungen Trainer zu tun haben, der aber das Handwerk von der Pike auf gelernt und trotz seiner ‚erst‘ 44 Jahre bereits wertvolle Erfahrungen im Amateurfußballbereich der (erweiterten) Region gesammelt hat. Dementsprechend weiß er, was er tut, er kennt die Gegend, die Liga und sehr wahrscheinlich auch die Mentalität und die Befindlichkeiten der Leute und wird aus dieser Perspektive vermutlich auch wenig Eingewöhnungszeit brauchen. Hinsichtlich des Drucks, im Prinzip sofort funktionieren zu müssen, sicher schon mal ein Bonus.

Weniger unmittelbare Informationen lassen sich dann bezüglich der von Härtel präferierten Spielphilosophie finden. Möchte man die Statistik bemühen, liefert transfermarkt.de immerhin die Information, dass der Trainer mit dem Berliner AK im Schnitt 1,56 Punkte holte und die Tordifferenz in 66 Spielen bei 1,35:1,03 lag. Zum Vergleich: Andreas Petersen bringt es als FCM-Cheftrainer in 51 Spielen auf 1,63 Punkte bei 1,71:1,31 Toren. Da kann man natürlich jetzt alles und nichts rauslesen, sodass ich große Spekulationen allein auf Grundlage dieser Zahlen lieber bleiben lasse. Ein kleines Indiz ist aber vielleicht die verhältnismäßig gute Quote bei den Gegentoren, die darauf verweist, dass Härtel großen Wert auf solide Defensivarbeit legt, was den regelmäßigen Stadiongänger bei den Gedanken an unsere oft wacklige Abwehr zunächst mal freuen dürfte. Ansonsten kann ich mich noch daran erinnern, dass der BAK unter Härtel immer zu den Gegner zählte, die irgendwie eklig und unangenehm zu bespielen waren: hohe Aggressivität, kompakt in der Defensive, immer irgendwie gefährlich. Überträgt man das alles auf den FCM, verspräche das zwar für die kommende Saison nicht unbedingt Hurra-Fußball, allerdings hat Härtel hier ja auch ganz anderes Spielermaterial zur Verfügung. Hoffentlich. Außerdem: es soll in der Regionalliga Nordost ja durchaus schon Mannschaften gegeben haben, die mit Anti-Fußball und dreckigen 1-0-Siegen en masse in die dritte Liga aufgestiegen sind und dabei so exponierte Truppen wie RB Leipzig hinter sich ließen. Allein, der Name des entsprechenden Vereins möchte mir partout nicht einfallen…

Apropos RB Leipzig: dort findet man, sofern ich die Aussagen in meiner Timeline und in dem einen oder anderen Forum richtig deute, den Abschied des aktuellen U19-Coaches schon eher schade, ist man doch mit der Entwicklung der U19 und damit auch der Arbeit von Härtel mehrheitlich zufrieden, was in Anbetracht der Ambitionen der RasenBallsportler erneut für den Trainer spricht. Und da ja die Leipziger auch dafür bekannt sind, sinnigerweise von der ersten Mannschaft bis weit hinunter in den Jugendbereich die gleiche Spielphilosophie zu vermitteln, kann man aus Magdeburger Sicht davon ausgehen, dass Härtel gute Vorstellungen von Gegenpressing, schnellem Umschaltspiel und schnellem Torabschluss mit an die Elbe bringt. Der rotebrauseblogger darf mich hinsichtlich der taktischen Feinheiten da gern korrigieren. Auch wäre es sicher spannend, mal noch den einen oder anderen O-Ton zum Härtel-Abschied aus dem RB-Lager zu bekommen…

Das klingt also im ersten Zugriff schon erst einmal alles ziemlich positiv, allerdings ist ja bekanntlich da, wo Licht ist, in der Regel auch zumindest ein kleines bisschen Schatten. Außerdem wäre der Magdeburger als solcher ja auch kein ordentlicher Magdeburger, wenn er bei grundsätzlich positiven Ereignissen nicht irgendwo immer auch als Bedenkenträger in Erscheinung tritt. Klopft man in die Suchmaschine seines Vertrauens zum Beispiel „Jens Härtel BAK“ ein, erhält man zum einen zwar diverse Berichte und Interviews zur besagten Pokalsensation in der Spielzeit 12/13, zum anderen aber auch Artikel, die sich mit der Trennung zwischen Verein und Trainer befassen und so ein kleines bisschen (und auf einer sehr, sehr interpretativen Ebene) Einblicke in die Gedankenwelt des Jens H. gewähren. Den Subtext der verschiedenen Artikel könnte (!) man durchaus so interpretieren, dass Härtel ein extrem ehrgeiziger, prinzipientreuer und ambitionierter Trainer ist, der genaue Vorstellungen von seiner Arbeit und der damit verbundenen Entwicklungsperspektive von Mannschaft und Verein hat. Und bei entsprechender Nicht-Passung dann eben auch – wie im Falle des BAK –  die Zusammenarbeit beendet. Das ist prinzipiell ja auch überhaupt nichts Schlimmes (ganz im Gegenteil), fraglich ist halt nur, ob das auf Dauer mit Mario Kallnik als Chef und genau so starkem Charakterkopf gutgehen kann. Spannend wird hier sein, zu sehen, wie sich beide verhalten, wenn es vielleicht mal nicht so läuft oder man zu Thema X generell unterschiedlicher Meinung ist. Allein, das wird die Zeit zeigen, und am allerbesten wäre es natürlich, wenn Mannschaft, Vereinsführung und Umfeld sich aufgrund bahnbrechenden Erfolgs in der neuen Spielzeit gegenseitig einfach keine Anlässe liefern, um solche Charaktertests stattfinden zu lassen. Und dann wäre da ja noch die Sache mit der fußballerischen Sozialisation (u.a. 1. FC Lokomotive Leipzig, FSV Zwickau, Union Berlin) und dem letzten Arbeitgeber des Herrn Härtel, was ja in unsere Fanszene auch nicht immer ganz so einfach ist…

In diesem Zusammenhang aber gleich von einem „schwierigen Umfeld“ zu sprechen, für das Jens Härtel gemäß verschiedener Aussagen aus dem RB-Lager „viel Glück und Erfolg“ bräuchte, finde ich dann ja doch etwas weit hergeholt. Eigentlich ist das nämlich alles furchtbar einfach und gar nicht schlimm, sofern der neue Trainer sich an ein ganz simples, aber nachhaltig Freude versprechendes Erfolgsrezept hält: die Liga dominieren, noch dazu in jedem Spiel attraktiven, schnellen Offensivfußball zelebrieren, Aufstellungen und Wechsel immer in enger Abstimmung mit dem Fanforum vornehmen und am Ende souverän und ungeschlagen in die dritte Liga aufsteigen. In diesem Sinne:

Herzlich willkommen, Jens Härtel! Auf eine erfolgreiche Zeit bei den Größten der Welt!

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