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Eine Frage der Perspektive

Bremen II

1. FC Magdeburg – SV Werder Bremen II, 8. Spieltag, 2:0 (1:0)

Zweiter Sieg in Folge, zweites gewonnenes Heimspiel der Saison und eine gänzlich ungewohnte Perspektive auf das Geschehen unten auf dem grünen Rasen – es gab definitiv schon, nun ja, gewöhnlichere Spieltage im heimischen Heinz-Krügel-Stadion. Was am Ende des Tages aber vor allem zählt, sind die drei Punkte gegen die U23 des SV Werder Bremen, die dafür gesorgt haben, dass sich der 1. FC Magdeburg bis auf den 12. Tabellenplatz vorschieben und seine kleine Negativserie vorerst beenden konnte. Bedanken konnten sich die Größten der Welt für diesen Sieg vor allem bei Jan Glinker, der fehlenden letzten Konsequenz im Bremer Angriffsspiel und bei Tarek Chahed, der mit seinem großartigen 2:0 und seinem noch großartigeren Laufweg vorher deutlich gezeigt hat, warum es sich einfach lohnt, auch in der Nachspielzeit noch jedem Ball engagiert hinterher zu jagen. 

Trainer Jens Härtel wählte für das erste Heimspiel nach einem knappen Monat die gleiche Grundordnung, die auch schon in Münster erfolgreich praktiziert wurde: Vor Jan Glinker im Tor gab es eine Dreier-Abwehrkette, in deren Zentrum erneut Nico Hammann auflief – und abermals überzeugen konnte. Schlechte Nachrichten irgendwie für Steffen Puttkammer, der diese Position normalerweise bekleidet, nun aber einen eher unerwarteten Konkurrenten vor der Nase hat; gleichzeitig aber auch Beleg für eine entsprechenden Flexibilität im Kader, die in so einer langen Saison mit Sicherheit nicht von Nachteil ist. Links neben Hammann kehrte erwartungsgemäß Moritz Sprenger für Felix Schiller in die erste Elf zurück, rechts spielte Christopher Handke. Marius Sowislo und Niklas Brandt sicherten vor der Abwehr, im offensiveren Teil des Mittelfeldes liefen links Tobias Schwede, zentral Sebastian Ernst und rechts Nils Butzen auf. Das Sturmduo im 3-5-2 bildeten Christian Beck und Manuel Farrona Pulido.

Die unmittelbare Anfangsphase des Spiels gehörte erst einmal dem Gast, ein Bild, das sich dann vor allem in der zweiten Hälfte auf Dauer stellen sollte. In der fünften Minute sahen die knapp 12.200 Zuschauer den ersten gefälligen Abschluss durch Farrona Pulido, ansonsten entwickelte sich aber eine muntere Partie, in der die Bremer Gäste vor allem über Standards gefährlich wurden. Der FCM versuchte es spielerisch, hatte aber (noch) mit einigen Ungenauigkeiten im eigenen Passspiel zu kämpfen. Ein erstes Zurechtfinden in der Anfangsphase war derweil auch auf den Rängen angesagt, war Block U dank „Zuschauerteilausschluss“ doch auf die Südtribüne umgezogen, blickte man von dort aus auf die leere Nordkurve und war es schon ungewöhnlich, das Team diesmal aus dieser Perspektive zu unterstützen. Entgegen der etwas merkwürdigen Einschätzung im Spielbericht auf der Vereinshomepage tat das der Stimmung aber keinen Abbruch, eher im Gegenteil: so eine leere Tribüne kann, mit Wucht besungen, schon einen ganz schönen Schall verursachen. Trotzdem dürfte man sich in der Kurve überwiegend einig gewesen sein, dass man solche Umstände so schnell nicht wieder braucht.

Aber zurück zum Spiel, das in der 14. Minute die erste glückliche Wendung nahm. Kapitän Sowislo zieht einfach mal aus der zweiten Reihe ab, sein eigentlich komplett ungefährlicher Schuss wird von einem Bremer Defensivspieler abgefälscht und landet so zum 1:0 in den Maschen vor der provisorischen Fankurve. Aus Bremer Sicht natürlich ein mehr als unglückliches Gegentor, aus blau-weißer Perspektive selbstredend der nahezu optimale Spielverlauf.

Wer nun allerdings dachte, dass das Tor dem Spiel der Gastgeber gut tun würde, sah sich getäuscht: Die Spielkontrolle lag in den folgenden etwa 10 Minuten erstaunlicherweise vor allem beim Bremer Nachwuchs. Richtig gefährlich wurde der FCM erst wieder in Minute 25, als eine lange Hereingabe Moritz Sprenger zentral am Fünfmeterraum findet. Sprenger entscheidet sich jedoch für den Versuch, den Ball irgendwie mit dem Fuß ins Tor zu spitzeln, statt ihn einfach mit dem Kopf in die Maschen zu donnern, und bereitet so Gästekeeper Zetterer keine großen Probleme. Ähnlich übrigens wie der insgesamt eher blasse Christian Beck, der einen schönen Pass von Sturmpartner Pulido in Minute 39 nicht entscheidend kontrolliert bekommt und den Ball so letztlich auch an den aufmerksamen Zetterer im Tor verliert.

Eine sehr gute Konterchance und eine noch bessere Parade von Jan Glinker später war dann Halbzeit in einer Begegnung, in der die Gastgeber glücklich, aber nicht unverdient in Führung lagen und sich wohl aber niemand gewundert hätte, wäre ein 2:2 statt einem 1:0 auf der Anzeigetafel zu lesen gewesen.

Durchgang 2 begann mit einem Wechsel bei Blau-Weiß, für Sebastian Ernst kam Jan Löhmannsröben in die Partie. Auch wenn Marius Sowislo nun auf die Ernst-Position vorrückte, bekam das Spiel des FCM durch den Wechsel eine leicht defensivere Ausrichtung. Zu defensiv vielleicht, sprach doch Trainer Härtel in der Pressekonferenz nach der Begegnung davon, dass man in der zweiten Hälfte insgesamt zu tief stand und den Bremern doch einigen Raum bot, ihr technisch hervorragendes Spiel aufzuziehen. Und das taten sie dann auch – Spielerisches kam jetzt eigentlich nur noch von den Gästen. Der Club verlegte sich auf Konter und die Verteidigung, wodurch sich auch diesmal wieder ein Nervenspiel entwickelte, bei dem es den Größten der Welt aber mit viel Glück und Geschick irgendwie gelang, die berühmte Null zu halten. So zum Beispiel in der 59. Minute, als eine scharfe Bremer Hereingabe vollkommen ungehindert durch den Strafraum schießt und gleich drei Spieler nur äußerst knapp am Ball vorbeirutschen. Oder kurz vor Ende, als der inzwischen eingewechselte Enis Bytyqi frei vor Jan Glinker auftaucht und den Keeper der Blau-Weißen zu einer weiteren starken Parade zwingt.

Nach 65 Minuten war dann Schluss für Manuel Farrona Pulido (was der Stimmung des Deutsch-Spaniers offenbar weniger zuträglich war), für ihn kam Tarek Chahed in die Begegnung. Was zunächst wie ein weiteres Signal des Trainers wirkte, eher die Führung verteidigen als sie weiter ausbauen zu wollen, erwies sich im weiteren Verlauf als absoluter Glücksgriff. Chahed orientierte sich direkt in den Sturm neben Christian Beck und störte früh & energisch immer wieder den Bremer Spielaufbau – etwas, das Pulido nach Aussage des Trainers nach dem Spiel wohl eher vernachlässigt hatte und auch mit ein Grund für seine Auswechslung war.

Wie sehr Bremen in den zweiten 45 Minuten drückte, lässt sich vielleicht ganz gut daran ablesen, dass es irgendwann Keeper Zetterer war, der den Spielaufbau anschob – und zwar nicht vom Sechzehnmeterraum, sondern ungefähr im Mittelkreis. Der Club fand offensiv eigentlich kaum mehr statt und spätestens mit der Einwechslung von Steffen Puttkammer für Christian Beck in der 86. Minute war klar, dass es hier heute nun darum gehen wird, den Sieg irgendwie über die Zeit zu bringen. Und was soll ich sagen? Auch an diesem 8. Spieltag waren die Minuten und Sekunden irgendwie länger als sonst und wollte der ersehnte Abpfiff partout nicht ertönen.

In der 92. Minute gibt es dann noch einmal Freistoß für Bremen von unserer rechten Abwehrseite; Chahed hatte seinen Gegenspieler eher ungestüm zu Fall gebracht. Der Ball kommt in den Strafraum, in den sich mittlerweile auch der Bremer Keeper begeben hatte, wird aber abgewehrt und segelt ins aus Südtribünen-Perspektive linke Halbfeld. Während die Kugel noch unterwegs ist, startet von rechts schon Tarek Chahed, köpft einem Bremer Spieler den Ball quasi vor der Nase weg und Richtung Seitenauslinie. Ein kurzer Sprint hinterher, ein Blick in Richtung leeres Tor, ein Schuss aus gut und gerne 35-40 Metern – der Ball wird lang, länger, richtig lang und schlägt zum 2:0 vor dem rechten Posten im Bremer Tor ein. Völlige Eskalation auf der Südtribüne, eine Jubeltraube Blau-Weißer vor Block 1 und 2 und natürlich die Entscheidung. Großartige Aktion nebst sensationellem Abschluss von Tarek Chahed! Wenn sich damit mal nicht einer einen Startelfeinsatz am Sonntag gegen Wiesbaden verdient hat…

Kurz darauf war Schluss und waren die wichtigen 3 Punkte unter Dach und Fach. Dreckiger Sieg, hart erkämpft und erarbeitet, aber hey: das interessiert in der Endabrechnung nun wirklich niemanden. Die Mannschaft bewies derweil, dass sie auch nach dem Abpfiff noch ordentliche Statements zu setzen weiß: Wie üblich begab man sich auf eine kleine Ehrenrunde, sparte dabei aber zunächst die voll besetzte Südtribüne aus und fand sich, wie sonst auch, vor der Nordtribüne ein. Dort nahm man Aufstellung, dreht sich noch mal kurz zur Süd um – und klatschte kollektiv zwar, aber eben in Richtung der leeren Block-U-Hintertortribüne ein. Überragende Aktion des Teams, für die man jeden Einzelnen eigentlich nur noch knuddeln möchte. Danke, Jungs!

Die Größten der Welt beschließen die englische Woche nun (hoffentlich mit drei weiteren Punkten) in Wiesbaden, während es hier im Blog in eine kleine, kreative Pause geht und ich mich erst mit dem Text zur Begegnung gegen Holstein Kiel zurückmelden werde. Und wäre es nicht einigermaßen überragend, wenn der Beitrag dann vom vierten Sieg in Folge zeugen könnte?

 

Beitragsbild via Fanclub Mittelhessen (Facebook)

5 Kommentare

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